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Inhalt

 

Editorial

Ein paar Punkte zur Erinnerung: Die Pharmainformation ist über das Internet (siehe oben) abrufbar und das dort angebotene Suchprogramm erlaubt, jedes Stichwort (z.B. Substanzen) in früheren Texten zu finden.
Die Artikel der Pharmainformation werden von allen Herausgebern kritisch durchgesehen, diskutiert und redigiert. Wenn Artikel primär von einem Herausgeber verfasst wurden, werden sie ohne Namensangabe publiziert. Externe Autoren werden namentlich erwähnt. Alle Autoren und die Herausgeber arbeiten ohne finanzielle Entschädigung.
Wir bedanken uns für bisherige Zuschriften, die die unabhängige und kritische Position der Pharmainfo anerkennen. Wir nehmen aber auch gerne Kritikpunkte entgegen, die zur Verbesserung führen können und sind gerne bereit, auf Anfragen beüglich aktueller Themen einzugehen. So werden wir das nächste Mal eine Anfrage bezüglich PC-SPES beim Prostatakarzinom besprechen.


Antikonzeptive Pillen der 3. Generation: Vor mehr als einem halben Jahr (28. Sept. 2001) hat die europäische Zulassungsbehörde in London festgestellt, dass Pillen der 3. Generation ein höheres Thromboserisiko als solche der 2. Generation haben (http://www.emea.eu.int). Wie wurde auf diese Entscheidung reagiert? Neben einigen kritischen Stimmen mit zustimmenden Kommentaren war generell eine gewisse Tendenz zu sehen, diese Daten herunterzuspielen, zu relativieren, oder als veraltet darzustellen. Tatsächlich hat die europäische Behörde sehr lange gebraucht, um zu einer wissenschaftlich fundierten Entscheidung zu kommen. Bei der Frage, welche Pille genommen wird, sind enorme finanzielle Interessen involviert. Schon aus diesem Grunde war es fast unmöglich, rasch eine unabhängige wissenschaftliche Entscheidung zu erzielen. 
Dies ist aber jetzt durch die kompetente europäische Behörde geschehen. Keine der Reaktionen der letzten Monate hat an den wesentlichen Fakten etwas geändert und sie seien daher nach dieser "Evaluationsphase" noch einmal dargestellt: auf hunderttausend Frauenjahre (hunderttausend Frauen im Alter von 15-44 Jahren, die für ein Jahr die Pille nehmen) kommen 5-10 spontane Fälle von venösen Thromboembolien. Im Rahmen der Schwangerschaft sind es 60 Fälle. Für die Pille, und das ist wichtig festzustellen, sind die Werte auf jeden Fall niederer als bei Schwangerschaft, liegen aber über dem Niveau der spontanen Rate.
Für Pillen der 2. Generation (mit Levonorgestrel: Microgynon, Neogynon, Neo-Stediril, Ovranette, Perikursal, Sequilar, Stediril D, Trigynon, Trinordiol) sind es 20 Fälle (einschließlich der spontanen), für die der 3. Generation (Desogestrel: Gracial, Marvelon, Mercilon, Gestoden: Gynovin, Harmonette, Meliane, Minesse, Minulet, Mirelle, Tri-Minulet, Triodena30-40 Fälle (unabhängig davon, ob als Östrogen 20 oder 30 mg Ethinylestradiol enthalten ist). Lungenembolien machen ca. 10% der venösen Thromboembolien aus, tödlich verlaufen 1%. Das heißt, auf 1 Mio(!) Frauenjahre sind durch die Pille der 2. Generation im Durchschnitt 3 Embolie-Todesfälle, durch die der 3. Generation 4,5 bis 6 Todesfälle zu erwarten (bei Erstverschreibung sogar bis zu 9 Fälle: BMJ 323,1,2001). Da jede 3. Frau im gebärfähigen Alter in Österreich eine Pille der 3. Generation nimmt (ÖAZ 20. Okt. 2001, S.38), sind wir bei 1 Mio Frauenjahren (1 Million Frauen, die das Medikament für ein Jahr einnehmen) in der österreichischen Dimension.
Das sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse; welche Konsequenzen ergeben sich?
 Die heutigen Pillen haben nur mehr ein geringes Thromboserisiko. Da Thrombosefälle vor allem am Beginn der Medikation auftreten, ist es nicht zwingend, eine bereits etablierte Einnahme einer Pille der 3. Generation zu ändern.

Bei einer Erstverschreibung könnte man sagen, die Unterschiede zwischen 2. und 3. Generation bei Verschreibung der Pille der 3. Generation, sind doch gering und vielleicht vernachlässigbar. Zwei bis sechs zusätzliche Todesfälle z.B. für Österreich können als kleiner statistischer Unterschied betrachtet werden. Für Betroffene lässt jedoch jeder zusätzliche Todesfall die Statistik anders erscheinen. Damit die letzte Frage: Gibt es zwingende Gründe, die für eine Neuverschreibung von Pillen der 3. Generation sprechen und die damit das erhöhte Risiko an venösen Thromboembolien und tödlichen Lungenembolien rechtfertigen? Wir sehen diese Gründe, zumindest generell gesehen (im Einzelfall kann es solche geben), nach wie vor nicht.


Generika für Terfenadin: 
Die Antihistaminika Terfenadin (früher als Triludan registriert) und Astemizol (früher Hismanal) wurden von der Produktionsfirma schon vor einiger Zeit vom Markt genommen. Der wesentliche Grund war, dass diese Präparate zu QT-Verlängerung am Herzen und damit zu Rhythmusstörungen führten. Mehrere Todesfälle wurden diesen Medikamenten als Folge dieser Wirkung zugeschrieben. Allerdings war es schwierig, epidemiologisch eine genaue Kausalität sicherzustellen. Es war daher begrüßenswert, dass die Firmen trotzdem diese Präparate, sozusagen "im Zweifel für den/die Patienten/in entscheidend", vom Markt nahmen, zumal alternative Präparate verfügbar sind. Nun ergibt sich die groteske Situation, dass Generika-Firmen Terfenadin in Österreich als Generika bereits registriert haben. Da aufgrund der nicht zwingenden Risikodaten kein behördlicher oder europäischer Beschluss über Marktrücknahme vorliegt, ist dies gesetzlich möglich. Trotzdem ist zu hoffen, dass die Generika-Firmen auf eine Vermarktung verzichten. Wenn dies nicht geschehen sollte, muss man diesen Firmen vorwerfen, dass sie weniger auf ein Patientenrisiko Rücksicht nehmen, als dies die ursprünglichen Firmen getan haben. Vor einer Verwendung von Terfenadin-Generika sei schon jetzt vorsorglich gewarnt.

 

Abmagerungsmittel

Die verlässlichste und risikofreie Methode Gewicht zu verlieren, ist die Einhaltung einer vernünftigen Diät, zusammen mit ausreichender körperlicher Aktivität. Realistischerweise muss man aber zugeben, dass für viele adipöse Patienten/innen eine zusätzliche Gabe von Appetitzüglern zweckentsprechend wäre, um den Risikofaktor Adipositas auszuschalten oder zumindest zu reduzieren.
Aber erst in den letzten Jahren scheint es gelungen, Altlasten (Amphetamin-Abkömmlinge) unter diesen Appetitzüglern vom Markt zu bringen und neue Präparate mit positiv erscheinendem Risiko/Nutzen-Verhältnis zu entwickeln.
Entsprechend einer europäischen Entscheidung über das negative Risiko/Nutzen- Verhältnis wurden in Österreich die Amphetamin-Abkömmlinge Amfepramon (Regenon) und Phentermin (Adipex, Mirapront) bereits 1999 vom Markt genommen. In der Zwischenzeit wurde die einstweilige Verfügung, die die Firma beim Europäischen Gerichtshof gegen die europäische Marktrücknahme erreichte, aufgehoben, und diese Präparate sind nun europaweit vom Markt. Es ist zu hoffen, dass die Firmen nicht weiter auf dem Rechtsweg versuchen, wissenschaftliche Entscheidungen zu bekämpfen. Wie berechtigt die Marktrücknahme dieser Amphetamin-Abkömmlinge ist, zeigt eine kürzlich erfolgte Meldung der WHO (1), die von "widespread abuse and illicit traffic" von Amfepramon spricht. Es sei daran erinnert, dass in Österreich ein weiterer Amphetamin-Abkömmling, nämlich Phendimetrazin (Antapentan), wegen Missbrauch in der Suchtszene bereits 1992 vom Markt genommen werden musste. In anderen Ländern ist dies erst jetzt erfolgt.
Die neue Substanz Orlistat (Xenical) haben wir in der Pharmainfo XIV/1/1999 besprochen. Diese Substanz besitzt ein völlig neuartiges Wirkprinzip, sie reduziert über eine Hemmung gastrointestinaler Lipase die Fettresorption. Eine effektive und länger dauernde Gewichtsreduktion (mehr als 5-10% des Körpergewichtes) wird in einer Subgruppe von Patienten/innen (>10% des Gewichtes bei 20,2% der Patienten/innen versus 8,3% mit Placebo) erreicht. Dafür müssen insbesondere ölige Stühle und ungewollte Fett- und Faecesdurchtritte (Inkontinenz) in Kauf genommen werden. Für die Subgruppe der Übergewichtigen (1), bei denen eine signifikante Gewichtsreduktion eintritt und über 3 Monate erhalten wird, aber eben nur für diese, ist für eine Dauertherapie derzeit ein positives Risiko/Nutzen-Verhältnis zu sehen. Ein möglicher Langzeitnutzen, z.B. bezüglich Mortalität, ist noch nicht belegt.

 

Neu zugelassen: Sibutramin (Reduktil)

Diese Substanz wurde zuerst in einem europäischen dezentralen Verfahren in einigen Ländern zugelassen, da aber Bedenken über die Sicherheit bestanden, wurde ein zentrales Verfahren eingeleitet, das letztlich zur gesamteuropäischen Zulassung führte.
Sibutramin hemmt im ZNS die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin und weniger, wenn überhaupt, jene von Dopamin in die Nervenendigung und dürfte über diesen Mechanismus das Sättigungszentrum (2) hemmen, zusätzlich scheint eine thermogene Komponente vorzuliegen. Es liegen mehrere klinische Studien vor, die den Gewichtsverlust durch Sibutramin belegen (3,4). Von besonderem Interesse ist, ob bei chronischer Gabe dieser Substanz eine Langzeitsenkung des Gewichtes (mehr als 1 Jahr) möglich ist, was bei den Amphetamin-Abkömmlingen aufgrund der Suchtgefahr nicht erzielbar war. Dazu sei eine Studie diskutiert (5). Patienten/innen erhielten zuerst für 6 Monate Sibutramin zusätzlich zur Diät, nach 6 Monaten hatten 77% mehr als 5% weniger Gewicht, diese Gruppe erhielt nun entweder Sibutramin (n= 352) oder Placebo (n= 115) für weitere 18 Monate. Aus beiden Gruppen verblieben nur 58% bzw. 50% über diesen Zeitraum in der Studie. 43% der in der Sibutramin-Gruppe verbliebenen Patienten/innen konnten mehr als 80% des ursprünglichen Gewichtsverlustes beibehalten, während in der Placebogruppe dies nur bei 16% zutraf. Das zeigt einerseits, dass, wenn Sibutramin nach 6 Monaten abgesetzt wird, so wie das für alle Appetitzügler typisch ist, das Gewicht wieder langsam auf die alte Höhe zurückkehrt. Andererseits bewirkt die kontinuierliche Gabe von Sibutramin über 2 Jahre (6+18 Monate) bei 94 Patienten/innen von den ursprünglich 352 einen Gewichtsverlust von mehr als 10%. Allerdings wurde in dieser Studie bei 52% der Patienten/innen die Dosis auf 20 mg erhöht, während jetzt nur 15 mg als Maximaldosis und diese Therapie nur für 1 Jahr zugelassen sind. Blutfette werden durch Sibutramin günstig mit einer Senkung der Triglyceride und von VLDL-Cholesterin und einem Anstieg von HDL-Cholesterin beeinflusst.

 

Wie sind aber nun die Risiken zu bewerten?

Das Hauptproblem der Amphetamin-Abkömmlinge ist das Suchtrisiko. Für Sibutramin haben weder die praeklinischen Daten noch die klinischen Studien einen Hinweis auf ein Abhängigkeitsrisiko ergeben. Bis jetzt sind auch im Rahmen des Postmarketing weder in den USA noch in Europa Verdachtsfälle aufgetaucht. "Bis jetzt" ist aber zu betonen, weil auch verschiedene Amphetamin-Derivate immer wieder über einige Jahre als nicht suchtgefährdend eingestuft wurden. 
Als wesentliche Nebenwirkung verbleiben cardiovaskuläre Effekte von Sibutramin. Die Substanz steigert (5) im Gesamtdurchschnitt die Herzfrequenz um 4 Schläge pro Minute und den diastolischen Blutdruck um 2.3 mm Hg. Dies führte in dieser Studie immerhin dazu, dass 20 Patienten/innen (von 352) wegen deutlicher Blutdrucksteigerungen im Laufe der 2 Jahre aus der Studie ausscheiden mussten. Andererseits führt Gewichtsverlust zu einer Senkung des Blutdrucks und es scheint tatsächlich so, dass Patienten/innen mit höherem Gewichtsverlust keinen Anstieg des Blutdruckes gegenüber Placebo zeigen. Wie sich die verschiedenen positiven (Gewichtsreduktion, Lipidänderungen) undnegativen (Blutdrucksteigerung) Parameter auf den Langzeitnutzen von Sibutramin auswirken, werden Langzeitstudien zeigen, die bei der Zulassung zur Auflage gemacht wurden. Derzeit sind zwei Dinge zu beachten: Eine Langzeittherapie ist nur für die Patienten/innen sinnvoll und zu vertreten, die zumindest eine 5%ige, aber wohl besser eine 10%ige Gewichtsreduktion zeigen. Der Verlauf des Blutdrucks ist genau zu beobachten, bei einem Anstieg ist das Präparat abzusetzen.

 
Zusammenfassung
:
Mit Orlistat (Xenical) und Sibutramin (Reduktil) sind zwei Abmagerungsmittel am Markt, die derzeit, allerdings nur bei richtigem Einsatz, ein positives Risiko/Nutzen Potential zu haben scheinen. "Derzeit" deswegen, weil nur Langzeitstudien zeigen können, ob sie die durch das Übergewicht erhöhte Sterblichkeit zu senken vermögen, und dies ist das eigentliche Therapieziel. Ein richtiger Einsatz liegt vor, wenn man eine Dauertherapie mit diesen Substanzen auf die übergewichtigen(!) Patienten/innen beschränkt, die einen andauernden Gewichtsverlust von mehr als 10% oder zumindest 5% haben. Eine Therapie ist natürlich nur zusammen mit intensiven diätischen Maßnahmen zweckmäßig. Bei Sibutramin ist der Blutdruck laufend zu kontrollieren.

Literatur:
(1) WHO Drug Information 14,223,2000
(2) Drugs 56,1093,1998
(3) Obesity Res 7,189,1999
(4) Am J Med 106,179,1999
(5) Lancet 356,2119,2000

 

Zur Therapie der funktionellen Dyspepsie

Funktionelle Dyspepsie (functional oder non-ulcer dyspepsia), gekennzeichnet durch Schmerzen und Unwohlsein im oberen Bauchraum, ist ein häufiges Leiden (bis 25% der Bevölkerung: 1). Die Pathophysiologie ist unklar, das Leiden bleibt diagnostisch übrig, wenn verschiedene Ursachen wie Gastritis, Ulcera, gastro-oesophagealer Reflux und Erkrankungen der Gallenwege und des Pankreas ausgeschlossen werden können. Psychosomatische Komponenten dürften wichtig sein, dementsprechend sind auch hohe Placebo-Heilungsraten (bis zu 60%: 1) typisch.
Für die Auswahl der Therapie erscheint eine Einteilung der funktionellen Dyspepsie in Fälle mit Ulcus-ähnlicher Symptomatik (Schmerzen im Oberbauch als Symptom dominierend) oder solche mit Motilitätsstörung (Völlegefühl, frühe Sättigung, Übelkeit als Kardinalsymptome) interessant (2).

 

Zeigt Eradikation von Helicobacter pylori bei funktioneller Dyspepsie einen therapeutischen Nutzen?

In dieser Frage wurden widersprüchliche Resultate erhalten, charakterisiert durch 2 Titel: Contra: Absence of benefit of eradicating Helicobacter pylori in patients with non-ulcer dyspepsia (3). Pro: Symptomatic benefit from eradicating Helicobacter pylori infection in patients with non-ulcer dyspepsia (4). Bei widersprüchlichen Daten dieser Art erwartet man sich mehr Klarheit, wenn mehrere Studien in einer Metaanalyse erfasst werden. Zwei Metaanalysen liegen vor: Die eine (5) kommt aufgrund von 9 Studien (n=2541) zum Schluss, dass die Eradikation einen signifikanten Effekt hat; allerdings ist die Risikoreduktion nur 9% und man muss 15 Patienten/innen behandeln, um einen durch Eradikation positiven Fall zu haben. Die zweite Analyse (6) analysiert 7 Studien (5 sind identisch mit der anderen Analyse) und findet einen Trend zu Besserung, der allerdings verschwindet, wenn man eine Studie, die zu einer statistischen Heterogenität führt, auslässt. Daher schließen diese Autoren: Unsere Resultate stützen die Eradikation von Helicobacter pylori bei der Behandlung der funktionellen Dyspepsie nicht. Diese Situation zeigt, dass auch Metaanalysen nicht immer eine klare Antwort geben, vor allem dann, wenn der therapeutische Effekt, der bewiesen werden soll, sehr gering oder eben auch nicht vorhanden ist. Aufgrund dieser unklaren Daten kann eine Eradikation für Dyspepsie nicht empfohlen werden.

 

Weitere Therapiemöglichkeiten:

Wir besprechen im folgenden diese Frage basierend auf einem Übersichtsartikel aus dem Jahre 1993 (1) und einer kürzlich erschienenen Evaluierung der wichtigsten Studien (7).

Antacida:
Die älteren Studien konnten keine Wirksamkeit belegen, eine neuere Studie für Antacida und auch zwei für Sucralfat (Sucralan, Sucralbene, Sucralfat, Sucralstad, Sucramed, Ulcogant) fanden ebenfalls keinen Unterschied zu Placebo.

H2-Rezeptor-Antagonisten und Protonenpumpenblocker:
In der neuen Metaanalyse wird für H2-Rezeptorblocker (8 Studien mit 1125 Patienten/innen) ein signifikanter Unterschied zu Placebo gesehen, aber die Studien waren von schlechter Qualität. Für Protonenpumpenblocker (4 Studien mit 1248 Patienten/innen) wie Omeprazol (Losec) war ebenfalls ein statistischer Unterschied festzustellen, aber dieser war marginal. Diese wenig versprechenden Resultate könnten mit der Heterogenität der Symptomatik zusammenhängen. In einer Studie (8) wurde versucht, die Wirkung des Protonenpumpenblockers Omeprazol mit dominierenden Symptomen zu korrelieren. Omeprazol zeigte eine bessere Wirkung, wenn Schmerz als Leitsymptom vorlag (also Ulcus-ähnliche Symptomatik), und weniger Wirkung, wenn Nausea im Vordergrund stand.

Prokinetika:
Für diese Substanzen findet eine Metaanalyse (12 Studien mit 829 Patienten/innen) zwar eine signifikante Wirkung, die statistische Analyse (funnel plot) sprach aber für einen Publikationsbias, eine weitere Analyse (17 Studien: 9) findet sowohl für Cisaprid (Prepulsid) als auch für Domperidon (Motilium) positive Effekte. Metoclopramid (Paspertin, Gastrosil, Metogastron) wurde nicht analysiert. Entsprechend dem oben Gesagten könnten diese Substanzen bei Dyspepsie mit Motilitätsstörung eine gewisse Wirkung entfalten. Cisaprid (Prepulsid) ist aber für diese Indikation nicht mehr zu vertreten (Pharmainfo XIV/3/1999, XV/2/2000). Wegen Todesfällen aufgrund von Herzrhythmusstörungen (auf Basis einer QT-Verlängerung) wurde dieses Präparat in den USA vom Markt genommen und in Europa die Indikation massiv eingeschränkt.
Es verbleiben Domperidon und Metoclopramid, das allerdings durch extrapyramidale Nebenwirkungen stärker als Domperidon (siehe Pharmainfo V/3/1990) belastet sein dürfte.
Psychologische Behandlung
: Psychodynamische-interpersonelle Therapie (1. Sitzung 3 h Dauer, gefolgt von 6 Sitzungen zu 50 min) erwies sich bei Medikamenten-resistenten Patienten wirksamer als eine unstrukturierte psychologisch unterstützende Therapie (10).

Zusammenfassung:
Offensichtlich ist eine medikamentöse Therapie von funktioneller Dyspepsie unbefriedigend, wenn man nicht einen bis zu 60% Placeboresponse schon als Erfolg ansehen will. Darüber hinaus kann bei Patienten, bei denen der Schmerz im Vordergrund steht, eine Therapie mit H2-Antagonisten oder Protonenpumpenblockern versucht werden, bei Völlegefühl und Nausea im Vordergrund eine mit Prokinetika, d.h. mit Metoclopramid (Paspertin, Gastrosil, Metogastron) oder Domperidon (Motilium). Cisaprid (Prepulsid) ist aufgrund lebensgefährlicher Nebenwirkungen (cardiovaskuläre Todesfälle) nicht zu vertreten. Ein Eradikationsversuch des Helicobacters ist nicht zu empfehlen.
Die Beratung der Patienten/innen über eine subjektive Auseinandersetzung mit der Erkrankung und dem Erkennen von Maßnahmen (Stressabbau, Ernährung etc.), um diese zu reduzieren, dürfte wohl vielleicht auch zusammen mit einem Placebo die effizienteste Methode sein, diese Erkrankung in den Griff zu bekommen. Schon die Zusicherung, dass dem Leiden keine gefährlichen Störungen zugrunde liegen, kann "heilende" Wirkung haben. Wenn das nicht ausreicht, ist eine verstärkte psychosomatische Therapie in Erwägung zu ziehen.

Literatur:
(1) Drugs 45,918,1993
(2) J Clin Gastrointestinal 32,286,2001
(3) NEJM 341,1106,1999
(4) NEJM 339,1869,1998
(5) BMJ 321,659,2000
(6) Arch Int Med 134,366,2001
(7) Cochrane Database Syst Rev 2,2000
(8) Am J Gastroenterol 95,2777,2000
(9) Am J Gastroenterol 96,689,2001
(10) Gastroenterology 119,661,2000

 

Extrakte aus tierischem und menschlichem Gewebe

Die Verwendung solcher Stoffe hat eine lange Tradition. So finden sich in Museen von alten Apotheken noch ägyptische Mumienteile, die verrieben als Medikamente verwendet wurden, und natürlich alle möglichen Präparate aus dem Tierreich ("Animalia": z.B. Penis des Wales: siehe 1). In unserer Zeit gab es eine Phase, wo man Frischzellextrakte (z.B. von Schafembryonen) injizierte, denen alle möglichen positiven Effekte zugeschrieben wurden. Aufgrund von Todesfällen durch anaphylaktische Reaktionen wurden diese dann endlich verboten (Pharmainfo III/1/1988). Diesen Therapien lag sicherlich auch die Idee zugrunde, dass in menschlichem und tierischem Gewebe wichtige, auch gesundheitsfördernde Wirkstoffe vorhanden sind. Eine rationale Entwicklung dieses Konzeptes war die Reinigung von Hormonen und Wirkstoffen, wie z.B. von Insulin und vielen anderen. Damit wurde ein wichtiger therapeutischer Fortschritt erreicht. Aber auch ein negatives Beispiel hat es hier mit dem menschlichen Wachstumshormon gegeben, das bei Kindern zur Übertragung des Jakob-Creutzfeld-Erregers geführt hat (im Jahre 1991 waren 16 Fälle beschrieben: 1a). Für Eiweißstoffe löst heute die Gentechnologie viele Probleme: Es können die humanen Sequenzen erzeugt werden, es können diese Peptide in großen Mengen hergestellt werden und es gibt kein Risiko der Übertragung menschlicher Erkrankungen. Natürlich müssen allerdings auch bei dieser Methode alle Risiken überprüft werden. 
Neben dieser positiven Entwicklung gibt es aber noch Restbestände der alten "Animalia"-Therapie. Ein Beispiel war ein Prostataextrakt (Raveron), der bei Prostatahypertrophie injiziert wurde, und erst vor kurzem vom Markt verschwunden ist.
In der Pharmainfo (VI/2/1991; XV/4/2000) haben wir einen Extrakt aus Schweinehirn (Cerebrolysin, Cerebrotonin) diskutiert. Die Zusammensetzung dieses Stoffes ist unklar, auch wenn er einzelne Neuropeptide enthalten soll. Die Vorstellung, dass ein solcher Extrakt bei Alzheimer-Erkrankung eine nützliche Wirkung entfalten soll, ist nicht weit von alten Animalia-Konzepten entfernt. Man weiß ja heute doch sehr viel über die Pathogenese dieser Erkrankung, bei der z.B. Störungen in der Produktion, Spaltung und Ablagerung von spezifischen Eiweißen, den Amyloid-Peptiden, im Vordergrund stehen. Nur spezifische Eingriffe werden hier den therapeutischen Durchbruch bringen. Tatsächlich gibt es keine überzeugenden Daten (siehe Pharmainfo XV/4/2000), die die Wirkung von Cerebrolysin belegen.
Weitere Präparate aus dem Tierreich sind eiweißfreie Hämodialysate aus Kälberblut (Solcoseryl, Actovegin), die kleinere Moleküle (unter 5000 Molekulargewicht), also Peptide, Aminosäuren, Nukleotide u.a. enthalten dürften, die, wie es in der Fachinformation von Solcoseryl heißt, "nur zum Teil chemisch und pharmakologisch charakterisiert sind". Bei einer solchen Sachlage kann natürlich das Präparat auch nicht auf irgendeinen Wirkstoff standardisiert werden. 
Für Solcoseryl sind die Indikationen periphere Durchblutungsstörungen, zerebrale Durchblutungsstörungen und Wundheilungsstörungen. Wir haben die Firma um Literaturbelege für diese Indikationen gebeten, um sicherzugehen, dass wir zumindest die wichtigsten positiven Arbeiten erhalten. Mehrere der zur Verfügung gestellten Arbeiten (wie Studien aus Saudi Arabien und Kuweit) waren nicht zu verwerten, da sie keine klinischen Daten enthielten oder nicht doppelblind durchgeführt wurden. Von der für Actovegin zuständigen Firma (offensichtlich identes Präparat) erhielten wir trotz Aufforderung keine Unterlagen.
Für periphere Durchblutungsstörungen lagen zwei Studien vor. In der einen wird ohne statistische Auswertung über Verbesserung von Schmerz und Änderung einiger biochemischer Parameter berichtet (2). Eine weitere Studie (3) berichtet zwar über signifikante Unterschiede zwischen Verum und Placebo (3 Wochen Behandlung), wenn nach Respondern analysiert wird. Die Mittelwerte der schmerzfreien Gehstrecke ändern sich aber für Placebo von 99 auf 147 m und für Verum von 102 auf 169 m und die maximale Gehstrecke für Placebo von 142 auf 206 m und für Verum von 155 auf 235 m. Da keine Statistik präsentiert wird, sind dies offensichtlich keine signifikanten Unterschiede. Auf jeden Fall ist die klinische Relevanz geringer Änderungen der Wegstrecke bei Claudicatio intermittens umstritten. Was verbleibt dem/der Patienten/in z.B. als Dauereffekt nach der 3-wöchigen Behandlung mit Infusionen?
Für Wundheilungsstörungen lagen zwei Arbeiten vor. In einer Studie (4) wurden 16 Patienten/innen mit Dekubitus einbezogen. Am Schluss verblieben nur 5 für Verum und 3 für Placebo. Offensichtlich eine nicht zu bewertende Studie. Eine zweite Arbeit (5) berichtet über Behandlung von venösen Beinulcera - sowohl relevant für Durchblutungsstörungen als auch Wundheilung. Es wurde eine Placebo-Behandlung mit Salbe, Infusion oder beides zusammen untersucht. Für die kombinierte Behandlung wurden signifikante Unterschiede gesehen, wenn man einzelne Subgruppen zusammenrechnet. Weder für Salbe noch Infusion allein wurde ein Effekt belegt. Die klinische Relevanz solcher Daten ist unklar.
Für die Indikation zerebrale Durchblutungsstörungen lag nur eine Arbeit vor. Diese berichtet (6) über einen Effekt von Solcoseryl auf das EEG bei akuten zerebralen Hämatomen. Die Präsentation der Daten erlaubt keine nachvollziehbare Bewertung.

Zusammenfassung:
Die diskutierten Präparate (Cerebrolysin, Cerebrotonin, Actovegin, Solcoserylsind von nicht definierter Zusammensetzung. Die klinischen Daten sind offensichtlich unzureichend, um eine Wirksamkeit zu belegen. Sie können zu anaphylaktischen Reaktionen bis zum Schock führen. Es ist nie auszuschließen, dass bei Injektion von solchen Präparaten neu auftretende und bisher unbekannte Stoffe aus Gehirn und Blut, die für den Menschen ein Risiko bilden, zu einem Problem werden können (siehe die Erfahrungen mit der Bovinen Spongiformen Encephalopathie: BSE). Ist es nicht an der Zeit, den österreichischen Arzneimittelmarkt, der verglichen mit anderen Ländern Europas gar kein schlechtes Niveau hat, von "Animalia" dieser Art zu befreien?

Literatur:
(1) L. Winkler: Pharmakozoologie: Hdb. d. Pharmakognosie, Tauchnitz, Leipzig, 1931
(1a) BMJ 302,824,1991
(2) Angiology 44,471,1993
(3) Int J Angiol 2,167,1994
(4) Curr Ther Res 32,498,1982
(5) VASA 14,383,1985
(6) New Trends Clin Neuropharm V,147,1991

 

P.b.b. Erscheinungsort Verlagspostamt 1010 Wien

Montag, 11. März 2002

Pharmainformation

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em.Univ.Prof.Dr.
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