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Editorial: Generika bei Osteoporose
Die Pharmainfo evaluiert nach medizinischen Kriterien und nicht nach ökonomischen Gesichtspunkten. Allerdings hat die Frage einer ökonomischen Verschreibung auch medizinische Konsequenzen, dann nämlich, wenn die Medikamentenkosten nicht mehr für alle finanzierbar sind und Patienten/innen darunter medizinisch leiden. Wir haben deshalb eine sehr klare Stellungnahme (Pharmainfo XX/1/2005) zur medizinischen Notwendigkeit der Generikaverschreibung abgegeben.
Kürzlich ist eine intensive Debatte über Generika für Bisphosphate entstanden. Bisphosphonate sind sehr gute Medikamente und haben einen klaren medizinischen Fortschritt für die Osteoporosetherapie gebracht. Jetzt stehen aber für Alendronat (Fosamax) preisgünstige Generika (AlendronHexal, Alendronat Nycomed 70 mg, Alendronsäure ratiopharm 70 mg - einmal wöchentlich, Alendronstad 70 mg - einmal wöchentlich) zur Verfügung. Nun wurde von mehreren Seiten vor diesen Generika gewarnt (z.B. J.Miner.Stoffwechsel, Nummer 2, S. 74, 2006). So wird z.B. argumentiert, dass unterschiedliche Zerfallsgeschwindigkeiten der Tabletten unterschiedliche Nebenwirkungen (z.B. im Bereich des Ösophagus) oder eine variable Resorption bedingen könnten. Es wurden auch Daten über sehr unterschiedliche Zerfallsraten von Generika präsentiert, die allerdings in Südamerika und nicht in Österreich registriert waren. Bei der Zulassung in Österreich werden natürlich auch die galenischen Eigenschaften der Präparate überprüft und diese müssen sich einschließlich der Zerfallsraten in den vorgeschriebenen Bereichen befinden.
Weiters wurde auf die äußerst geringe Bioverfügbarkeit von Alendronat, die nur 0,7% beträgt, verwiesen, d.h. von einer verabreichten Dosis geraten weniger als 1% in den Kreislauf. Diese stellt für dieses Präparat und zwar schon für das Originalpräparat ein Problem dar, da sie, wenn sie z.B. von 0,35 - 1,4 schwanken würde, Blutspiegel bedingen kann, die sich um den Faktor 4 unterscheiden. Bei einem Präparat mit geringer therapeutischer Breite (z.B. Digoxin) wäre dies mit hohen Risiken an lebensgefährlichen Nebenwirkungen verbunden und würde nie eine Zulassung erlaubt haben. Digoxin Präparate haben tatsächlich eine Bioverfügbarkeit von 80%. Der Wirkstoff Alendronat hat eine große therapeutische Breite und wird im Knochen abgelagert und entfaltet dort seine Wirkung. Von Tag zu Tag schwankende Blutspiegel stellen für diese Substanz offensichtlich kein Problem dar. Dies zeigt sich ja schon darin, dass auch eine einmal wöchentliche oder sogar einmal jährliche Gabe von Bisphosphonaten eine ausreichende Wirkung entfalten kann. Für Generika Präparate muss vor der Zulassung Bioäquivalenz gezeigt werden, d.h. es müssen bei 10 - 20 Probanden/innen im Mittel gleiche Blutspiegel (oder auch eine gleiche Ausscheidung im Harn) wie beim Originator nachweisbar sein. Diese Messungen garantieren im Kollektiv eine vergleichbare Aufnahme in den Organismus. Am/an der einzelnen Patienten/in kann der Blutspiegel bei dieser niedrigen Bioverfügbarkeit stark schwanken, allerdings nicht nur für die Generika, sondern genauso für das Originalpräparat. Bei der Gabe des Originalpräparats Fosamax kam es immer wieder bei ein paar Prozent der Patienten/innen zu Therapieversagern (festzustellen durch Messung klinischer Parameter und der Knochendichte). Dies dürfte zumindest in einigen Fällen ein Problem der sehr niederen Bioverfügbarkeit von Fosamax sein. Das gleiche kann auch mit Generika passieren. Originator und Generika sind daher auch in diesem Aspekt gleichwertig.
Um jedes Risiko für die Patienten/innen wegen mangelnder Wirkung zu vermeiden, ist es daher zweckmäßig, für Originator und Generika die erfolgte Wirkung auf den Knochenstoffwechsel durch Bestimmung klinischer Parameter (z.B. von Knochenumsatzmarkern) sicherzustellen. Abschließend können wir feststellen: Gerade bei den Bisphosphonaten mit ihrer variablen Bioverfügbarkeit, ihrer großen therapeutischen Breite und ihrer Langzeitablagerung im Knochen, spricht nichts gegen die Verwendung der preislich günstigeren Generika. Ein gezielt vermehrter Einsatz dieser leichter finanzierbaren Generika sollte es erlauben, den bisherigen Erfolg der Osteoporosetherapie (insbesondere Verhinderung der Frakturen bei älteren Personen) noch auszudehnen und daher auch nach medizinischen Kriterien korrekt zu verschreiben.
Behandlung der Hypertonie: Was ist etabliert und was ist kontroversiell?
Die Hypertonie ist nach wie vor eine der wichtigsten Erkrankungen in industrialisierten Ländern mit einer Prävalenz von etwa 20% und einer breiten Palette an schwerwiegenden Folgeerkrankungen. Im Laufe der letzten 50 Jahre sind nach und nach gut wirksame Medikamentengruppen entwickelt worden. Die Frage, welche Medikamente Mittel erster Wahl darstellen, war nicht nur von Studien beeinflusst, sondern auch von dem Bestreben der Hersteller, sich auf diesem wichtigen Gebiet Marktanteile zu sichern. So hat man natürlich auch versucht, neue Medikamentengruppen als die klinisch besseren darzustellen, insbesondere wenn in den „alten“ Gruppen durch die Einführung von Generika das finanzielle Interesse der ursprünglichen Firmen geringer wurde. Dieser Verteilungskampf setzt sich bis heute fort. Dazu zwei repräsentative Titel: Evidence that new antihypertensives are superior to older drugs (1), The end of betablockers for uncomplicated hypertension? (2). Wir haben in früheren Pharmainfos (XVI/3/2001;XVI/2/2001; XIV/1/1999) mehrfach über Hochdrucktherapie berichtet. Wir wollen dieses Mal zusammenfassen, was etabliert erscheint und einige kontroversielle Fragen analysieren.
Welche Medikamentengruppe ist bei der unkomplizierten Hypertonie (d.h. ohne Begleiterkrankung) vorzuziehen?
Eine Aussage sei vorweggenommen: Alle großen Studien und Metaanalysen bestätigen, dass das Ausmaß der Blutdrucksenkung (Effizienz der Therapie) für die Verhinderung von Komplikationen (vor allem kardiovaskulär: Schlaganfall und Herzinfarkt) entscheidend ist. Nur wenn daher in Vergleichsstudien von Substanzen das Ausmaß der Blutdrucksenkung für die untersuchten Gruppen ident ist, können klinische Unterschiede zwischen den Gruppen einer spezifischen Wirkung der Medikamente zugeordnet werden.
Diuretika:
Diese Mittel repräsentieren die erste Gruppe einer effektiven Hochdrucktherapie und dies wurde sehr früh durch zahlreiche Studien belegt. In der großen ALLHAT-Studie (37.357 Patienten/innen: 3) wurde gezeigt, dass Diuretika (Chlorthalidon) gleichwertig, in einzelnen Parametern sogar tendenziell besser als ACE-Hemmer und Calciumkanalblocker sind, wobei in dieser Studie ca. 70% der Patienten/innen nur eine Monotherapie erhielten. Analoge Resultate wurden bei Frauen in der Postmenopause (Women’s Health Initiative: WHI Studie, 93.676 Patientinnen: 4) erhalten, wobei Monotherapien auch separat ausgewertet wurden. Seit relativ niedrige Dosen der Diuretika verwendet werden (z.B. Chlorthalidon 12,5 und 25 mg) ist auch die Nebenwirkungsrate gesunken. Die häufigste Nebenwirkung Hypokaliämie trat nur bei ca. 10% auf (3). Dieser Datenlage entsprechend werden Diuretika in verschiedenen Richtlinien als die beste primäre Monotherapie (Richtlinien USA) oder zumindest als eine der besten (Richtlinien Europa) bezeichnet. In Österreich werden Diuretika als Monotherapie weniger als in anderen Ländern verschrieben, z.T. auch dadurch bedingt, dass die für Langzeittherapien des Hochdrucks gut untersuchten Diuretika wie Hydrochlorothiazid oder Chlorthalidon als Monosubstanzen nicht mehr im Handel waren. Seit kurzem ist aber Chlorthalidon wieder verfügbar (Hydrosan) und nach wie vor gibt es die Kombinationen von Hydrochlorothiazid mit den Kalium-sparenden Verbindungen Triamteren (Dytide H, Triamteren Genericon comp. Triastad HCT) und Amilorid (Amiloretik, Amilorid Genericon comp., Amilostat HCT, Lanuretic, Loradur, Moduretic).
ACE-Hemmer:
Zahlreiche Studien bestätigen die Wirksamkeit dieser Substanzen und zeigen, so wie die oben zitierte ALLHAT-Studie (3) einevergleichbar gute Wirkung wie Diuretika (siehe auch Metaanalysen: 5,6). Es gibt keine Studien, die einen klinisch relevanten Vorteil einer einzelnen Substanz aus der Gruppe der ACE-Hemmer belegen. Die Auswahl kann daher nach pharmakokinetischen Gesichtspunkten (wieviele Tabletten pro Tag) bzw. nach ökonomischen Gesichtspunkten (Generika) vorgenommen werden. ACE-Hemmer sind nebenwirkungsarm, mit Husten als häufigster Nebenwirkung. Die Frequenz beträgt ca. 10% (Pharmainfo VIII/3/1993). In früheren Zeiten, als es um die Propagierung der ACE-Hemmer ging, wurde von den zuständigen Firmen eine eher niedrige Frequenz postuliert, jetzt wo man die patentgeschützten und dadurch teureren Sartane (Angiotensin-Rezeptorblocker) propagieren will, wird auch von einer Hustenfrequenz bis zu 50% gesprochen.
Angiotensin-Rezeptorblocker (Sartane):
In den letzten Jahren wurden als Antihypertensiva auch eine Reihe von Angiotensinantagonisten entwickelt. In einer großen Studie zeigte sich für Valsartan im Vergleich zu Amlodipin allerdings kein Vorteil (VALUE-Studie: 7). Im Gegensatz dazu ergab die LIFE-Studie bei gleicher Blutdrucksenkung klinische Vorteile von Losartan gegenüber Atenolol bei Patienten/innen mit Hypertonie und EKG-Zeichen der Linkshypertrophie (8). Eine rezente Untersuchung (9) ergab für Atenolol bezüglich klinischer Endpunkte allerdings keine über Placebo hinausgehende Wirksamkeit (siehe unten). In der jüngsten Studie (MOSES-Studie: 9a) wurde Eprosartan mit dem Calciumkanalblocker Nitrendipin bei Patienten/innen mit hohem cerebrovaskulären Risiko verglichen. Weder für die Gesamtmortalität noch für Mortalität-Subgruppen waren Unterschiede zu sehen, bei den kardiovaskulären Komplikationen war bei Eprosartan, wie bei einem Vergleich mit einem Calciumkanalblocker (siehe unten) zu erwarten, die Herzinsuffizienz seltener, aber in den Gesamtkomplikationen war kein signifikanter Unterschied. Nur bei den cerebrovaskulären Komplikationen war die Rate für Eprosartan signifikant niedriger, wobei dies weitgehend auf eine niedrigere Rate von TIA zurückzuführen war. Zusammenfassend lässt sich sagen, verglichen mit Diuretika, ACE-Hemmern und Calciumkanalblockern sind die Sartane bei Hochdruckpatienten/innen insgesamt relativ wenig untersucht, insbesondere fehlen Vergleichsstudien mit Diuretika und ACE-Hemmern. Natürlich wird gerade jetzt, wo Generika die ACE-Hemmer preisgünstiger machen, versucht, Sartane als die besseren Blocker des Angiotensinsystems zu propagieren, eine Überlegenheit von Sartanen gegenüber ACE-Hemmern ist aber nicht durch Studien belegt. Sartane sollten daher nur verschrieben werden, wenn ACE-Hemmer nicht vertragen werden.
Calciumkanalblocker:
Die Entwicklung für diese Verbindungen war etwas kontroversieller. Eine erste Kontroverse betraf die Auslösung von Angina pectoris-Anfällen bei Risikopatienten/innen und möglicherweise eine erhöhte kardiovaskuläre Mortalität (siehe Pharmainfo XIV/1/1999). Dies dürfte aber nur kurzwirksame Präparate wie Nifedipin betroffen haben. Größere Vergleichsstudien (siehe Pharmainfo XVI/2/2001) zeigten dann eine den Diuretika und ACE-Hemmern vergleichbare positive Wirkung, allerdings ein nicht völlig identes Spektrum: Im Vergleich mit anderen blutdrucksenkenden Substanzen stand einer besseren Wirkung bei der Reduktion von Schlaganfällen ein erhöhtes Risiko bei Herzinfarkt und Herzinsuffizienz gegenüber (3,4). In der kardiovaskulären und Gesamtmortalität waren sie gleichwertig. Eine Auswertung aller Studien bestätigte im Großen und Ganzen diese letzteren Daten (5,6). Ein Vergleich von Amlodipin und Valsartan (VALUE-Studie: 15.245 Patienten/innen: 7) zeigte zwar in einzelnen Parametern (Schlaganfall, Herzinfarkt) Vorteile für den Calciumkanalblocker. Dies könnte aber durch die etwas stärkere Blutdrucksenkung durch Amlodipin bedingt sein (10). Herzinsuffizienz wurde auch in dieser Studie durch Amlodipin weniger günstig beeinflusst. In der jüngsten Studie (ASCOT: 11) wurde eine Amlodipin-Gruppe (39,1% erhielten zusätzlich einen ACE-Hemmer) mit dem Betablocker Atenolol (49,1% erhielten zusätzlich ein Diuretikum) verglichen. Im Primärparameter (Herzinfarkt einschließlich Todesfälle) war kein signifikanter Unterschied, für weitere Parameter, insbesondere Schlaganfall und gesamte kardiovaskuläre Mortalität war die Amlodipin-Gruppe signifikant besser. Allerdings führte Amlodipin zu einer stärkeren Blutdrucksenkung, was die besseren Resultate zum Teil (12) oder auch ganz (1) erklären kann. Auffällig war, dass in dieser Studie Amlodipin sogar für Herzinsuffizienz zumindest numerisch besser war, was wohl auf die kombinierte Gabe mit ACE-Hemmern zurückzuführen sein dürfte. Ob diese Studie eine schlechtere Wirkung von Betablockern, insbesondere Atenolol belegt, wird unten diskutiert. Zusammenfassend können wir feststellen, dass Calciumkanalblocker vergleichbar wirksam sind wie Diuretika oder ACE-Hemmer. Zur Verhinderung von Schlaganfällen, vor allem interessant bei Patienten/innen mit hohem systolischen Blutdruck, könnten Calciumkanalblocker etwas effizienter sein. Der geringere Effekt in der Prävention der Herzinsuffizienz ist aber bei der Therapieauswahl zu berücksichtigen.
Betablocker:
Die blutdrucksenkende Wirkung von Betablockern, insbesondere bei jüngeren Patienten/innen ist gut belegt, und generell haben die verschiedenen Studien über Prävention von Hochdruckkomplikationen eine den anderen Gruppen vergleichbare Wirkung gezeigt (dementsprechend auch in den Richtlinien als gleichwertige Therapie empfohlen). In der ALLHAT-Studie wurden Betablocker nicht verwendet, in der WHI-Studie an postmenopausalen Frauen waren sie den Diuretika und ACE-Hemmern gleichwertig. In jüngster Zeit ist aber bedingt durch die ASCOT-Studie (11) eine Diskussion entstanden. In dieser Studie (siehe auch oben) war Amlodipin (plus Perindopril) gegenüber Betablockern (plus Diuretika) bezüglich Schlaganfällen und kardiovaskulärer Mortalität signifikant, bezüglich Herzinfarkt numerisch besser wirksam. Wir haben allerdings bereits oben ausgeführt, dass diese bessere Wirkung möglicherweise durch die stärkere Blutdrucksenkung durch Amlodipin erklärbar sein könnte, denn gerade bei älteren Patienten/innen sind ja Betablocker nicht so gut blutdrucksenkend wie andere Substanzen. Auf jeden Fall haben die Autoren dieser Studie in zwei weiteren Publikationen sich kritisch zu Betablockern geäußert, was sogar zu dem Titel führte: The end of ß-blockers for uncomplicated hypertension? (2). Neben der ASCOT-Studie publizierten sie auch eine Metaanalyse (13), in der sie Betablocker gegenüber anderen Therapien bewerteten. Hierbei waren Betablocker bezüglich Myokardinfarkt und Gesamtmortalität gegenüber anderen Therapien praktisch ident, allerdings bei Schlaganfall signifikant schlechter. Dieses Resultat bei Schlaganfall beruht aber nur auf der ASCOT-Studie und dem Betablocker Atenolol; wenn man diese Resultate herausnimmt, war kein Unterschied mehr feststellbar. Nachdem für die ASCOT-Studie nicht sichergestellt ist, ob diese gefundenen Unterschiede auf die Substanzen zurückzuführen sind, ist diese Art der Metaanalyse unverlässlich. Auch könnte der in der ASCOT-Studie verwendete Betablocker Atenolol (aufgrund geringer ZNS-Gängigkeit) verglichen mit anderen Betablockern weniger effektiv sein. Dies scheint zumindest die bereits erwähnte Metaanalyse zu belegen (13) und könnte auch erklären, warum in der LIFE-Studie (siehe oben) Losartan besser abgeschnitten hat als Atenolol (8).
In der jüngsten Metaanalyse zum Vergleich Betablocker mit anderen Antihypertensiva (13a) werden die Studien nach dem Alter der Patienten/innen (unter 60 Jahren oder darüber) bezüglich Todesfällen, Schlaganfällen und Herzinfarkten analysiert. Gegenüber Placebo waren Betablocker bei beiden Altersgruppen wirksam. Im Vergleich zu anderen Antihypertonika waren sie in der jüngeren Altersgruppe gleich, in der älteren Gruppe aber etwas schlechter wirksam. Es ist aber festzustellen, dass die Bewertung der Betablocker derzeit weiterhin in Diskussion ist und es auch Richtlinien gibt, die sie generell nur als Mittel zweiter Wahl betrachten (13b).
Zusammenfassend können wir feststellen, dass Betablocker bei jüngeren Patienten/innen gut blutdrucksenkend wirken, in der Hochdrucktherapie eine den anderen Therapien vergleichbar gute Wirkung zeigen und eine der Substanzgruppen erster Wahl sind. Bei älteren Patienten/innen ist der Betablocker erst dann Mittel erster Wahl, wenn er durch zusätzliche Erkrankungen (z.B. Koronarerkrankung und Herzinsuffizienz) indiziert ist.
Medikamente für hypertensive Patienten/innen mit Diabetes
Patienten/innen mit Diabetes mellitus leiden etwa doppelt so häufig an einer Hypertonie als Patienten/innen ohne Diabetes mellitus. Basierend auf den Ergebnissen mehrerer Studien wie z.B. der UKPDS (14), in der sich Hypertonie als wichtigster klinischer Risikofaktor bei Diabetes mellitus – wichtiger noch als die Stoffwechselkontrolle per se – zeigte, sollte bei Diabetikern/innen der Blutdrucksenkung besonderes Augenmerk gewidmet werden. Mit effizienter Blutdrucksenkung kann bei Diabetes die kardiovaskuläre Mortalität um etwa 50% reduziert werden. Daten der HOT-Studie (15) zufolge konnte darüberhinaus die kardiovaskuläre Mortalität bei Erreichen eines diastolischen Blutdrucks von <80 mmHg gegenüber <90 mmHg halbiert werden. Trotz der durch einige große Studien belegten prinzipiellen Gleichstellung aller o.a. Substanzklassen (inklusive Diuretika) auch bei Diabetes (Syst-Eur-Studie: 16; STOP2-Studie: 17, UKPDS: 14, ALLHAT: 3), kristallisierte sich in den letzten Jahren ein gewisser Vorteil von ACE-Hemmern und Angiotensinantagonisten gegenüber anderen Substanzen heraus (HOPE-Studie: 18; CAPPP-Studie: 19). ACE-Hemmer und Angiotensinantagonisten verzögern im Vergleich zu anderen Substanzen die Entstehung eines Diabetes mellitus (LIFE-Studie: 8; HOPE-Studie: 20, CAPPP-Studie: 19). Vor allem junge Patienten/innen könnten daher tendenziell eher von einem ACE-hemmenden Prinzip profitieren, da sie meist eine lebenslange Therapie benötigen und die Faktoren „Stoffwechselneutralität“ und „Antidiabetogenität“ am ehesten klinisch zum Tragen kommen. Bei Patienten/innen mit diabetischer Nephropathie erscheint die Therapie mit ACE-Hemmern bzw. Sartanen (21,22,23) auch ohne hypertensive Grunderkrankung tendenziell anderen pharmakologischen Klassen überlegen (24). Ob dies allerdings auch für Nephropathien gilt, die nicht auf diabetischer Grundlage stehen, ist unklar (24a).
Medikamente für Patienten/innen mit Hypertension und Koronarerkrankung
Für Patienten/innen nach Herzinfarkt ist sowohl für Betablocker (Pharmainfo XIII/1/1998) als auch für ACE-Hemmer eine positive Wirkung, unabhängig von einer Hochdruckbehandlung belegt, während dies für Calciumkanalblocker (Pharmainfo XII/1/1997) und Diuretika nicht der Fall ist (siehe auch: 25). Betablocker und ACE-Hemmer sind daher in der Reinfarktprophylaxe für alle Patienten/innen (ohne Kontraindikationen) indiziert, bei Patienten/innen, die zusätzlich einen Hochdruck haben, ist die blutdrucksenkende Wirkung besonders erwünscht und sie sind dort sozusagen Mittel der „doppelten Wahl“.
Bei stabiler Angina pectoris sind Nitrate, Betablocker und Calciumkanalblocker in der Verhinderung der Anfälle wirksam. Haben sie aber auch eine positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf, unabhängig von ihrer blutdrucksenkenden Wirkung? In zwei großen Studien (EUROPA: 26; HOPE: 27) wurden für die ACE-Hemmer Perindopril bzw. Ramipril bei Patienten/innen mit Koronarerkrankung positive Effekte gesehen und zwar auch laut Subgruppenanalyse bei Patienten/innen ohne früheren Infarkt und ohne Hochdruck. In der PEACE-Studie mit Trandolapril (28) war kein positiver Effekt zu beobachten, möglicherweise deshalb (29), weil die Patienten/innen eine besonders effiziente Gesamttherapie erhielten (u.a. Betablocker, Statine). Für Betablocker gibt es keine Langzeitstudien bei stabiler Angina pectoris. Da aber die positive Wirkung bei Reinfarktprophylaxe besonders gut belegt ist, kann eine positive Wirkung generell bei koronarer Herzerkrankung mit großer Sicherheit angenommen werden (30). Für Calciumkanalblocker fand eine größere Studie (ACTION: 7.665 Patienten/innen; 31) für Patienten/innen mit stabiler Angina pectoris (zum Großteil ohne Hochdruck), dass ein retardiertes Nifedipinpräparat ohne Effekt auf den Primärparameter (vor allem Mortalität, Herzinfarkt, Schlaganfall) war. In einer anderen Studie (INVEST: 32) wurde Verapamil (plus Trandolapril) mit Atenolol (plus Diuretikum) bei Patienten/innen mit Koronarerkrankung verglichen. Da alle Patienten/innen hypertensiv waren, erlaubt diese Studie keine Aussage über Effekte, unabhängig von der Blutdrucksenkung. In einer dritten Studie (CAMELOT: 1.997 Patienten/innen: 33) wurden Amlodipin, Enalapril und Placebo bei Patienten/innen mit Koronarerkrankung und normalem Blutdruck ausgewertet. Amlodipin beeinflusste den Primärparameter (Hospitalisierung für Angina pectoris, kardiovaskuläre Mortalität und Herzinfarkt) besser als Enalapril oder Placebo. Leider macht der Einschluss des Parameters Hospitalisierung für Angina pectoris die Resultate schwer interpretierbar. Es ist nicht verwunderlich, dass Amlodipin, als wirksame Substanz bei Angina pectoris diesen Parameter stark reduziert und tatsächlich sind die positiven Resultate nahezu völlig durch die Besserung dieser Einzelkomponente erklärbar. Für Herzinfarkt war kein signifikantes Resultat zu erhalten, für kardiovaskuläre Todesfälle war das Risiko sogar mit einem Faktor von 2,46 (allerdings nicht statistisch signifikant) erhöht. Diese auch relativ kleine Studie erlaubt daher keine verlässlichen Schlüsse. Zusammenfassend kann man feststellen: Für Patienten/innen mit koronarer Erkrankung sind nach einem Herzinfarkt Betablocker und ACE-Hemmer primär indiziert, unabhängig davon ob ein Hochdruck vorliegt, und "doppelt" indiziert, wenn dieser vorliegt. Bei Patienten/innen mit stabiler Angina pectoris sind Betablocker auch ohne Hochdruck und ACE-Hemmer bei Hochdruck indiziert. Nur bei Prinzmetal-Angina sind Calciumantagonisten aufgrund ihrer guten Wirkung bei dieser Erkrankung auch für Hochdruck Mittel erster Wahl.
Medikamente für Patienten/innen mit Hypertension und Herzinsuffizienz
Bei Herzinsuffizienz gehören heute Diuretika, ACE-Hemmer und Betablocker zur Basistherapie (siehe Pharmainfo XV/3/2000). Sie sind daher auch primäre Mittel für die Behandlung hypertensiver Patienten/innen mit Herzinsuffizienz. Aufgrund des oben gesagten sind Calciumkanalblocker bei dieser Indikation nicht zu empfehlen.
Kombinationstherapie
Die klassische empfohlene Vorgangsweise war, zuerst mit einer Monotherapie (mit steigenden Dosen) zu beginnen und erst dann auf eine Kombination überzugehen. Die meisten Patienten/innen mit Hypertonie benötigen zur adäquaten Blutdrucksenkung aber eine Kombinationstherapie und in den meisten großen Studien erhielt auch der Großteil der Patienten/innen Kombinationen. Es ist daher heute zwar nach wie vor zweckmäßig, bei milden Hochdruckwerten mit einer Monotherapie zu beginnen, allerdings wenn diese nicht ausreicht, zumindest bei Diuretika, nicht die Dosis zu erhöhen (verstärkt eher nur die Nebenwirkungen), sondern auf eine Kombination überzugehen. Bei von Beginn an hohen Blutdruckwerten kann auch mit einer Zweier-Kombination begonnen werden, wobei der internationale Konsens dafür spricht, dass Diuretika ein Teil dieser Kombination sein sollten. Das zweite Präparat kann nach den oben diskutierten Grundsätzen ausgewählt werden. Sollte diese Therapie nicht ausreichen, kann aus den weiter oben diskutierten Gruppen eine weitere Substanz genommen werden. Alphablocker, zentrale Sympatholytika und direkte Vasodilatatoren sind Mittel der Reserve.
Zusammenfassung
Bei unkomplizierter Hypertension sind bei jüngeren Patienten/innen ACE-Hemmer, Calciumkanalblocker, Betablocker oder Diuretika zu empfehlen, bei älteren Patienten/innen Diuretika, ACE-Hemmer oder Calciumkanalblocker; letztere vor allem bei Patienten/innen mit hohem systolischen Blutdruck und erhöhtem Schlaganfallrisiko. Angiotensin-Rezeptorblocker (Sartane) sind nur einzusetzen, wenn ACE-Hemmer wegen der Nebenwirkung Husten nicht verträglich sind. Diese Aussagen beruhen auf medizinischen Kriterien, ökonomische Kriterien unterstützen ebenfalls diese Vorgangsweise. Betablocker sind bei älteren Patienten/innen nicht mehr Mittel erster Wahl, da sie aber bei häufigen Erkrankungen (Koronarerkrankungen und Herzinsuffizienz) auf jeden Fall eine Indikation haben, werden sie in der Praxis bei vielen älteren Patienten/innen auch ein wichtiger Teil der Hochdrucktherapie sein. In Österreich werden Diuretika als Monotherapie sicher zu wenig verschrieben, sie stellen aber sowohl pharmakologisch als auch ökonomisch eine gute Therapie dar. Bei einer Zweier-Kombination, und dies gilt auch für Österreich, werden Diuretika meist berücksichtigt. Auch wenn man, wie oben angeführt, Begründungen für das eine oder andere Präparat anführen kann, sind die Unterschiede zwischen diesen Präparatgruppen für unkomplizierte Hypertonie relativ gering. Für die/den Patientin/en ist es daher nicht so entscheidend, welche Therapie er bekommt, sondern ob er eine Therapie bekommt, die den Blutdruck ausreichend senkt. Es gibt zahlreiche Daten die belegen, dass viele Hochdruckpatienten/innen keine ausreichende Behandlung erhalten. Hier können einige mmHg, um die zu wenig gesenkt wird, ausreichen, um klinisch relevante Komplikationen (und letztlich Todesfälle) auszulösen.
Bei Hochdruckpatienten/innen mit Diabetes sind ACE-Hemmer Mittel primärer Wahl (in zweiter Wahl: Angiotensin-Rezeptorblocker), bei Patienten/innen mit Koronarerkrankung Betablocker und ACE-Hemmer und bei Patienten/innen mit Herzinsuffizienz Diuretika, ACE-Hemmer und Betablocker.
Literatur:
(1) Lancet 366,869,2005
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(6) Lancet 362,1527,2003
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(8) Lancet 359,1004,2002
(9) Lancet 364,1685,2004
(9a) Stroke 36,1218,2005
(10) Lancet 363,2049,2004
(11) Lancet 366,895,2005
(12) Lancet 366,907,2005
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(13b) Brit Hypertension Society: http://www.nice.org.uk
(14) BMJ 317,713,1998
(15) Lancet 351,1755,1998
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(17) Lancet 354,1751,1999
(18) Lancet 355,253,2000
(19) Lancet 353,611,1999
(20) Lancet 354,841,1999
(21) Diabetes Care 26,3296,2003
(22) NEJM 345,861,2001
(23) NEJM 351,1952,2004
(24) NEJM 351,1941,2004
(24a) Lancet 366,2026,2005
(25) Ann Pharmacol 37,1465,2003
(26) Lancet 362,782,2003
(27) NEJM 342,154,2000
(28) NEJM 351,2058,2004
(29) NEJM 351,2115,2004
(30) NEJM 352,2524,2005
(31) Lancet 364,849,2004
(32) JAMA 290,2805,2003
(33) JAMA 292,2217,2004
P.b.b. Erscheinungsort Verlagspostamt 1010 Wien
Montag, 6. November 2006
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em.Univ.Prof.Dr.
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