Inhalt
- Medikamentöse Behandlung peripherer Durchblutungsstörungen
- Prämenstruelles Syndrom
- Die Botulinus Story
Medikamentöse Behandlung peripherer Durchblutungsstörungen
Die weitaus häufigste Ursache peripherer Durchblutungsstörungen bei Patienten über 40 Jahren ist die periphere arterielle Verschlußkrankeit (PAVK). Es handelt sich um arteriosklerotische Veränderungen (Arteriosclerosis obliterans) mit dem charakteristischen Bewegungsschmerz (Claudicatio intermittens) als vorherrschendes Symptom: Nach dem Gehen einer bestimmten Wegstrecke treten Ischämieschmerzen in den betroffenen Muskeln auf (z.B. in der Wade), die in Ruhe wieder verschwinden. Prädisponierende Faktoren sind Hypertonie, Hypercholesterinämie, Diabetes mellitus und vor allem Zigarettenrauchen.
Im Zentrum der Therapie der PAVK stehen Ergotherapie (Gehtraining) und Sekundärprävention (Beeinflussung von Risikofaktoren, Acetylsalicylsäure), bei schwerwiegenderen Stadien (vor allem III und IV nach Fontaine) lumenöffnende Maßnahmen. Zu letzteren zählen die Lysetherapie, die perkutane transluminale Angioplastie (PTA) und die Bypass-Chirurgie. Führt eine Revaskularisierung hingegen nicht zum gewünschten Erfolg bzw. ist diese gar nicht mehr möglich, ist eine mehrwöchige Infusionstherapie mit einem Prostanoid, nämlich Prostaglandin E1 (PGE1= Alprostadil) oder Prostacyclin (PGI2), indiziert. Bei Patienten mit PAVK finden sich nämlich Hinweise auf eine vermehrte Thrombozyten- und Leukozytenaktivierung und auf eine gestörte Endothelfunktion mit reduzierter Bildung und Freisetzung von NO, Prostacyclin und Plasminogenaktivatioren, mit der Konsequenz verminderter antithrombogener Schutzmechanismen. Freigesetzte Wachstumsfaktoren fördern auch die Proliferation glatter Muskelzellen und damit die Progression atheromathöser Plaques. Die vermehrte Leukozytenaktivierung führt auch zu einer verminderten Zellflexibilität mit der Konsequenz einer weiteren Verschlechterung des Kapillarflusses und zur Freisetzung zytotoxischer Sauerstoffradikale.
PGE1 (Prostavasin) hemmt die Thrombozytenfunktion (Adhäsion, Aggregation, Sekretion) und wirkt arteriolär vasodilatierend. Weitere für die PAVK relevante Wirkungen sind Steigerung der endogenen Fibrinolyse und der Cholesterinesterhydrolase-Aktivität in Monozyten sowie eine präsynaptische Hemmung der Noradrenalinfreisetzung. Da PGE1 einem raschen "first pass"-Metabolismus in der Lungenstrombahn unterliegt und therapeutisch nur sehr geringe Plasmakonzentrationen gemessen werden, wird der biologisch aktive Metabolit 13,14-Dihydro-PGE1 für die Langzeitwirkungen von PGE1 verantwortlich gemacht (1). Das zweite Prostanoid, Prostacyclin, wird selbst im Endothel gebildet. Es ist chemisch extrem instabil und war erst nach Entwicklung stabiler Analoga wie des Iloprosts (Ilomedin) klinisch anwendbar. Dementsprechend kann bei i.v. Infusion auch ein therapeutisch relevanter Plasmaspiegel (0.1 ng/ml) aufrechterhalten werden (2). Prostacyclin wirkt wesentlich stärker plättchenaggregationshemmend und vasodilatierend als PGE1. Schwächer ist die Wirkung auf Leukozyten und die präsynaptische Hemmung der Noradrenalinfreisetzung. Die folgenden Wirkungen sind für beide Prostanoide auch humanpharmakologisch verifiziert worden (3): Hemmung derex vivo-Thrombozytenaggregation und der Ablagerung von Thrombozyten an aktiven atherosklerotischen Plaques, gesteigerte Fibrinolyse, verbesserte arterielle Durchblutung.
Für beide Prostanoide liegen randomisierte und placebokontrollierte bzw. vergleichende Studien zu einer anderen vasoaktiven Substanz vor, wobei eine 14-28 Tage dauernde Infusion die besten Ergebnisse liefert. Zielparameter sind Schmerzreduktion, Analgetikaverbrauch, Stadienverbesserung, Abnahme der Größe ischämischer Ulcera und die Amputationsrate als härtester Endpunkt.
PGE1 wirkt im Gegensatz zu Iloprost wegen der eingangs geschilderten raschen Metabolisierung bei intravenöser Gabe schwächer als bei intraarterieller. In einer Studie an 65 Patienten heilten nach intraarterieller Verabreichung von (0.15 ng/kg/min) PGE1 die Ulcera deutlich besser ab als mit einer relativ niedrigen i.v. Dosierung (0.5 ng/kg/min) oder in der mit ATP behandelten Kontrollgruppe (4). Mit der intravenösen Gabe von PGE1 die zwar einfach durchzuführen ist, aber wegen der hohen Dosierung auch zu hohen Behandlungskosten führt, wurde in zahlreichen Studien eine im Vergleich zu Placebogruppen signifikante Schmerzreduktion, ein verminderter Analgetikaverbrauch und eine Stadienverbesserung erreicht (Übersicht in 5). In der Regel werden täglich 40 mg PGE1 über einen Zeitraum von zwei Stunden i.v. infundiert.
Waren die kontrollierten Studien zu PGE1 u.a. noch wegen der geringen Patientenzahl zu bemängeln, liegen zu Iloprost mehrere placebokontrollierte Studien vor, wobei in jeder über 100 Patienten inkludiert waren (6,7, und Übersicht in 8). Als stabile Substanz eignet sich Iloprost zur intravenösen Verabreichung, wobei - je nach individueller Verträglichkeit - 0.5-2.0 ng/kg über sechs Stunden täglich infundiert werden. Wurde nach 14-tägiger Behandlung zumindest der Analgetikaverbrauch gesenkt, war nach 3-4-wöchiger Behandlung auch eine partielle bis komplette Ulcusheilung festzustellen. Die Amputationsrate, sofern sie als Zielkriterium galt, wurde kumulativ von 61% auf 49% reduziert (8). Zur Wirksamkeit von Iloprost liegen auch kontrollierte Studien bei Thrombangitis obliterans (9), beim Raynaud-Phänomen im Rahmen von Kollagenosen (10) und bei PAVK infolge Diabetes mellitus vor (6,11). Während Iloprost bei Diabetikern und Nicht-Diabetikern als gleich wirksam angesehen werden kann, ist PGE1 bei Diabetikern deutlich schwächer wirksam (12). Derzeit nicht belegt ist allerdings, ob eine Kombinationsbehandlung von Gehtraining und Gabe eines Prostanoids auch zu einer signifikanten Verbesserung der Gehfähigkeit führt.
Die Nebenwirkungen von Prostanoiden sind dosisabhängig und in zwei Übersichtsartikeln zusammengefaßt (13,14): Sie liegen bei i.v. Gabe knapp über 10% (bei i.a. Gabe allerdings wesentlich höher) und äußern sich lokal (Wärmegefühl, streifenförmiges Erythem, Schmerzen), gastrointestinal (Übelkeit, Erbrechen, Diarrhöen), neurologisch (Kopfschmerzen, Parästhesien) und in einer Flush-Symptomatik. Sie sind im wesentlichen auf die Eigenwirkung der Prostaglandine zurückzuführen. Bei höherer Dosierung (>2ng/kg/min) können sie in bis zu 70% der Fälle auftreten und auch gefährlicher Natur sein (Hypotension, tachykarde Rhythmusstörungen).
Umstritten in der Behandlung peripherer arterieller Durchblutungstörungen sind "vasoaktive" Medikamente (15-17), denen neben einer Durchblutungssteigerung noch andere Effekte (Viskositätssenkung des Blutes, Hemmung der Thrombozytenaggregation, Verbesserung der Sauerstoffutilisation im Gewebe) zugeschrieben werden. Darunter finden sich Gingko-Extrakte (Tebonin, Tebofortan, Ceremin),Xanthinderivate (Pentoxifyllin: Trental, Haemodyn, Pentomer, Vasonit, Pentoxi-Genericon; Xanthinolnicotinat: Complamin, Frigol), Secale-Alkaoide (Dihydroergotoxine: Aramexel, Diertina, Hydergin, Ergomed, Ergoplex, Co-Dergocrin "Sanabo"; Nicergolin: Sermion, Ergotop, Nicergolin-Strallhofer), Buflomedil (Loftyl), Bencyclan (Ludilat), Buphenin (Dilatol, Dilydrin) und Naftidrofuryl (Dusodril, Naftodril). Auch wenn für einige dieser Substanzen gegenüber Placebo eine signifikante Verlängerung der Gehstrecke nachgewiesen werden konnte, ist daraus nicht unbedingt eine klinische Relevanz abzuleiten, wenn die Verlängerung der Gehstrecke nur wenige Meter beträgt. Zu berücksichtigen ist ferner, daß Studien mit negativem Ausgang für die Testsubstanz nur selten publiziert werden. Zudem sind die Mittel nicht ungefährlich: die parenteralen Verabreichungsformen von Gingko biloba wurden in Deutschland, allerdings nicht in Österreich, wegen unerwünschter Wirkungen, wie Schüttelfrost, Fieber, Erbrechen, Diarrhoen vom Markt genommen (18). Parenterales Naftidrofuryl wurde wegen Auftretens von Todesfällen bei fraglicher Wirkung (Pharmainfo X/3/1995), von den Europäischen Behörden in London verboten. Mit Pentoxifyllin wurden Netzhautblutungen in Zusammenhang gebracht (19). Prescrire International stellt zur Wirkung dieser Substanzen (Secale Alkaloide, Naftidrofuryl, Pentoxifyllin und Buflomedil) fest (übersetzt): "Es gibt keinen Beweis, daß diese Substanzen mehr als Placebos mit potentiell gefährlichen Nebenwirkungen darstellen" (ähnliche Bewertung für Gingko-Extrakt: siehe 21, für weitere Präparate: 22).
Zusammenfassung: Eine medikamentöse Behandlung der PAVK mit einem Prostanoid (Iloprost bzw. PGE1) ist im Stadium III und IV (nach Fontaine) indiziert, wenn revaskularisierende Maßnahmen (Lysetherapie, PTA, Bypass-Chirurgie) nicht möglich sind oder sich als nicht ausreichend erweisen. Notwendig zur Förderung der Heilungstendenz und zur Besserung des Ruheschmerzes ist allerdings eine mehrwöchige Behandlung, die als intravenöse Infusion durchgeführt werden muß; ob ähnlich wirksame orale Darreichungsformen von Prostanoiden in Zukunft zu erwarten sind, scheint fraglich (23). Entscheidende Basistherapie der Erkrankung bleibt das intensive Gehtraining. Die sogenannten "vasoaktiven" Substanzgruppen (Gingko, Xanthinderivate, Secale-Alkaloide, Naftidrofuryl u.a.), deren Wirkung umstritten beurteilt wird, kommen bestenfalls als eine zum Gehtraining adjuvante (orale!) Therapie in einem frühen Stadium (II) der Erkrankung in Frage, sie sind aber wegen fraglicher Wirkung bei vorhandenen Nebenwirkungen als problematisch anzusehen.
Literatur:
(1) Prostaglandins 41, 225, 1991
(2) Eicosanoids 3, 145, 1990
(3) Arzneimittelbrief 26, 73, 1992
(4 ) Vasa 20 (Suppl), 206, 1987
(5) Wiener Klin. Wschr. 104/5, 137, 1992
(6) Dtsch. Med. Wschr. 114, 783, 1989
(7) Int. Angiol. 13, 70, 1994
(8) Therapie 46, 319, 1991
(9) Cardiocasc Drug Rev. 9, 158, 1991
(10) Ann. Intern. Med. 120, 199, 1994
(11) Schweiz Med. Wschr. 120, 1477, 1990
(12) Prostaglandins, Leukotrienes and Essential Fatty Acids 49, 573, 93
(13) Med. Klinik 87, 123, 1992
(14) Drugs 43, 889, 1992
(15) Arzneimittelbrief 23, 81, 1989
(16) Lancet 340, 1136, 1992
(17) Arzneiverordnungsreport (Schwabe/Paffrath), Gustav-Fischer-Verlag 1995
(18) Dtsch. Ärzteblatt 91, A-1142, 1994
(19) Bundesgesundheitsblatt 2, S.93,1994
(20) Prescrire Int. 4,156,1995
(21) Prescrire Int. 1,1114,1992
(22) Arzneimittelkursbuch 96/97: AVI Arzneimittelverlag, Berlin.
(23) Ann. Rheumatic Diseases 54, 197,1995
Prämenstruelles Syndrom
Das prämenstruelle Syndrom (PMS) wird definiert als regelmäßig in der zweiten Zyklushälfte (Lutealphase) auftretende, ausgeprägte körperliche und psychische Beschwerden. Die vorangehende Follikelphase ist hierbei symptomfrei. Das PMS tritt in milder Form bei etwa jeder vierten Frau auf, eine behandlungsbedürftige Ausprägung wird bei etwa 5% aller Frauen angenommen. Die Erstmanifestation ist meist ab dem 3. Lebensjahrzehnt. Die Symptome sind außerordentlich vielfältig, wobei im Vordergrund Mastodynie, abdominale Beschwerden mit Völlegefühl, Übelkeit und Aufgetriebensein, Ödeme, Kopfschmerzen, Depressionen, Dysphorie, Angstzustände, Konzentrations-schwierigkeiten, Libidoveränderungen und abnormes Eßverhalten stehen. Diese kurze Auflistung ist aber nicht vollständig, da bei 350 Studien annähernd 200 (!) verschiedene Symptome genannt wurden (1). Dies stellt ein Problem in der Bewertung des Therapieerfolges beim PMS dar. Viele Autoren sind versucht, jene Symptome, die durch die Therapie beeinflußt wurden, in den Vordergrund zu stellen. Andererseits werden symptomatische Maßnahmen, die z.B. die Ödeme reduzieren, wenig Einfluß auf die Depression ausüben und umgekehrt. Um diesem Dilemma zu entkommen wurde versucht, Patientinnen mit vorwiegend körperlichen Symptomen und jene mit psychischen Beschwerden getrennt zu betrachten und zu behandeln. In der Psychiatrie wird daher auch der Ausdruck Lutealphasen-Dysphorie (late luteal phase dysphoric disorder) verwendet. Eine derartige Trennung von Körper und Geist scheint allerdings mehr den Bedürfnissen der behandelnden Fachärzte als jenen der betroffenen Frauen entgegenzukommen. Ein weiteres Problem in der Bewertung von publizierten Behandlungserfolgen liegt in der außerordentlich hohen Wirksamkeit von Placebos. Bei subkutanen Depotimplantaten wurde in der Placebogruppe ein Ansprechen in bis zu 90% beobachtet (2). Bei weniger intensiven und invasiven Maßnahmen liegt der Erfolg von Placebos immer noch häufig über 50%. Aus diesem Grund sind randomisierte placebokontrollierte Doppelblind-Studien beim PMS eine unabdingbare Voraussetzung, um die Wertigkeit der verschiedenen Therapiemaßnahmen beurteilen zu können.
Trotz der strengen Assoziation von Menstruationszyklus und Beschwerden steht bisher eine plausible Erklärung für die Genese aus. Die überwiegende Mehrzahl der betroffenen Frauen weisen ovulatorische Zyklen ohne nachweisbare pathologische Veränderungen im Hormonstoffwechsel auf. Die Menstruation selbst ist für die Ausprägung des PMS nicht notwendig, da nach Hysterektomie bei belassenen Ovarien die Symptome meist persistieren. Die Bedeutung der Ovulation scheint hingegen gesichert, obwohl meist mehr als 10 Jahre mit ovulatorischen Zyklen vergehen, bis das PMS auftritt. Die Analyse von Stammbäumen und die Zwillingsforschung lassen eine genetische Prädisposition vermuten und schließen einen Zusammenhang mit sozioökonomischen und kulturellen Faktoren aus.
Aufgrund der Vermutung, daß die Entstehung eines PMS mit der Corpus luteum-Insuffizienz zusammenhängt, wurden zahlreiche, auch Placebo-kontrollierte Studien durchgeführt, um die Wertigkeit einer Progesteron- bzw. Gestagentherapie zu prüfen (3-6). Keine dieser Untersuchungen konnte einen Vorteil der Gestagenbehandlung gegenüber dem Placebo nachweisen. Die Steigerung der Progesterondosis durch Verdoppelung der Anzahl der Vaginalsuppositorien führte zu einer Verbesserung der Ergebnisse, allerdings auch in der Placebogruppe, in der die Applikation ebenfalls doppelt so häufig durchgeführt wurde (3). Die Verwendung des Progesteron-Antagonisten RU-486 während der Lutealphase war ebenfalls nicht imstande, das PMS besser zu beeinflussen als das Placebo (7). Für die Entstehung des PMS dürfte die Rolle der Gestagene zu vernachlässigen sein, da weder deren Zufuhr noch deren Antagonisierung das Krankheitsbild wesentlich beeinflussen konnte.
Auch Östrogene wurden zur Behandlung des PMS eingesetzt. Magos u. Mitarb. konnten mittels Östradiolimplantate eine signifikante Besserung der Langzeiterfolge gegenüber der Plazebogruppe erzielen (2). Auch bei gleichzeitiger sequentieller peroraler Gabe des synthetischen Gestagens Norethisteron zur Auslösung von Abbruchblutungen war dieser Unterschied gegeben. Depotimplantate weisen allerdings eine Vielzahl an Nachteilen auf: 1. Die Applikation ist aufwendig und an ärztliche Hilfe gebunden; 2. Einmal eingesetzt ist die Wirkung nur bedingt z.B. im Falle von Nebenwirkungen wieder aufzuheben; 3. die Freisetzung des Hormons weist beträchtliche Schwankungen auf, die durch verschiedene Faktoren, wie z.B. Fieber, noch gesteigert werden können. Aus diesen Gründen konnte sich diese Applikationsform letztlich nicht durchsetzen. Als interessante Alternative wurde in einer relativ kleinen Untersuchung an 40 Patientinnen die Wirksamkeit einer transdermalen Östradioltherapie (Estraderm, Systen, Climara) untersucht (8). Während in der Einstellungsphase (3 Monate) der Unterschied zum Placebo nicht signifikant war, kam es nach einem cross-over in der Gruppe mit Wechsel auf Placebo zu einer signifikanten Zunahme der Symptomatik, während die Gruppe mit Wechsel auf Östradiol transdermal eine Verbesserung der Symptomatik aufwies. In beiden erwähnten Studien waren die verabreichten Östrogendosen relativ hoch und führten zu einer Unterdrückung der Ovulation. Es bleibt daher unklar, ob Östrogene per se einen günstigen Einfluß auf das PMS ausübten oder ob der beobachtete Effekt sekundär, als Folge der ausgebliebenen Ovulation, aufgetreten war. Langzeitfolgen mit den in diesen Studien verabreichten hohen Dosen an Östrogenen sind bisher zuwenig bekannt. Aufgrund der langen Therapiedauer und dem nur geringen Vorteil gegenüber Placebo kann diese Behandlungsform für das PMS nicht empfohlen werden.
Da möglicherweise ein Zusammenhang zwischen Ovulation und PMS besteht, sollten orale Kontrazeptiva eine kausale Therapie erlauben. Leider wurden bisher keine adäquaten randomisierten und Placebo-kontrollierten Studien publiziert. Neben retrospektiven Untersuchungen, bei denen eine Reduktion des PMS durch orale Kontrazeptiva vermutet wurde (9,10), existieren auch solche, bei denen kein Unterschied gegenüber einer Placebogruppe nachgewiesen werden konnte (11). Da die Wirksamkeit der oralen Kontrazeption bisher insuffizient bearbeitet wurde, läßt sich ein endgültiges Urteil nicht fällen, allerdings ermuntern die bisher veröffentlichten Ergebnisse keinesfalls zum Einsatz dieser Medikamente zur Behandlung des PMS bei Frauen ohne gleichzeitigen Kontrazeptionswunsch.
Auf endokrinologisch elegantere Weise als mittels oraler Kontrazeptiva lassen sich Ovulationen durch die kontinuierliche systemische Applikation von Gonadotropin-Releasinghormon(LH-RH)-Agonisten (Buserelin: Suprecur, Suprefact, Triptorelin: Decapeptyl, Leuprorelin: Enantone, Goserelin: Zoladex) verhindern. Durch die Blockade der FSH/LH Ausschüttung bleiben Follikelreifung und Ovulation aus. Die peripheren Östrogen- und Progesteronkonzentrationen sinken auf postmenopausale Werte ab. Diese Maßnahme kann in nahezu 100% der Patientinnen die PMS-Symptomatik verhindern (12-14). Durch die Therapie wird allerdings iatrogen ein Zustand herbeigeführt, welcher der Postmenopause entspricht. Die Patientinnen entwickeln häufig ein klimakterisches Syndrom und sind bei prolongierter Applikation dem Risiko für die Entstehung von Osteoporose oder kardiovaskulärer Erkrankungen ausgesetzt. Aus diesem Grund kann diese Therapie des PMS nur zur kurzfristigen Anwendung (unter 6 Monate) erwogen werden. Da die Symptomatik aber meist über mehrere Jahre besteht, stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer derartigen Intervention, die kurzfristig eine Linderung zum Preis von Wechselbeschwerden ermöglicht und langfristig das Risiko schwerwiegender unerwünschter Wirkungen birgt. Ob die gleichzeitige Hormonssubstitution ("add back") und LH-RH Gabe diese Nachteile aufwiegen kann, ohne erneut ein PMS auszulösen, ist derzeit noch unzureichend untersucht (13).
Danazol (Danokrin) ist eine weitere Substanz, die Eingang in die Behandlung des PMS gefunden hat und einem Placebo signifikant überlegen ist (15). Dabei handelt es sich um ein synthetisches Androgen, das in relativ hoher Dosierung eingesetzt wird. Danazol führt zu einer Unterdrückung von FSH/LH und in der Folge zur Amenorrhoe. Trotz der guten Wirksamkeit ist die Compliance schlecht, was aufgrund der beträchtlichen Nebenwirkungen verständlich erscheint. Akne, Gewichtszunahme, Flüssigkeitseinlagerung und in seltenen Fällen Androgenisierungserscheinungen stehen für die Patientin im Vordergrund. Auffallend ist, daß einige unerwünschte Wirkungen den Symptomen des PMS entsprechen. Weiters wurde neben der Hepatotoxizität auch berichtet, daß Danazol den Lipidstoffwechsel ungünstig beeinflussen kann. Damit scheidet diese Substanz aufgrund des ungünstigen Nebenwirkungsprofils für eine Therapie des PMS trotz nachgewiesener Wirkung aus.
Da eines der Leitsymptome des PMS die Flüssigkeitseinlagerung darstellt, wurden zur Behandlung auch Diuretika eingesetzt. In randomisierten Untersuchungen konnte lediglich für das Spironolacton (Aldactone, Aldopur, Deverol, Osiren, Spirobene, Spirohexal, Spironolacton "Mag. Wenig") eine höhere Effektivität als für Placebo beobachtet werden (16,17). Obwohl zusätzlich eine günstige Beeinflussung psychischer Symptome beschrieben wurde, liegt das Hauptgewicht des Spironolactons auf der Linderung der Wassereinlagerung. Damit dürfte nur eine kleine Gruppe von Patientinnen mit PMS überhaupt von einer Therapie profitieren - die unerwünschten Wirkungen hingegen können bei allen eintreten. Zudem kann bei sogenannten "Wassertabletten" nicht selten, ähnlich wie bei Abführmitteln, ein Abusus (z. B. zur Gewichtsreduktion) beobachtet werden. Der geringe Vorteil, den eine Spironolactonbehandlung gegenüber Placebo bietet, dürfte somit den lang andauernden Einsatz nicht rechtfertigen.
Ein weiteres, außerordentlich populäres Medikament zur Behandlung des PMS, das vor allem durch die Laienpresse gefördert wurde, ist das Vitamin-B6 (Vit. B6 "Agepha", Benadon "Roche"). Placebo-kontrollierte Untersuchungen konnten allerdings keinen signifikanten Vorteil der Vitaminmedikation nachweisen (18). Zudem traten bei hohen Dosen von Vitamin-B6 periphere Neuropathien auf (19). Damit muß auch hier wie bereits bei anderer Gelegenheit (Pharmainfo XI/3/1996, VIII/4/1993, V/4/1990) vor der unkritischen Verordnung von Vitaminpräparaten gewarnt werden, da diese, nicht selten aus einem falschen Gesundheitsverständnis heraus, in hohen Dosen konsumiert werden und dadurch mit unerwünschten Wirkungen behaftet sein können.
Aufgrund der häufigen Dominanz von psychischen Symptomen wurden auch eine Reihe von Psychopharmaka zur Behandlung des PMS versucht. Der Einsatz von Antidepressiva wurde vor allem aufgrund der Ähnlichkeit des PMS mit dysphorischen und depressiven Verstimmungen gerechtfertigt. Für das Benzodiazepinderivat Alprazolam (Xanor) wurde in randomisierten Studien die Überlegenheit gegenüber Placebo bzw. Progesteron nachgewiesen (3,20). Der Unterschied zwischen Progesteron und Alprazolam betrug unter Einbeziehung aller Symptome allerdings lediglich 7%. Aus diesem Grund wurde sogar von den Autoren der Studie unter Berücksichtigung des beträchtlichen Suchtpotentials von Alprazolam die chronische Einnahme beim PMS kritisch gesehen. Auch der Hemmer der Serotoninaufnahme Fluoxetin (Fluctine) erwies sich in zwei relativ umfassenden und auch gut geplanten klinischen Prüfungen einem Placebo signifikant überlegen (21,22). Während in der Plazebogruppe lediglich 10% der Patientinnen ansprachen, konnte in der Fluoxetin-Gruppe in etwa 50% eine Besserung der Symptomatik erreicht werden. Auffallend ist die relativ geringe Wirksamkeit von Placebo, die bei den meisten Untersuchungen im Gegensatz zu der vorliegenden Studie bei etwa 50% lag. Bemerkenswert war weiters, daß ungefähr 40% (!) der Patientinnen die Medikation vor Abschluß der Studie abbrachen. Die kontinuierliche Verabreichung eines zentralwirksamen Hemmers der Serotoninaufnahme, dessen vielfältige Wirkungen noch gar nicht bekannt sind, für ein chronisch-zyklisches Leiden wie das PMS kann nicht die Lösung des Problems bedeuten, zumal durch relativ einfache Maßnahmen häufig Linderung erzielt werden kann. Da das PMS ausschließlich während der fruchtbaren Lebensperiode auftritt, ist die irrtümliche Einnahme von Fluoxetin während einer Schwangerschaft möglich. In einer rezenten Veröffentlichung konnte für Frauen, die mit Fluoxetin während des ersten Trimenons behandelt wurden, eine Zunahme sogenannter minimaler Fehlbildungen und im dritten Trimenon eine Zunahme geburtshilflicher Komplikationen beobachtet werden (23). Langzeitfolgen des Einsatzes von Fluoxetin liegen bisher ebenfalls nur unzureichend vor. Deshalb muß für diese Substanz, trotz signifikant positiver Effekte, aufgrund der beträchtlichen Risiken der Einsatz beim PMS vorerst kritisch gesehen werden.
Zusammenfassend kann beim PMS aufgrund der vorliegenden Untersuchungen vor allem eine Substanz aufgrund ihrer exzellenten Wirksamkeit (durchschnittlich 50%) und nur geringen Nebenwirkungsrate empfohlen werden: ein Placebo. Bei allen anderen bisher in randomisierten und Placebo-kontrollierten Studien als wirksam erwiesenen Substanzen erscheint die Nutzen/Risiko-Abwägung ungünstig und ein chronischer Einsatz nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt. Daneben gibt es noch unzählige Veröffentlichungen mit Erfolgsberichten über diverse Substanzen, die jedoch nicht mit einer Kontrollgruppe überprüft wurden. Aufgrund der guten Wirksamkeit von Placebos kann der Nutzen dieser Medikamente derzeit nicht beurteilt werden.
Literatur:
(1) Br J Obstet Gynecol 101, 689, 1994
(2) Br Med J 292, 1629, 1986
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(12) NEJM, 311, 1345, 1984
(13) J Clin Endocrinol Metab 72, 252, 1991
(14) Acta Obstet Gynecol Scand 67, 159, 1988
(15) Br J Obstet Gynaecol 94, 30, 1987
(16) Acta Obstet Gynecol Scand 74, 803, 1995
(17) J Reprod Med 32, 429, 1987
(18) Br J Obstet Gynaecol, 97, 847, 1990
(19) NEJM, 309, 445, 1984
(20) Obstet Gynecol 84(3), 379, 1994
(21) Obstet Gynecol 80(3), 339, 1992
22) NEJM 332, 1629, 1995
(23) NEJM 335, 1010, 1996
Die "Botulinusstory"
Botulinustoxin, ursprünglich nur toxikologisch interessant, ist in den letzten Jahren sowohl für die Grundlagenforschung als auch für die Klinik relevant geworden. Botulinustoxin, aus dem anaeroben Bazillus Clostridium botulinum war für Nahrungsmittelvergiftungen verantwortlich, die durch Lähmung verschiedenster Muskeln häufig zum Tode führten. Langsam begann man den Wirkungsmechanismus dieses Toxins zu verstehen, als man feststellte, daß es die Freisetzung von Acetylcholin aus den Nervenendigungen blockiert. Dies führt zu einem Ausfall der cholinergen Nerven im autonomen System des Parasympathicus und im Bereich der quergestreiften Muskulatur. Dann begann man sich diesen Effekt klinisch nutzbar zu machen. Man injizierte das Toxin in kleinen Mengen lokal in die Muskulatur, um bei gewissen Formen von Spasmen diese zu durchbrechen. Dadurch konnten z.B. bei Blepharospasmen Erfolge erzielt werden. Erst nach ca. 4 Monaten ist eine neuerliche Injektion notwendig. Wie Daten aus kontrollierten Studien und großen Patientenzahlen ergaben, ist diese Therapie bei ca. 90% erfolgreich (1). Auch bei spastischer Dysphonie (Spasmus der Larynxmuskulatur), bei hemifazialen Spasmen und bei Torticollis spasmodicus (1,2) war diese Therapie erfolgreich. So wurde aus einem der potentesten Gifte ein nützliches Medikament (2a). Wie immer muß aber ein Medikament vorsichtig und dieses hochwirksame Toxin ganz besonders vorsichtig eingesetzt werden. Bei Injektion in die Nackenmuskulatur bei Torticollispatienten ist es z.B. zu schweren Schluckstörungen bis hin zu einem tödlichen Ausgang gekommen (2b).
Aber dieses Toxin trug auch zu einem Durchbruch in der Grundlagenforschung bei. Es besteht aus 2 Proteinketten, eine bindet sich an den Nerv und ermöglicht dadurch den Eintritt der anderen Kette in das Zytoplasma des Nervenendes. Vor kurzem hat man erkannt (3), daß diese letztere Kette eine Zinkprotease-Aktivität mit großer Spezifität hat. Innerhalb des Nervenendes spaltet dieses Enzym je nach Botulinustoxinart (A-F) gewisse Eiweiße, die sich in der Nervenmembran (SNAP-25, Syntaxin) oder in der Membran der Acetylcholinspeichervesikel (VAMP oder Synaptobrevin) finden. Das Tetanustoxin spielt eine sehr ähnliche Rolle, es spaltet auch ein Eiweiß in den Neurotransmitter-speichernden Vesikeln, das gerade genannte VAMP/Synaptobrevin (4). Wenn diese Eiweiße gespalten sind, dann funktioniert der Vorgang der Exocytose nicht mehr, d.h. die Calcium-abhängige Fusion der transmitterspeichernden Vesikel mit der Nervenmembran kann nicht mehr erfolgen und der Transmitter (Acetylcholin) nicht mehr in den synaptischen Spalt abgegeben werden. Daraus resultiert eine Blockade der neuromuskulären Übertragung und damit eine Lähmung.
So wurde aus einem tödlichen Gift der Natur eine sowohl wissenschaftlich als auch klinisch relevante Substanz. Die Medizin hat wieder einmal, wie schon so oft zuvor, sich auch als wissenschaftlich fundierte Naturheilkunde bestätigt.
Literatur:
(1) NEJM 324,1186,1991
(2) Eur Neurol 33,316,1993
(2a) Pharmacol. Ther. 72,13,1996
(2b) DAZ 134,52,1994
(3) Cell 75,1,1993
(4) Nature 359,832,1992
P.b.b. Erscheinungsort Verlagspostamt 1010 Wien
Montag, 7. Juli 1997
Pharmainformation
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