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Inhalt

 

Editorial

Die Österreichische Ärztekammer hat angeboten, dass die Pharmainfo jeweils über E-Mail zugesandt werden kann. Zahlreiche Ärzte/Ärztinnen haben dieses Angebot bereits angenommen. Da diese Aussendungsmethode signifikante Einsparungen bringt, wäre es zweckmäßig, wenn noch weitere Ärzte/Ärztinnen sich diesem Trend anschließen. Sie können dies durch eine E-Mail (pharmainformation@aerzteverlagshaus.at) noch jederzeit tun.
Es sei daran erinnert, dass alle Jahrgänge der Pharmainfo auch über das Internet (siehe oben Impressum) abrufbar sind. Das dort angebotene Suchprogramm erlaubt, jedes Stichwort (z.B. Substanzen) im früheren "Text" zu finden.
Wir haben in der Pharmainfo XIII/4/1998 berichtet, dass es seit 1995 eine europäische Zulassung für Arzneimittel gibt. Während ursprünglich nur biotechnologisch hergestellte Medikamente verpflichtend dieser Zulassung unterworfen waren, wird dies nun aufgrund der erfolgreichen Entwicklung auf weitere Arzneimittelgruppen (z.B. Cytostatika, Mittel für Diabetes und bei Neurodegeneration) ausgedehnt und es ist abzusehen, dass diese zentrale Zulassung für alle neuen Medikamente verpflichtend erklärt wird. Für den/die verschreibende/n Arzt/Ärztin bedeutet dies, dass nur gut geprüfte Medikamente mit einem positiven Risiko/Nutzenverhältnis auf den Markt kommen und besonders wichtig ist, dass die Fachinformationen für diese Medikamente eine unabhängige und auch relativ ausführliche Information darstellen. Dies kann man leicht überprüfen, da die Fachinformationen am Ende des Textes eine EU-Zulassungsnummer tragen. Die meisten größeren Firmen haben, bis jetzt auch ohne gesetzliche Verpflichtung, für neue, wichtige Präparate diese europäische Zulassung gewählt. Firmen, die dies nicht tun, setzen sich dem Vorwurf aus, dass sie ein Verfahren mit einem hohen wissenschaftlichen Standard scheuen und über nationale Zulassungen mit nachfolgender "mutual recognition" versuchen, auf den Markt zu kommen.
Die Pharmainfo vertritt die Ansicht, dass ein Medikament, das die Hürde der zentralen Zulassung passiert hat, den berechtigten Anspruch erheben kann, zum Zeitpunkt dieser Zulassung ein positives Nutzen/Risikoverhältnis zu haben. Dies kann sich in der postmarketing-Phase natürlich verändern und bei einigen Substanzen kann dies zur Revision des ursprünglichen Urteils, d.h. zur Marktrücknahme, führen. Wenn man als kritische Publikation eine große Zahl der neuen Medikamente negativ bewertet, dann kann man sich in Einzelfällen durch eine solche Marktrücknahme bestätigt sehen. Was ist aber mit den vielen Präparaten, die sich trotz negativer Kommentare am Beginn bewährt haben? Wir gehen daher bewusst nicht einen Weg prophylaktischer Negativkritik. Da sich die Qualität der Zulassung in den letzten Jahrzehnten verbessert hat, wird heute auch eine kritische Analyse weniger neue Medikamente ablehnen müssen. Im Jahre 2004 kann sich die Bewertung von Medikamenten eher an der europäischen Zulassung orientieren als zu Zeiten, wo Zulassungsbehörden sehr unterschiedlich, d.h. auch unverlässlich, agierten.

 

Omega-3-Fettsäuren und kardiovaskuläres Risiko

Omega-3-Fettsäuren und kardiovaskuläres Risiko Omega-3-Fettsäuren sind in Fischen und Meeresfrüchten (Eicosapentaensäure, Docosahexaensäure) sowie in Nuss- und Pflanzenölen ( a-Linolensäure) enthalten. Zum gesundheitlichen Nutzen der Omega-3-Fettsäuren liegen epidemiologische Populationsuntersuchungen und randomisierte klinische Studien vor. Auch sind neue Untersuchungen zu den Wirkungen dieser Nahrungsmittelbestandteile veröffentlicht worden. Der größte Teil der neuen Erkenntnisse betrifft das Herz-Kreislaufsystem. Dies veranlasste die American Heart Association, ihre Stellungnahme zum Wert der Omega-3-Fettsäuren aus dem Jahr 1996 (1) zu aktualisieren (2). Ernährungsempfehlungen der letzten Jahre hatten bereits angegeben, dass gesundes Essen zweimal wöchentlich (fetten) Fisch beinhalten sollte (3). Wieviel an Omega-3-Fettsäuren einzunehmen notwendig ist, um beispielsweise bei vorliegenden kardiovaskulären Risikofaktoren die Manifestation einer koronaren Herzkrankheit zu verhindern, blieb unbestimmt. Die empfohlenen Mengen liegen nach den derzeitigen Richtlinien im Bereich von 0,5 bis 1,8 g/Tag Eicosapentaensäure oder Docosahexaensäure und von 1,5 bis 3 g/Tag a-Linolensäure (2). Für Patienten/innen mit manifester koronarer Herzkrankheit wurde in kontrollierten Studien gefunden, dass kardiovaskuläre Ereignisse (Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall) mit zusätzlicher Gabe von Omega-3-Fettsäuren verhindert werden, und dass sich die Progression der Atherosklerose bremsen lässt (2). Wirkungen, die für die günstigen Eigenschaften der Omega-3-Fettsäuren postuliert wurden, umfassen die Reduktion von Arrhythmie und Thromboseneigung, lipidsenkende Effekte (Triglyceride), Antiinflammation mit günstigen Auswirkungen auf endotheliale Dysfunktion und das Wachstum atherosklerotischer Plaques, sowie eine milde Blutdrucksenkung (4). 
Was sehen die neuen Empfehlungen der American Heart Association vor? Erstens, alle Erwachsenen sollten mindestens zweimal wöchentlich Fisch konsumieren besonders fetten Fisch wie Sardinen, Hering, Makrelen, Lachs u.ä.; zusätzlich wird das Essen pflanzlicher Omega-3-Fettsäuren vorgeschlagen (Sojabohnen in den verschiedenen Formen, Walnüsse, Leinsamen u.ä.). Zweitens, Patienten/innen mit dokumentierter koronarer Herzkrankheit sollten insgesamt ca. 1 g täglich Eicosapentaensäure und/oder Docosahexaensäure zu sich nehmen (für Gehalt in Fischen, siehe: 2). Kann die Menge nicht über den normalen Speiseplan erreicht werden, kann mit eingenommenen Omega-3-Fettsäure Kapseln kombiniert werden. Drittens, weil mit täglich 2 bis 4 g Eicosapentaensäure und/oder Docosahexaensäure Serum-Triglyceridspiegel um 20 bis 40% gesenkt werden können, werden Omega-3-Fettsäuren auch in der Behandlung derHypertriglyceridämie empfohlen. Als Hinweis ist in der Empfehlung allerdings enthalten, dass so hohe Dosen an Omega-3-Fettsäuren das Blutungsrisiko erhöhen können.
Manche Fischarten können durch Quecksilberkontamination bei starkem Verzehr ein Gesundheitsrisiko darstellen (5). Dies wird u.a. als Argument für eine bevorzugte Einnahme von Fischöl Kapseln verwendet (6). Die Empfehlungen der American Heart Association halten diesbezüglich fest, dass die Gesundheitsgefährdung durch den verstärkten Verzehr von Fischen vom Lebensalter abhängt und hauptsächlich Kinder, Schwangere und Stillende betrifft, die ein niedriges kardiovaskuläres Risiko haben. Für Männer ab dem mittleren Lebensalter und Frauen nach der Menopause entstünde durch die Einhaltung der Leitlinien kein Nachteil, weil der Nutzen weit überwiege. Spezielle Ernährungsanweisungen unter Berücksichtigung der potentiellen Fischkontaminationen finden sich unter http://www.epa.gov/waterscience/fish sowie unter http://www.cfsan.fda.gov.
Die meisten klinischen Daten zu den Omega-3-Fettsäuren stammen aus Untersuchungen zum Fischöl, das entweder als Mahlzeit oder in Kapselform zugeführt wurde. Die kardioprotektive Wirkung der pflanzlichen a-Linolensäure ist studienmäßig vergleichsweise schlechter abgesichert.
Die Daten, auf welchen die Empfehlungen aufgebaut sind, waren zum größten Teil schon vor dem Jahr 2000 veröffentlicht. Eine systematische Übersicht von 11 prospektiven Kohortenstudien kam zum Schluss, dass erhöhter Fischkonsum tödliche koronare Ereignisse offensichtlich stärker reduzierte als nicht-tödliche Myokardinfarkte, und dass sich der Vorteil des Fischkonsums besonders bei koronaren Hochrisikopersonen zeigte (7). Vier weitere prospektive Kohortenstudien und eine Fallkontrollstudie seit dem Jahr 2000 bestätigten diese Beobachtungen an unterschiedlichen Populationen (8). Die Wirkung von Omega-3-Fettsäuren nach einem Myokardinfarkt war bereits zuvor auch das Ziel von mehreren Interventionsstudien mit insgesamt über 7000 Patienten/innen in den Behandlungsgruppen gewesen (9, 10; Metaanalyse in 11). In der größten der Studien, der GISSI-Prevenzione, waren 11.323 Patienten/innen frühestens 16 Tage bis maximal 3 Monate nach abgelaufenem Myokardinfarkt zusätzlich zur Standardtherapie täglich entweder mit 1,0 g Omega-3-Fettsäuren (n=2835), 300 mg Vitamin E (n=2830), beidem (n=2830) oder keiner Zusatzbehandlung (n=2828) therapiert worden. Nach 42 Monaten war mit den Omega-3-Fettsäuren, im Gegensatz zum Vitamin E, eine signifikante absolute Risikoreduktion für den primären Endpunkt (Tod, nicht-tödlicher Myokardinfarkt oder nicht-tödlicher Schlaganfall) von 14,1% auf 12,2% beobachtet worden; das entspricht einer relativen Risikoreduktion (RRR) von 15% und einer Number Needed to Treat (NNT) pro Jahr von 270 (10). Der Effekt war ohne Beeinflussung des Gesamtcholesterinspiegels erreicht worden und war besonders auf eine Reduktion tödlicher Ereignisse, hauptsächlich des plötzlichen Herztodes (RRR von ca. 45%), zurückzuführen, wie eine 2002 veröffentlichte Zusatzanalyse zeigte (12). Negativ ist zu bemerken, dass diese Studie nicht verblindet war.
Omega-3-Fettsäureethylester (Omacor) wurde schon 1996 in Österreich wegen des Triglycerid-senkenden Effekts zugelassen und ist heute in einer Reihe weiterer europäischer Länder zur Behandlung der endogenen Hypertriglyceridämie und zur Sekundärprophylaxe nach Myokardinfarkt zugelassen. In einer kleineren randomisierten kontrollierten Studie senkte aber auch eine Diät mit zwei Fischmahlzeiten pro Woche die Sterblichkeit von Herzinfarktpatienten/innen innerhalb von zwei Jahren ähnlich von 12,8% auf 9,3% (NNT pro Jahr von 58: 9). Eine effektive Verblindung war wegen des Fischölgeschmackes weder bei der Diät noch bei der Einnahme der Kapseln möglich. Eine Statintherapie war 1993 zu Beginn der großen GISSI-Prevenzione Studie noch nicht etabliert und sie blieb bis zu Schluß der Studie auf weniger als die Hälfte der Patienten/innen beschränkt. Wie wirksam Omega-3-Fettsäure Kapseln in der Sekundärprävention in Kombination mit den empfohlenen Statinen sind, bleibt offen.

Zusammenfassung:

Eine mit Omega-3-Fettsäuren angereicherte Ernährung reduziert das kardiovaskuläre Risiko bei gesunden Erwachsenen. Personen mit einem niedrigen kardiovaskulären Risiko sollten in der Auswahl der Fischspeisen mögliche toxische Kontaminationen, insbesondere mit Quecksilber, berücksichtigen. Kardiovaskuläre Hochrisikopatienten/innen profitieren von gehäuften Fischmahlzeiten und sollten diese mindestens zweimal wöchentlich zu sich nehmen. Die zusätzlicheEinnahme von Fischöl Kapseln kann dann sinnvoll sein, wenn nach einem Myokardinfarkt die mit der Ernährung zugeführte Menge an Omega-3-Fettsäuren unter 1 g pro Tag bleibt oder wenn wegen einer angestrebten Senkung von Triglyceridspiegeln noch höhere Mengen notwendig sind. Weitere Studien müssen zeigen, ob nach kardiovaskulären Ereignissen, einschließlich von Myokardinfarkt, Schlaganfall und symptomatischer arterieller Verschlusskrankheit, mit der verstärkten Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren ein ebensolcher Nutzen erreicht werden kann, wenn Statine in Kombination gegeben werden.

Literatur:
(1) Circulation 94,2337,1996 
(2) Circulation 106,2747,2002
(3) Circulation 102,2284,2000
(4) Atheroscler Thromb Vasc Biol 23,151,2003
(5) NEJM 347,1747,2002
(6) Nutr Rept Intl 36,413,1987
(7 )Eur J Clin Nutr 53,585,1999
(8) JAMA 288,2569,2002
(9) Lancet 2,757,1989
(10) Lancet 354,447,1999
(11) Am J Med 112,298,2002
(12) Circulation 105,1897,2002

 

Vitamin Update

Wir haben bereits mehrfach kritisch über Vitamine berichtet. Wir konnten allerdings auch Positives mitteilen, und zwar zur Prävention der Spina bifida-Missbildung durch Folsäure (Pharmainfo VIII/2/1993X/1/1995). Im folgenden seien einige neuere Daten (für Vitamine A, C und E) diskutiert, aber auch zu einer alten Frage (Vitamin B in Schmerztabletten) Stellung genommen.

Nutzen von antioxidativen Vitaminen:

Den Vitaminen A, C und E wurden antioxidative Eigenschaften zugeschrieben und als Folge wurden sie als "Radikalenfänger" popularisiert. 
Aufgrund dieser postulierten Eigenschaften wurden diesen Vitaminen zahlreiche positive Wirkungen, z. B. Vorbeugen von Arteriosklerose, Reduktion von Karzinomen und Linsenkatarakten und Prävention von neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Alzheimer, zugeschrieben. Epidemiologische Studien gaben tatsächlich gewisse Hinweise auf solche Wirkungen. Wir haben aber bereits mehrfach (Pharmainfo X/1/1995XII/4/1997 und XV/1/2000) darüber berichtet, dass prospektive Studien keine positiven Daten erzielt haben. Eine sehr große (20.000 Patienten/innen) und lange (5 Jahre) Studie dürfte nun wohl eine endgültige Antwort darstellen (1). In dieser Doppelblindstudie erhielten die Probanden/innen Vitamin E, C, und A (ß-Carotin). Es zeigte sich kein Unterschied zu Placebo für Gesamtmortalität, Herz/Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfälle, Karzinome, Frakturen, Linsenkatarakte, Lungenerkrankungen und Demenz. Eine weitere prospektive Studie (1193 Patienten/innen, 4 Jahre) mit Vitamin E fand keinen positiven Effekt bei Macula-Degeneration am Auge (2). Eine Metaanalyse von 15 Studien (>200.000 Personen) ergab für Vitamin E keine Änderung für totale und kardiovaskuläre Mortalität (2a), für ß-Carotin (Vitamin A-Vorstufe) sogar eine erhöhte Mortalität (siehe unten). Für nahezu alle der oben erfassten Erkrankungen gibt es wirksame Medikamente entweder zur Prävention und/oder Therapie. Es ist wichtig, dass Patienten/innen diese einnehmen und nicht wirkungslose Alibi-Medikamente, d.h. Vitamine. Die belegten positiven Wirkungen von Ernährungsgewohnheiten (z.B. mediterran) und Lebensstil (z.B. Bewegung) für die Gesundheit können ebenfalls nicht durch Vitamine ersetzt werden. "Radikale" zu beeinflussen ist politisch eine Notwendigkeit, medizinisch-therapeutisch ist der "Radikalenfang" bis jetzt zwar ein populäres Konzept, wird aber durch klinische Studien eher widerlegt als unterstützt.

Schäden durch Vitamin A

Wir haben bereits 1996 (Pharmainfo XI/3) berichtet, dass Vitamin A (ab 5000 IE pro Tag) teratogen wirken kann. In der Zwischenzeit sind die Vitamin A-Dosen in den Multivitaminpräparaten für Schwangere entsprechend gesenkt worden. Jetzt wird eine weitere Schädigung durch Vitamin A, und zwar eine erhöhte Rate an Knochenbrüchen, immer wahrscheinlicher (siehe Editorial: 3). In einer über 30 Jahre dauernden Studie (4) war ein erhöhter Serum-Retinol-Spiegel (oberste 20%) mit einem Anstieg an Gesamtfrakturen um 64% und an Oberschenkelhalsfrakturen um 147% verbunden. Diese Serumspiegel entsprechen einer Vitamin A-Aufnahme von mehr als 1,5 mg pro Tag, bei dieser Dosis war auch in 2 früheren Studien ein Anstieg der Oberschenkelhalsfrakturen gesehen worden (5,6). In Schweden und Norwegen sind Oberschenkelhalsfrakturen häufiger als z.B. in Südeuropa und dies korreliert mit einer 6mal höheren Vitamin A-Aufnahme (3,4). 
Besonders bedenklich wird es, wenn eine Metaanalyse (2a) von Studien an 138.113 Patienten/innen, die ß-Carotin (15-50 mg) erhielten, eine statistisch signifikant erhöhte Mortalität (insbesondere kardiovaskulär) fand (7,4 versus 7,0%; p=0,003). Darauf basierend fordern die Autoren: von einer zusätzlichen Einnahme von Vitamin A und ß-Carotin sollte aktiv abgeraten werden. Klinische Studien mit ß-Carotin sollten wegen des erhöhten Mortalitätsrisikos abgebrochen werden.

Folsäure, Homocystein und kardiovaskuläres Risiko

Seit längerer Zeit wird ein Zusammenhang zwischen hohen Homocystein-Spiegeln im Blut und kardiovaskulärem Risiko diskutiert. In zwei Metaanalysen von mehreren Studien konnte eine gute Korrelation (7) bzw. eine weniger starke ("modest association": 8) zwischen diesen beiden Phänomenen gefunden werden. Der Homocystein-Spiegel kann durch die Gabe von Folsäure (am besten zusammen mit Vitamin B12 und B6) gesenkt werden. Eine erste kleinere Studie (nur 105 Patienten/innen gesamt) fand nach Folsäuregabe verglichen mit Placebo eine Senkung der Restenosierungsrate und eine Verlangsamung der Progredienz der Erkrankung nach einer Ballondilatation von Koronararterien (9). Erst mehrere jetzt laufende prospektive große Studien werden zeigen, ob zum ersten Male die Gabe eines Vitamins bei kardiovaskulärem Risiko den Patienten/innen etwas bringt. Zwei Resultate sind nach wie vor möglich: Eine Enttäuschung wie bei den hohen Erwartungen für positive Effekte von antioxidativen Vitaminen oder eine weitere positive Therapiemöglichkeit (zusätzlich zu Cholesterinsenkern etc.) für kardiovaskuläre Risikopatienten/innen (zumindest diejenigen mit einem hohen Homocystein-Spiegel). Wenn ein/e Patient/in mit hohem Homocystein-Spiegel schon jetzt Folsäure nehmen will, kann man zwar derzeit keinen Nutzen garantieren, ein Schaden (außer einem finanziellen) erscheint (im Gegensatz z.B. zu Vitamin A) aber unwahrscheinlich.

Vitamin B-Zusatz zu Analgetika

Seit vielen Jahren gibt es Kombinationspräparate von Analgetika mit Vitamin B, insbesondere mit der Indikation neuropathische Schmerzen. Im Jahre 1994 hat eine Monographie des Deutschen Bundesgesundheitsamtes festgestellt, dass kein ausreichendes wissenschaftliches Erkenntnismaterial für den positiven Beitrag von Vitamin B1, B6 und B12 in der Kombination mit Diclofenac vorliegt (10). Erfreulicherweise sind parenterale Kombinationspräparate von Diclofenac und Vitamin B bereits vom Markt verschwunden, die bei offensichtlich fehlendem Nutzen der Vitamin B-Zugabe mit dem Risiko des anaphylaktischen Schocks durch parenterale Gabe von Vitamin B1 belastet waren. Es verbleiben unzweckmäßige orale Kombinationspräparate (Ambene, Diclovit, Dolonerv, Doloneurobion, Neurofenac, Rheumesser, Sigmalin B6), für die eine bessere Wirkung gegenüber dem Schmerzmittel als Monopräparat nicht belegt erscheint.

Zusammenfassend können wir feststellen: Eine zusätzliche Gabe von Vitaminen ist heute nur bei belegtem Nutzen zu vertreten. Andernfalls ist nicht nur kein Nutzen, sondern in einigen Fällen sogar ein Schaden zu erwarten.

Literatur:
(1) Lancet 360,23,2002
(2 )BMJ 325,11,2002
(2a) Lancet 361,2017,2003
(3) NEJM 348,347,2003
(4) NEJM 348,287,2003
(5) Ann Int Med 129,770,1998
(6) JAMA 287,47,2002
(7) BMJ 325,1202,2002
(8) JAMA 288,2015,2002
(9) JAMA 288,973,2002
(10) DAZ 134,77,1994

 

Analgetika-Kombinationen

Für Kopfschmerz und ähnliche Beschwerden gibt es eine relativ geringe Zahl von empfehlenswerten Analgetika (eigentlich nur Acetylsalicylsäure und Paracetamol). Um trotzdem Marktanteile erobern zu können, werden diese Präparate durch Zusatzmedikation "verbessert". Wir diskutieren hier eine solche "Verbesserung" und eine weitere Kombination wurde oben unter Vitamin Update besprochen.

Kombination mit Chinin

Andererseits verursacht Chinin nicht nur Tinnitus und anaphylaktische und teratogene Reaktionen, sondern kann, wie kürzlich neuerlich belegt wurde, zu Todesfällen aufgrund einer thrombotisch thrombocytopenischen Purpura führen (Ann Int Med 135,10471,2001). Ein Zusatz zu Analgetika ist bei diesem Risiko und fehlendem Wirkungsnachweis nicht vertretbar. 
Togal, das früher Chinin enthielt, ist jetzt erfreulicherweise chininfrei als Togal Mono (Acetylsalicylsäure) und wird offensichtlich von einer Firma produziert, die lebensgefährliche Risiken ernst nimmt. Zwei Präparate enthalten noch immer Chinin: und zwar Iromin Chinin C-Kapseln (mit Carbasalat und Acetylsalicylsäure) undSeltoc (mit Ethenzamid und Diphenhydramin). Zum Chininrisiko kommt noch die Tatsache, dass das Deutsche Bundesgesundheitsamt diese beiden Wirkstoffe (Ethenzamid und Carbasalat) aufgrund mangelnder Daten über die Wirksamkeit als "nicht empfehlbar" betrachtet (Pharmainfo VI/4/1991). Wäre es nicht höchste Zeit, dass die bewährten Monosubstanzen Paracetamol (Ben-u-ron, Mexalen, Momentum Analgetikum, Paracetamol Präparate, Parakapton, Perfalgan) und Acetylsalicylsäure (Acekapton, Alka-Seltzer Brausetabletten, Aspirin Akut Brausetabletten, Aspirin Kautabletten, Aspirin, Aspro "Roche" Classic, ASS Präparate, Togal Mono) nicht mehr von Präparaten mit fraglicher Wirkung und lebensgefährlichem Risiko konkurrenziert werden?

 

Medikamentöse Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK): Update

Wir haben dieses Thema in der Pharmainfo XII/2/1997 behandelt. Wir wollen nun analysieren, was sich in der Zwischenzeit geändert hat. Dabei beziehen wir uns auf eine fundierte und kritische Analyse der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (Arzneiverordnung in der Praxis 30, Sonderheft 3, 2003). 
Ein bis 3% aller Frauen und Männer über 60 Jahren leiden an einer Claudicatio intermittens. Diese Patienten/innen haben eine höhere Letalitätsrate durch koronare Herzerkrankung (55%) an der Spitze gefolgt von bis zu 17% cerebrovaskulären Todesfällen. Offensichtlich stehen für die Lebenserwartung systemische vaskuläre Ereignisse im Vordergrund, dementsprechend ist die Prävention dieser von entscheidender Bedeutung. Eine wirksame medikamentöse Vorgangsweise ist daher die konsequente Behandlung eines erhöhten Blutdruckes, der Hyperlipämie und von Diabetes mellitus. Das Aufgeben des Rauchens ist eine der wichtigsten Maßnahmen, die bei der Sonderform der Thrombangiitis obliterans sogar die effizienteste Therapie darstellt (siehe Pharmainfo XVI/1/2001).
Jede/r Patient/in mit PAVK sollte einen Thrombozytenfunktionshemmer erhalten. Sowohl für Acetylsalicylsäure (ASS: zahlreiche Präparate), als auch Clopidogrel (Plavix) und Ticlopidin (Thrombodine, Tiklid) liegen für Patienten/innen mit PAVK positive Daten zur Reduktion von systemischen kardiovaskulären Ereignissen vor. Ticlopidin ist heute wegen seiner negativen Wirkung auf das Blutbild (in 2,4% Neutropenie: Pharmainfo XIII/3/1998) als Reservemittel zu betrachten. Im Vergleich zu ASS zeigte Clopidogrel in einer großen Studie geringfügige Vorteile, vor allem bei der Reduktion nicht-tödlicher Herzinfarkte. Die Arzneimittelkommission kommt zu folgendem Schluss:
"Bei praktisch gleicher Wirksamkeit von Acetylsalicylsäure und Clopidogrel ist die kostengünstigere Alternative zu bevorzugen. Bei Kontraindikation undUnverträglichkeit von ASS ist Clopidogrel indiziert. Auch Berichte von Auftreten einer thrombotisch-thrombozytopenischen Purpura (Moschkowitz Syndrom) im Zusammenhang mit Clopidogrel unterstreichen die Bevorzugung von ASS als Therapeutikum der ersten Wahl". Für ASS werden Dosen von 75 - 325 mg empfohlen. Wir haben in der Pharmainfo XVIII/2/2003 darüber berichtet, dass für niedrigere Dosen von ASS (in Ö: Herz ASS 30 mg und 50 mg, Thrombo ASS 30 mg und 50 mg) die Datenlage unzureichend ist. Diese Thrombozytenfunktionshemmer sind gut wirksam, um die Herz-Kreislaufkomplikationen bei PAVK-Patienten/innen zu senken, eine Wirkung auf die lokale Progression der Erkrankung ist für Clopidogrel nicht untersucht, für Acetylsalicylsäure sind die Daten uneinheitlich. 
Bei der medikamentösen Behandlung der lokalen Durchblutungsstörung ist die Einteilung nach Stadien zu beachten. Laut Fontaine werden Stadium I:Beschwerdefreiheit, II: Claudicatio intermittens, III: Ruheschmerz und IV: Trophische Störungen (Nekrosen, Ulzeration und Gangrän) unterschieden. Ein Medikament kann nur dann als wirksam betrachtet werden, wenn es in Doppelblindstudien die Symptomatik der Stadien II, III und IV in klinisch relevanter Weise verbessert. 
Wie bereits 1997 (Pharmainfo XII/2) festgestellt, gilt dies für die Stadien III und IV für Prostaglandinderivate, und zwar für Iloprost (Ilomedin: Prostacyclin Analogon) und für Alprostadil (Prostavasin: Prostaglandin E1). Für letzteres ist inzwischen auch eine Wirkung im Stadium II belegt. 
Für alle anderen Substanzen hat sich die eher negative Bewertung seit 1997 kaum geändert oder sogar verstärkt. Nur für Naftidrofuryl (Dusodril retard) wurden für das Stadium II neuere Studien durchgeführt, die nach 6 und 12 Monaten Behandlung eine Verlängerung der schmerzfreien Gehstrecke belegten. Wenn entsprechende Studien für Stadium III und IV mit besonders harten Eckpunkten (wie Ulkusheilung) diese Daten bestätigen, dann könnte diese Substanz als wirksam betrachtet werden.
Für Pentoxifyllin (Haemodyn, Pentohexal retard, Pentomer, Pentoxi "Genericon", PentoxiMed retard, Trental, Vasonit) und Buflomedil (Buflohexal, Buflomed "Genericon", Loftyl) gibt es keine neuen und überzeugenden Studien, die eine Wirkung belegen würden, für Ginkgo Präparate (Cerebokan, Ceremin, Gingol, Tebofortan, Tebonin retard) und Nikotinsäurederivate (ein Xanthinolnicotinat: Frigol) belegen solche Studien jetzt die mangelnde Wirkung. Auch für Vitamin E, Knoblauchpräparate, a-Rezeptorblocker, Kalziumkanalblocker und ACE-Hemmer konnten keine überzeugenden Daten erhalten werden. Auch für hyperbare Oxigenationstherapie, Ozontherapie, Sauerstoff Mehrschritt-Therapie, Chelattherapie und Akupunktur liegen keine guten prospektiven Studien vor.

Zusammenfassung: Seit 1997 hat sich in der medikamentösen Therapie der Symptome und Folgen der lokalen Durchblutungsstörungen wenig geändert. DieWirkung der Prostaglandinderivate (Ilomedin und Prostavasin) für Stadien III und IV (Prostavasin auch für Stadium II) wurde noch weiter belegt. Möglicherweise ist orales Naftidrofuryl (Dusodril retard) im Stadium II wirksam, es fehlen aber bestätigende Studien für Stadium III und IV. Weiterhin im Vordergrund stehen ergotrope Maßnahmen (Gehtraining) und invasive Verfahren (z.B. PTA). Entscheidend für die Lebenserwartung von Patienten/innen mit PAVK sind die Kontrolle des Blutdrucks, die Behandlung eines etwaigen Diabetes bzw. einer Hyperlipämie, das Aufgeben von Rauchen und die Gabe von Thrombozytenfunktionshemmern.

 

P.b.b. Erscheinungsort Verlagspostamt 1010 Wien

Montag, 14. Juni 2004

Pharmainformation

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em.Univ.Prof.Dr.
Hans Winkler 

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