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Inhalt

 

Editorial

Wir freuen uns besonders, mitteilen zu können, daß Frau Prof. Irene Virgolini (Universitätsklinik für Nuklearmedizin, Medizinische Fakultät der Universität Wien) als neues Mitglied in das Herausgeberteam aufgenommen werden konnte. Sie bereichert die fachliche, geographische und die maskulin/feminine Vielfalt des Herausgeberteams.

Seit 1995 gibt es in der EU eine zentrale europäische Zulassung für Arzneimittel. Diese ist verpflichtend für alle biotechnologisch hergestellten Präparate, für andere Präparate steht es den Firmen frei, um eine zentrale Zulassung anzusuchen. Das wissenschaftliche Entscheidungsgremium für diese Zulassung sitzt in London (CPMP: Committee for Proprietary Medicinal Products) und wird von allen EU-Ländern mit jeweils 2 Personen beschickt. Bringt dieses Verfahren Vorteile für den österreichischen Arzneimittelmarkt? Aus der persönlichen Erfahrung eines Pharmainformation-Herausgebers kann dies bejaht werden. Das CPMP vereint Experten aus ganz Europa, die einen hohen internationalen Standard garantieren, wie ihn ein kleines Land, wie z.B. Österreich, im nationalen Bereich einfach aufgrund mangelnder Kapazität nicht garantieren kann. Dieses internationale Gremium ist bemüht, Zulassungen nur nach strengen Risiko/Nutzenkriterien durchzuführen. Beeindruckend ist auch das Bestreben die Fachinformation, und dies ist für die praktische ärztliche Tätigkeit von größter Bedeutung, völlig firmenunabhängig und als nützliche und kritische Information für den/die Arzt/Ärztin zu gestalten. Hier wird im CPMP um jede einzelne Phrase in wahrsten Sinne des Wortes gerungen, um z.B. die vertretbare Indikation genau zu definieren. Dafür werden dann die wichtigsten Resultate von Studien als Begründung auch in der Fachinformation angeführt. Diese liest sich daher fast wie ein Pharmakologielehrbuch, firmenunabhängig und kritisch. Manchmal könnte man Texte auch direkt für die Pharmainformation verwenden. Die Fachinformation ist damit eine wertvolle Unterlage, an die man sich halten kann und halten sollte. Unsere Leser können sich aber selbst davon überzeugen, indem sie im Austria Codex diese neuen "europäischen Fachinformationen" nachlesen.

Sie betreffen die folgenden in den letzten 3 Jahren zugelassenen Substanzen (viele wurden auch abgelehnt):
Aprovel, Avonex, BeneFix-Nonacog, Betaferon-Interferon, Bondronat, Bonviva, Caelyx, Cea-Scan, Cellcept, Cerezyme, Combivir, Comtess, Crixivan, Cystagon-Mercaptamine, Daquiran, Dicural, Echogen, Ecokinase, Epivir, Evista, Evotopin, Exelon, Fareston, Fevaxyn, Gonal F-Folitropin, Fortovase, Heliobacter Test Infai, Humalog, Hycamtin, Indimacis, Infanrix HepB, Insuman, Invirase, Iscover, Karvea, LeukoScan, Liprolog, Metacam, NeoRocormon, Nobi-vac, Norvir, Novonorm, Novo Seven, Olansek, Optison, Orlaam, Plavix, Primavax, Puregon, Pylobactell, Pylori-Chek, Quadramet, Quadrisol, Rapilysin, Rebif, Refludan, Revasc, Rilutek, Sifrol, Tasmar, Taxotere, Tecnemab, Teslascan, Tritanrix, Turvel, Twinrix, Viagra, Viracept, Viramune, Vistide, Vitrasert, Xenical, Zerit, Zyprexa.

Pro Jahr kommen derzeit ca. 40 bis 50 neue Substanzen dazu. Wenn wir in Zukunft zentral zugelassene Substanzen besprechen, werden wir uns, da die Basisinformation in den neuen Fachinformationen steht, auf kritische Punkte beschränken.

 

Transdermales Fentanyl (Durogesic-Depot-Pflaster)

E. Ladner (Universitätsklinik für Anästhesiologie, Innsbruck) und B. Leitner (Institut für Pharmakologie, Universität Innsbruck)

Opioide sind unverzichtbare Analgetika in der modernen Schmerztherapie (1, siehe auch Pharmainfo VIII/1/1993, X/1/1995, X/4/1995). Die Applikationsarten sind vielfältig, Fentanyl ist seit März 1996 nun zusätzlich auch in Form eines Transdermalen Therapeutischen Systems (TTS) erhältlich (Durogesic-Depot-Pflaster) und für die Indikation "Tumorschmerz" zugelassen.
Fentanyl wird transdermal resorbiert und wirkt als potenter m-Agonist (2). Eine analgetische Wirkung setzt dabei nach etwa 12 Stunden ein, die Wirkdauer beträgt 48 - 72 Stunden. Beides unterliegt allerdings erheblichen individuellen Schwankungen (3, 4, 5).
Zusätzlich zu den opiattypischen Nebenwirkungen können durch das transdermale System reversible Hautreizungen verursacht werden (6, 7, 8).

 

Verwendung bei malignen Erkrankungen

Von den Opiaten gilt oral verabreichtes Morphin als Substanz der ersten Wahl (1). Die Wirkdauer retardierter Präparate gewährt aber maximal eine 12-stündige Schmerzreduktion.

Welche Gründe gibt es nun für den Einsatz von transdermalem Fentanyl ?
Die Applikation von TTS-Fentanyl ist einfach, bewirkt einen konstanten Plasmaspiegel und eine 48 bis 72 Stunden anhaltende Wirkung. Transdermales Fentanyl erweist sich als effektiv bei stabilen, "schwachen" bis "mittelstarken" Schmerzzuständen (1, 7). Es ist keine angemessene Therapie, wenn besonders hohe Opiatdosen erforderlich sind.

Vorteile einer Therapie mit transdermalem Fentanyl: Ist eine orale Therapie nicht möglich (z.B.: häufiges Erbrechen, Schluckstörungen), hat TTS-Fentanyl einen offensichtlichen Vorteil. Aufgrund der wenig belastenden Applikation bewährt sich TTS-Fentanyl bei Patienten im terminalen Stadium (6, 8). Eine ausreichende Hautdurchblutung ist allerdings Voraussetzung für eine entsprechende Resorption. Ein Vorteil gegenüber Morphin bezüglich Nebenwirkungen wie Obstipation, Erbrechen und Übelkeit ist in der Literatur derzeit noch umstritten (5, 6, 7, 9).

Nachteile von transdermalem Fentanyl: Die langsame Pharmakokinetik von transdermalem Fentanyl läßt eine exakte Titrierung der Schmerzen kaum zu. Daher ist dieses System für die Therapie von Schmerzspitzen, von rasch progredienten Schmerzen sowie für Schmerzen mit wechselnder Intensität nicht oder nur eingeschränkt geeignet. Erweist sich eine Dosis von etwa 300 mg/h transdermalem Fentanyl als unzureichend, sollte auf eine parenterale Applikation gewechselt werden (10).

Praktische Vorgangsweise: Umrechnungstabellen ermöglichen die Umstellung von oralem Morphin auf transdermales Fentanyl (6, 11). Dabei ist allerdings die verzögerte Kinetik des transdermalen Systems zu berücksichtigen und vorerst mit einer überlappenden Behandlung (oral und transdermal) zu beginnen. Dennoch sind Fälle mit Entzugssymptomatik beschrieben worden (12, 13). Eine Einschulung der Patienten erscheint daher sinnvoll. Das Pflaster sollte auf die intakte Haut geklebt werden, wobei man bezüglich der Klebefläche mit 3 bis 4 Pflaster (120 - 160 cm2) die Grenze der Praktikabilität zu erreichen scheint. Die Durchblutung darf nicht durch starke Wärmeeinwirkung übermäßig gesteigert werden, da sonst die Gefahr einer Überdosierung bestehen würde. Die Suchtproblematik spielt bei Tumorpatienten keine Rolle (14, 15).

 

Verwendung bei nicht malignen Erkrankungen

Es gibt derzeit kaum gesicherte Daten über den Einsatz von transdermalem Fentanyl bei chronisch nicht-malignen Schmerzen (Übersicht in 5). Daher muß die Risiko-Nutzen-Abwägung von transdermalem Fentanyl für diese Indikation besonders kritisch sein (Übersicht in 19) - derzeit kann es für Schmerzen nicht-maligner Genese nicht empfohlen werden.

 

Verwendung bei postoperativem Schmerz

Trotz gut belegter analgetischer Wirkung sprechen wichtige Gründe gegen den Einsatz von TTS-Fentanyl bei dieser Indikation: 1) durch das verzögerte Anfluten kommt es erst nach mehreren Stunden zur analgetischen Wirkung. 2) für opiat-naive Patienten besteht die Gefahr der Atemdepression und 3) die individuelle Schmerzempfindung erfordert eine individuell angepaßte Schmerztitrierung. Daher stellen kurzwirksame Opiate die Therapie der Wahl für postoperative Schmerzen dar (16,17,18).

 

Zusammenfassung:

Transdermales Fentanyl (Durogesic-Depot-Pflaster) stellt eine gute, zusätzliche Therapiemöglichkeit dar. Es ist indiziert bei Tumorschmerzen konstanter Intensität. Opiat-typische Nebenwirkungen sowie Hautreizungen sind möglich. Ein Vorteil bezüglich Nebenwirkungen im Vergleich zu oralem Morphin konnte noch nicht gezeigt werden. TTS-Fentanyl (Durogesic-Depot-Pflaster) ist nicht indiziert und auch nicht registriert für postoperative Schmerzen oder Schmerzen nicht-maligner Genese.

 

Literatur:
(1) NEJM 335, 1124, 1996
(2) Goodman & Gilman's 9th ed.,1996
(3) Anesthesiology 70, 928, 1989
(4) Drugs 51 (5) 713, 1996
(5) Drugs 53 (1) 109, 1997
(6) J.Pain and Symptom Man. 11, 139, 1996
(7) Pain 64,527, 1996
(8) Pain 50, 293, 1992
(9) J.Pain and Symptom Man. 13, 254, 1997
(10) Can.Fam.Physician 43,268,1997
(11) J.Pain and Symptom Man. 10, 581, 1995
(12) J.Pain and Symptom Man. 9, 54, 1994
(13) J.Pain and Symptom Man. 10, 4, 1995
(14) Arzneimitteltherapie 15, 150, 1997
(15) J.Pain and Symptom Man. 10, 187, 1995
(16) Anesthesiology 81, 1169, 1994
(17) Anaesthesia 50, 300, 1995
(18) Eur.J.Clin.Pharm. 41, 17, 1991
(19) Anaesthesist 45,495,1996

 

Neu registriert: Meloxicam (Mobic, Movalis)

Vorbemerkungen: Die Nebenwirkungen von NSAID (Non Steroidal Anti Inflammatory Drugs), die den Gastrointestinaltrakt betreffen, werden vielfach unterschätzt (siehe auch Pharmainfo X/1/1995 und II/1/1987, II/2/1987, II/3/1987). Das Risiko einer Hospitalisierung wegen gastrointestinaler Komplikationen ist 5mal so hoch bei Patienten, die NSAIDs nehmen, als bei solchen, die das nicht tun. Bei Patienten, die NSAIDs wegen rheumatoider Arthritis nehmen, liegt die Todesrate wegen gastrointestinaler Komplikationen bei 6% im Vergleich zu 3% in der Normalbevölkerung (1). Jede Anstrengung ist daher gerechtfertigt, NSAIDs mit geringeren Nebenwirkungsraten zu entwickeln. Neue Entwicklungen ergeben sich durch den Umstand, daß von der Cyclooxygenase, dem Hauptangriffspunkt der NSAIDs, zwei Isoformen, die Cyclooxygenase 1 (COX1) und die Cyclooxygenase 2 (COX2) nachgewiesen wurden. COX1 ist das konstitutive Enzym, das für die Aufrechterhaltung physiologischer Vorgänge, also auch für die zytoprotektive Wirkung auf die Magenschleimhaut, verantwortlich ist. COX2 wird dagegen erst unter pathophysiologischen Bedingungen gebildet und vermittelt die Produktion von Entzündungsmediatoren. 
Es ist daher zu erwarten, daß NSAIDs, die selektiv oder bevorzugt die COX2 hemmen, weniger Nebenwirkungen hervorrufen als nicht-selektive Substanzen. Dieses Konzept erfordert jedoch eine gewisse Skepsis, da nicht alle Wirkungen der nicht-opioiden Analgetika/Antiphlogistika auf eine Hemmung der Prostaglandinsynthese zurückgeführt werden können. Letztlich können nach wie vor nur sorgfältig durchgeführte klinische Studien die Wirksamkeit und Sicherheit eines neuen NSAID charakterisieren.

Klinische Pharmakokinetik: Meloxicam wird nach peroraler, rektaler und intramuskulärer Gabe vollständig resorbiert. Die absolute Bioverfügbarkeit nach peroraler Gabe beträgt 89-93%. Die Plasmaeiweißbindung beträgt 99% und das Verteilungsvolumen ist mit 0,14 l/kg entsprechend klein. Der Anteil an ungebundenem Arzneistoff in der Synovialflüssigkeit ist gleich hoch wie in Plasma. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt 15-20 Stunden, eine einmaltägliche Verabreichung erscheint daher ausreichend (6).

Klinische Wirksamkeit: In zwei kleinen Doppelblindstudien wurde Meloxicam 7,5 mg/Tag gegen Diclofenac 100 mg/Tag (n=335) bzw. Meloxicam 15 mg gegen Piroxicam 20 mg (n=255) (8) bei Patienten mit Osteoarthritis verglichen. In beiden Studien war Meloxicam gleich wirksam wie die Vergleichsmedikation. Ein Unterschied hinsichtlich Nebenwirkungen wurde nicht beobachtet.

In zwei großen multizentrischen Doppelblindstudien werden Meloxicam 7,5 mg gegen Diclofenac 100 mg SR (slow release-retard) (MELISSA-Studie) bzw. Meloxicam 7,5 mg gegen Piroxicam 20 mg (SELECT-Studie) bei Patienten mit Osteoarthritis geprüft (9,10).

MELISSA: Patienten (n=9323) mit Osteoarthritis an Hüfte, Knie, Hand oder Wirbelsäule, von denen alle über 18 und 40% über 65 Jahre alt waren, erhielten über 28 Tage Meloxicam, 7,5 mg oder Diclofenac retard 100 mg (Diclofenac Ciba retard, Diclofenac 'Genericon' retard, Diclomelan retard, Diclostad retard, Fenaren retard, Magluphen retard, Tratul retard, Voltaren retard). Die Wirksamkeit wurde mittels visueller Analogskala (VAS) bzw. verbaler Äußerungen (VRS) ermittelt. Die Verträglichkeit wurde aufgrund von Studienabbrüchen wegen Nebenwirkungen insgesamt bzw. hinsichtlich gastrointestinaler Nebenwirkungen (Perforation, Ulceration, Blutung) beurteilt. Die Wirkung der beiden Behandlungen wurde als völlig gleich beurteilt. In der Meloxicam-Gruppe waren weniger Studienabbrüche (5,5% bei Meloxicam, 8% bei Diclofenac, p<0,01). Schwere gastrointestinale Nebenwirkungen waren in beiden Gruppen gleich häufig (7 Patienten bei Diclofenac, 5 Patienten bei Meloxicam). Bei den Ulcera insgesamt war kein Unterschied aber komplizierte Ulcera mit Blutung oder Perforation traten nur in der Diclofenac-Gruppe bei 4 Patienten auf.
Gastrointestinale Nebenwirkungen insgesamt waren bei Meloxicam signifikant weniger als bei Diclofenac. Bei gleicher Wirksamkeit wurde also eine insgesamt etwas bessere Verträglichkeit von Meloxicam im Vergleich zu Diclofenac festgestellt (9).

SELECT: In einem sehr ähnlichen Patientenkollektiv wie bei der MELISSA-Studie erhielten die Patienten (n=8656) ebenfalls 7,5 mg Meloxicam oder 20 mg Piroxicam (Brexin, Felden, Pirocam, Piroxicam "Arcana", Piroxicam-'Aliud', Piroxistad) über ebenfalls 28 Tage. Auch Wirksamkeit und Verträglichkeit wurden gleich wie in der MELISSA-Studie geprüft. Die Wirksamkeit der beiden Behandlungen wurde wieder als gleich bewertet. Hinsichtlich Studienabbrüche war kein Unterschied zwischen den Gruppen (6% bei Meloxicam, 7,2% bei Piroxicam). In der Piroxicam-Gruppe zeigten 16 Patienten, in der Meloxicam-Gruppe 7 Patienten schwere gastrointestinale Nebenwirkungen (nicht signifikant). Komplizierte Ulcera mit Blutungen oder Perforation traten nur bei 4 Patienten in der Piroxicam-Gruppe auf.
Nebenwirkungen insgesamt und im speziellen gastrointestinale Nebenwirkungen waren bei Meloxicam signifikant weniger häufig als bei Piroxicam. Bei gleicher Wirksamkeit wurde also eine insgesamt bessere Verträglichkeit von Meloxicam im Vergleich zu Piroxicam festgestellt (10).

Kritisch ist zu diesen beiden Studien folgendes zu bemerken: Wie in der Pharmainfo X/1/1995 diskutiert, scheint ein klarer Zusammenhang zwischen gastrointestinalen Nebenwirkungen und Wirkungsdauer (Halbwertszeit) von NSAID gegeben. Für Piroxicam mit der längsten Halbwertszeit von 35 Stunden war die höchste Nebenwirkungsrate gegeben. Wenn daher Meloxicam insgesamt nur etwas besser als Piroxicam abschneidet (s.o.) ist dies keine Empfehlung für diese Substanz. Laut den gerade zitierten Daten ist Diclofenac mit seiner niederen Halbwertszeit besser zu bewerten, allerdings nicht so gut wie Ibuprofen (Avallone, Brufen, Dismenol Neu, Dolgit, Ibudol, Ibuprofen, Ibupron, Iburem, Imbun, Kratalgin, Nurofen, Tabcin, Urem) mit der kürzesten Halbwertszeit und den geringsten Nebenwirkungsraten.

Seit Einführung von Meloxicam sind zahlreiche schwere gastrointestinale Nebenwirkungen (auch Todesfälle) berichtet worden und dies hat in der Zwischenzeit zu entsprechenden Warnungen geführt und eine Änderung der Fachinformation bewirkt. Ob diese Nebenwirkungen auf eine "unvorsichtige" Verwendung von Meloxicam, das als verträglichere Substanz propagiert wurde, zurückzuführen sind oder letztlich doch zeigen, daß Meloxicam bezüglich Nebenwirkungen keine entscheidenden Vorteile bringt, ist nicht mit Sicherheit zu beantworten. Die zweite Variante erscheint aber derzeit wahrscheinlicher.

Zusammenfassung: Das nicht-steroidale Antirheumaticum Meloxicam hemmt bevorzugt die COX2, das Isoenzym der Cyklooxygenase, das für entzündliche Prozesse verantwortlich gemacht wird. In großen klinischen Studien sind 7,5 mg Meloxicam gleich wirksam gegen Osteoarthritis wie 100 mg Diclofenac retard (MELISSA-Studie) bzw. wie 20 mg Piroxicam (SELECT-Studie). Nach einer Anwendungsdauer von 28 Tagen waren in beiden Studien die Nebenwirkungen insgesamt und die gastrointestinalen Nebenwirkungen bei den Meloxicam-Patienten statistisch signifikant vermindert. Piroxicam ist aber ein NSAID mit hoher Nebenwirkungsrate und daher als Vergleichspräparat wenig geeignet. Gegenüber Diclofenac retard hatte Meloxicam zwar eine niedrigere Gesamtrate in gastrointestinalen Nebenwirkungen, aber gleich viele schwere Nebenwirkungen in diesem Bereich, allerdings wieder weniger (0 versus 4) perforierende Ulcera.
Seit der Markteinführung von Meloxicam wurden bereits schwere gastrointestinale Komplikationen gemeldet. Da aufgrund der vorliegenden Daten kein entscheidender Vorteil gegenüber anderen NSAID bezüglich dieser Nebenwirkung zu erwarten ist, ist die Indikation für diese Substanz und die Überwachung der Patienten/innen so wie bei anderen NSAID vorzunehmen. Es bleibt daher abzuwarten, ob bei neueren Substanzen eine vielleicht höhere COX2 Selektivität, als sie für Meloxicam gegeben war, eine deutliche klinische Verbesserung bringt.

Literatur:
(1) J.Rheumatol. 1996,25 (Suppl.102)3
(2) Inflamm.Res.1995,44,423
(3) Inflamm.Res.1995,44,598
(4) Drugs of Today 1997,33,739
(5) Brit.J.Rheumatol.35(Suppl.1)4
(6) Arzneim.Forsch.1997,47,253
(7) Br.J.Rheumatol.1996,35(Suppl.1)39
(8) Br.J.Rheumatol.1996,35(Suppl.1)35
(9) Br.J.Rheumatol. 37,937,1998
(10) Br.J.Rheumatol. 37,946,1998

 

Zurückgezogen: Mibefradil (Amifral, Posicor)

Das seit Mitte 1997 auch in Österreich registrierte Antihypertensivum/Antianginosum Mibefradil wurde mit Wirksamkeit vom 8. Juni 1998 von der Produktionsfirma freiwillig weltweit vom Markt zurückgenommen (USA-Zulassung 1997; EU-Zulassung 1998) (1,2). Diese Maßnahme wurde im Zuge der Endauswertung der 3-Jahres-Langzeitstudie MACH-1 (i.e. Mortality Assessment in Congestive Heart Failure) (3) getroffen, bei der Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz mit Mibefradil behandelt wurden, und in deren Rahmen schon länger bekannte, mögliche Arzneimittelinteraktionen neuerlich bestätigt und weitere Daten bekannt wurden.

Bei Mibefradil handelt es sich um einen langwirksamen Non-Dihydropyridin Ca++-Kanal Blocker, der sowohl die T- als auch L-Kanäle blockiert und sich in dieser Wirkweise von allen anderen zugelassenen Ca2+-Antagonisten unterscheidet (4). Aufgrund einer unterschiedlichen topographischen Verteilung der T-Kanäle sowie deren spezieller Funktion hinsichtlich Schwellenpotential und Öffnungsdauer soll Mibefradil - im Vergleich zu den L-Kanalblockern - die Herzfrequenz ohne negative inotrope Wirkung senken und soll stark gefäßselektiv (mehr koronar als peripher) wirken. In verschiedensten Studien wurde anscheinend die Verträglichkeit der Substanz (5), v.a. bei älteren Patienten (6) sowie bei gemeinsamer Verabreichung von Betablockern (7) belegt.

Mibefradil hat sich sowohl in der Behandlung der Hypertonie als auch der stabilen Angina pectoris als durchwegs wirksam und verträglich erwiesen, ohne daß allerdings Vorteile gegenüber anderen langbewährten Mitteln gezeigt worden wären (5-7). In Kombination von Mibefradil mit anderen oft verwendeten Präparaten (v.a. Herz-Kreislauf-Therapeutika) kann es aber die Häufigkeit des Auftretens und v.a. auch den Schweregrad der unerwünschten Wirkungen anderer Arzneimittel durch Hemmung der Cytochrom P450 Isoenzyme 3A4 und 2D6 erhöhen und zwar von Substanzen mit engem therapeutischen Index. In erster Linie handelt es sich dabei um die klinisch häufig gleichzeitig verwendeten HMG CoA Reduktasehemmer (Statine) Simvastatin (Zocord) und Lovastatin (Mevacor) wobei es bei gemeinsamer Verabreichung mit Mibefradil zu einer klinisch relevanten, bis zu 7-fachen Erhöhung der Bioverfügbarkeit (Simvastatin) kommen kann (8). So wurden unter einer Kombinationsbehandlung mit Simvastatin 19 Fälle (davon 8 Fälle mit zusätzlicher Gabe von Cyclosporin, 1 Todesfall) und unter Lovastatin 1 Fall mit Rhabdomyolyse beschrieben. Erwähnenswert ist jedoch, daß nur für Simvastatin eine spezifische Interaktionsstudie vorliegt (8). Basierend auf dem Wissensstand über die metabolischen Arzneimittel-Interaktionen besteht bei gemeinsamer Verabreichung von Mibefradil ein potentiell erhöhtes Risiko für das Auftreten von Nebenwirkungen nicht nur für die oben erwähnten Statine, sondern auch für eine Reihe von Chemotherapeutika (wie Etoposid, Paclitaxel, Vinblastin, Vincristin, Cyclophosphamid, Flutamid, Tamoxifen), sowie für Substanzen, die das QT-Intervall verlängern (wie Amiodaron, Astemizol, Cisaprid, Erythromycin, Flecainid, Halofantrin, Mexiletin, Pimozid, Propafenon, Quinidin, Sotalol, Terfenadin, Imipramin, Clomipramin, Desipramin oder Thioridazin).

Bereits im November 1997 erging ein erster Firmenhinweis an die Ärzteschaft (9), daß Mibefradil zu einer Verlängerung der AV-Überleitungszeit und zu schweren Bradykardien und junktionalen Rhythmen führen kann und dies vor allem in Verbindung mit Betablockern bei älteren Patienten. Nun wurde kürzlich ein ernsthaftes Problem im Rahmen des Absetzens bzw. der Umstellung von Mibefradil auf andere Therapiealternativen klinisch hochrelevant (10,11). So kam es innerhalb von wenigen Stunden nach Umstellung von Mibefradil auf andere Ca++-Kanal Blockern bei 4 mit Betablockern als Komedikation behandelten Hypertonie-Patienten zu kardiogenem Schock (1 Todesfall), wobei die Umstellung innerhalb von 24 Stunden auf einen Dihydropyridin- Ca++-Antagonisten erfolgte (11). Zurecht wurde massive Kritik an der Herstellerfirma laut, da mit der weltweiten Marktrücknahme von Mibefradil am 8. Juni 1998 (1) zwar auf die potentiellen Arzneimittelwechsel-wirkungen, nicht jedoch auf die Möglichkeit einer lebensgefährlichen Interaktion mit anderen Ca++-Antagonisten hingewiesen wurde. Jedoch wurde die Ärzteschaft in einer zusätzlichen Information bereits wenige Tage nach Bekanntmachung über den bevorstehenden Einzug der Substanz, auf die langsame Clearance von Mibefradil aufmerksam gemacht und Ratschläge zur Umstellung auf alternative Therapien erteilt (12).

Zusammenfassend lernen wir aus der klinischen Etablierung von Mibefradil und dessen rapidem Rückzug, daß unabhängige Interim- und Endanalysen bei großen klinischen Studien, wie sie im Rahmen der 2600 Patienten umfassender Multizenter Studie MACH-1 geplant und durchgeführt wurden (3), zu überraschenden gesundheitspolitischen Entscheidungen führen können. Erwähnenswert ist jedoch auch, daß schon ursprünglich im Rahmen des US FDA Advisory Panels im Februar 1997 nur eine einfache Mehrheit (5 zu 3 Stimmen) der FDA-Genehmigung für Mibefradil zur Behandlung der Hypertension und der chronisch stabilen Angina pectoris zugestimmt hat (13). Von Mitgliedern dieser FDA Kommission wurde ein gewisser Vorbehalt hinsichtlich des Sicherheitsprofils der Substanz geäußert, und der Anregung, die Endanalyse der MACH-1 Studie abzuwarten, wurde damals nicht Folge geleistet (14). Auch im Rahmen der EU-Zulassung bestand seitens der schwedischen Zulassungsbehörde aufgrund der vorbeschriebenen Arzneimittelinteraktionen ein Vorbehalt, was letztlich zur firmenpolitischen Entscheidung führte, auf die Zulassung in Schweden, wie dies beim dezentralen europäischen Verfahren möglich ist, zu verzichten, um nicht die Zulassung in anderen europäischen Ländern noch weiter zu verzögern (14).

Was für eine Lehre können wir aus diesem Beispiel ziehen:

  1. Wie in der Pharmainfo immer wieder betont, ist bei neuen Substanzen immer das Risiko noch unbekannter Nebenwirkungen gegeben. Neue Substanzen sollten nur verwendet werden, wenn ein klinisch relevanter Vorteil gegenüber alten Substanzen vorliegt oder eine neue Therapiemöglichkeit gegeben ist. Dies war bei Mibefradil sicherlich nicht der Fall.
  2. Pharmakowechselwirkungen werden heute aufgrund von Vielfachverschreibungen immer wichtiger, weil doch zahlreiche Substanzen pharmakokinetische und pharmakodynamische Interaktionen zeigen.

 

Literatur:
(1) Voluntary market withdrawal, Posicor (Dear Doctor Letter), NJ: Roche Laboratories Inc., June 8,1998
(2 ) Lancet 351,1791,1998
(3) Clin.Cardiol. 20,320,1997
(4) Med.Lett. 39,103,1997
(5) Am.J.Cardiol. 80,40C,1997
(6) Am.Heart J. 134,238,1997
(7) Am.J.Cardiol. 79,1025,1997
(8) Ärzteinformation, Gebro Fieberbrunn, Mai 1998
(9) Dear Doctor Letter, Nutley, NJ: Hoffmann La Roche, December 1997
(10) Lancet, 351,1937,1998
(11) JAMA 280,157,1998
(12) Dear Doctor Letter, Nutley, NJ: Roche Laboratories Inc., June 12, 1998
(13) SCRIP 2212, March 7,20,1997
(14) SCRIP 2247, Juli 1997,16,1997

 

P.b.b. Erscheinungsort Verlagspostamt 1010 Wien

Montag, 25. Jänner 1999

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