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Inhalt

 

Editorial

Wir möchten wieder einmal auf zwei wichtige Gesichtspunkte, Nebenwirkungen betreffend, hinweisen:
Nebenwirkungsmeldungen: 
Als eine der wichtigsten Maßnahmen um Arzneimittelkatastrophen zu verhindern, hat sich die frühe zentrale Erfassung von Nebenwirkungen erwiesen: Bei der Contergan-Katastrophe kam es vor ca. 40 Jahren zu ca. 10.000 Fällen von mißgebildeten Kindern, bei dem Appetitzügler Menocil noch zu 500 Todesfällen von maligner, pulmonaler Hypertonie, bei dem Rheumamittel Benoxaprofen am Beginn der 80er Jahre "nur" mehr zu 50 - 100 schweren Leberschäden und in den letzten Jahren reichten oft schon einige schwere Zwischenfälle aus, um bei Präparaten zu einer negativen Risiko/Nutzenabwägung und zur Marktrücknahme zu kommen. Diese Verbesserung der Arzneimittelsicherheit war einerseits durch eine erhöhte Sensibilisierung der öffentlichen Meinung und der Zulassungsbehörden aber auch der pharmazeutischen Industrie bedingt. Ebenfalls entscheidend war die zentrale Erfassung der Nebenwirkungen, die den Zusammenhang zwischen ungewöhnlichen Nebenwirkungen und einem bestimmten Präparat früher erkennen ließ. Wenn ein/e einzelne/r Arzt/Ärztin eine Leberstörung in zeitlicher Verbindung mit einem Medikament sieht, dann kann diese Koinzidenz rein zufällig sein z.B. mit einer Hepatitis. Wenn aber in einer Zentrale das neue Präparat mehrfach mit gleichen Nebenwirkungssymptomen in Verbindung gebracht wird, dann können relativ rasch Schlüsse gezogen werden. 
Die entscheidende Grundlage, daß dieses System funktioniert, ist die Meldung von Nebenwirkungen (Unerwünschte Arzneimittelwirkungen: UAW) an das Bundesministerium. Diese UAW-Meldungsformulare werden immer wieder an alle Ärzte und Ärztinnen ausgesandt. Sie geben eine Basis dafür, daß in Österreich, heute aber auch bei der europäischen Behörde in London, rationelle Nutzen/Risikoabwägungen getroffen werden können. 
Schlußfolgerungen: UAW-Meldungen sind daher von größter Wichtigkeit für die Arzneimittelsicherheit
. Das Ausfüllen der Formulare ist für Ärztinnen und Ärzte bei all den sonstigen und bürokratischen Belastungen sicher lästig - der Gedanke, daß man hier aber einen wirksamen Beitrag zur Arzneimittelsicherheit leistet, sollte eine starke Motivation liefern. Es wäre auch wünschenswert, daß Österreich in der Meldefreudigkeit nicht gegenüber den anderen EU-Partnern abfällt.
Nebenwirkungen nach Neuzulassung: 
Bei der Besprechung neuregistrierter Mittel weisen wir routinemäßig darauf hin, daß das Nebenwirkungspotential erst einige Jahre nach Zulassung halbwegs verläßlich zu bewerten ist. Immer wieder zeigte sich, daß dieser Satz bei der ersten Besprechung angeführt wurde und Jahre später dann tatäschlich Nebenwirkungen zu berichten waren (siehe z.B. Diskussion der Malariamittel in der Pharmainfo X/2/1995; Appetitzügler Dexfenfluramin (Isomeride): Pharmainfo VII/4/1992; Pulmonale Hypertonie als schwere Nebenwirkung: Pharmainfo XII/1/1997). Weitere Beispiele sind die Antihistaminika Terfenadin (Teldafed, Terlane, Triludan) und Astemizol (Hismadrin, Hismanal, Pollonis), die wir in der Pharmainfo I/3/1986 als gut wirksame, nicht sedierende Antihistaminika besprochen haben. In der Zwischenzeit wurde aber bekannt, daß diese Mittel bei Überdosierung und Wechselwirkungen mit anderen Pharmaka und zwar Imidazol-Mykostatika und Makrolid-Antibiotika zu gefährlichen, z.T. auch tödlichen Herzrhythmusstörungen führen können, sodaß derzeit eine Neubewertung von der Europäischen Behörde diskutiert wird (siehe Warnung des Gesundheitsministeriums in ÖAZ vom 25. März 1997, S.65). Analoge Wechselwirkungen mit diversen Pharmaka und als Folge Herzrhythmusstörungen wurden auch kürzlich für Cisaprid (Prepulsid, Pulsitil) berichtet (NEJ Med. 335,290,1996), das wir in der Pharmainfo VI/3/1991 als gut wirksam auf die Darmmotilität besprochen haben. Bei dem Antiepileptikum Lamotrigin (Lamictal) haben wir in der Pharmainfo X/2/1995 über das seltene Auftreten von schweren Hauterscheinungen bis Stephens-Johnson Syndrom berichtet. Wir schrieben damals: "Es wird auch bei Kindern gegeben, obwohl dafür keine kontrollierten Studien veröffentlicht wurden". Jetzt hat sich gezeigt (siehe Firmenmitteilung: DAZ 137,8,1997) daß bei Kindern schwere Hautreaktionen in der bedenklichen Häufigkeit von 1 zu 100 bis 1 zu 300 zu beobachten sind.
Schlußfolgerung: 
Bei neuzugelassenen Substanzen ist das Nebenwirkungspotential in den ersten Jahren unklar. Neue Substanzen sollten daher in den ersten Jahren nur mit strenger Indikationsstellung verabreicht werden: also nur wenn sie gegenüber alten Substanzen einen neuartigen Therapienutzen bringen oder deutlich besser wirken. Mit dieser vorsichtigen Haltung kann man relativ einfach Schaden von Patienten/innen fernhalten.

 

Abführmittel (Laxantien)

Laxantien sind zum größten Teil rezeptfreie Arzneimittel und gehören zu den am häufigsten eingenommenen Medikamenten. Laxantien können bei bestimmungsgemäßem Gebrauch als verläßlich wirksame und mit geringer Nebenwirkungsrate behaftete Arzneimittel beurteilt werden (1). 
Was heißt aber bestimmungsgemäß, und wie kann ein Mißbrauch verhindert werden?
 Ein bestimmungsgemäßer Gebrauch besteht z.B. in der vorübergehenden Gabe zur Reinigung des Darms vor Röntgenuntersuchungen, vor operativen Eingriffen und zur Erreichung eines weichen Stuhls bei Analfissuren oder nach rektal-analen operativen Eingriffen oder zur Bekämpfung einer medikamentös (z.B. Opiate bei Karzinomschmerz) bedingten Obstipation. Bei der chronischen Obstipation (über die laut einer Umfrage des Robert-Koch-Institutes 25% der Frauen und 10% der Männer klagten: 2) sind hingegen Laxantien laut einer kürzlich publizierten Übersicht (3) für einen Dauergebrauch nicht zu empfehlen. Allenfalls ist ihre Verwendung zur Vermeidung einer symptomatischen Koprostase in obsoleten Fällen von Bettlägrigkeit mit begrenzter Lebenserwartung zu rechtfertigen. Dies ist deshalb berechtigt, weil, wie diese Autoren feststellen, in einer überwiegenden Anzahl der obstipierten Patienten andere Maßnahmen zum Erfolg führen: "Von zentraler Wichtigkeit ist hierbei eine eingehende Diätberatung über die anzustrebende ballaststoffreiche Ernährung und über zu vermeidende Nahrungsmittel. In der Regel muß auch zu einer vermehrten Flüssigkeitszufuhr geraten werden (jedoch kein schwarzer Tee und keine alkoholischen Getränke). Insbesondere bei überwiegend sitzender Tätigkeit ist zu mehr Bewegung (Spaziergänge, Fahrradfahren) zu raten. Als unterstützende Maßnahme empfiehlt sich der Versuch einer Stuhlregulierung mit Ballaststoffen. Dabei muß mit Ballaststoffen ausreichend Flüssigkeit zugeführt werden, um nicht einen gegenteiligen Effekt zu bewirken." Da diese Maßnahmen wie gesagt häufig von Erfolg begleitet sind, kann bei der chronischen Obstipation abgesehen von bettlägrigen Patienten ein bestimmungsgemäßer Gebrauch von Laxantien (außer Quellmitteln) nur darin bestehen, in vereinzelten Fällen mit einer kurzzeitigen Gabe den Lauf der Obstipation günstig zu beeinflussen. Dies ist vor allem deshalb wichtig, weil der/die Patient/Patientin, wenn Laxantien dauernd verwendet werden, nicht daran gewöhnt wird, die Obstipation mit anderen Maßnahmen zu bekämpfen. In der Folge besteht das Risiko der Dosissteigerung bis zum Abusus. Ein Dauergebrauch hoher Dosen kann zu einer Hypokaliämie und dadurch ausgelöst zur verstärkten Darmhemmung führen und damit beginnt ein frustrierender Kreislauf. Auch wenn dies nicht zu lebensbedrohlichen Nebenwirkungen führt (siehe unten), leidet der/die Patient/in unter einer solchen insuffizienten Therapie und schon deshalb sind Laxantien (außer Quellmitteln) zum Dauergebrauch wenig geeignet. Erfreulicherweise ist der Laxantiengebrauch in den letzten Jahren zurückgegangen was dafür spricht, daß entsprechende Warnungen und Informationen wie eine Obstipation ohne Laxantien beeinflußt werden kann, zumindest teilweise erfolgreich waren (2). Es nehmen aber immer noch 6% (früher 11%) an Frauen und 1% (früher 2%) der Männer regelmäßig Laxantien ein. Eine tägliche (!) Einnahme wird immerhin noch von 2% der Frauen (früher 4%) berichtet (2).

 

Einteilung und Pharmakologie

Quellmittel:
Diese schwellen bei Wasseraufnahme und bewirken dadurch eine Darmstimulierung (z.B. Weizenkleie, Leinsamen:Linusit Gold, Flohsamen: Abbiofort, Agiocur, Agiolax, Agiolind, Effersylium, Kneipp Abführ Herbagran, Laxans "Roha", Pascomucil, Metamucil; Methylcellulose: Cellobexon, Bulk).

Osmotische Laxantien:
Hierzu gehören salinische Abführmittel (Magnesiumsulfat, Natriumsulfat und Zucker wie Laktose:Markalakt; Laktulose: Bifiteral, Duphalac, Eugalac, Floralac, Lactulose, Laevolac; und Lactitol: Importal, Pselac, Portolac). Diese Substanzen sind schlecht resobierbar und halten durch ihren osmotischen Druck Wasser im Darmlumen zurück. Salinische Abführmittel sind durch einen raschen Wirkungseintritt innerhalb weniger Stunden gekennzeichnet. Als unerwünschte Wirkungen können insbesondere bei höheren Dosen Darmgrimmen bis Spasmen auftreten. Nicht resorbierbare Zucker können Meteorismus und Flatulenz bewirken. Resorption von Magnesium kann bei renaler Insuffizienz zu Muskelschwäche bis Lähmung führen. Magnesiumsulfat ist daher bei Vorliegen einer solchen Erkrankung nicht zu verwenden.

Antiresorptive/secretagoge Substanzen:
Hierzu gehören Anthrachinone (zahlreiche Präparate) und Diphenylmethanderivate (Natriumpicosulfat: Agaffin, Guttalax; Bisacodyl: Dulcolax, Laxbene). Diese Substanzen stimulieren die Prostaglandinsynthese (4, 5) und hemmen die Natrium-Kalium-ATP-ase (6) und führen letztlich zu einer Stimulation der Chloridsekretion und dadurch zu einer Flüssigkeitsvermehrung im Darmlumen. Bisacodyl wird im Dünndarm deacetyliert, resorbiert und wirkt erst nach Glucuronidierung in der Leber und Ausscheidung mit der Galle in den Darm, wo es im Dickdarm bakteriell gespalten wird und seine Wirkung entfalten kann. Der Hauptwirkort ist das Colon. Die Wirkung tritt nach ca. 6-8 Stunden ein. Natriumpicosulfat gelangt ohne enterohepathischen Kreislauf ins Colon und wirkt daher etwas rascher. Die Anthrachinone liegen in natürlicher Form als Glykoside vor, die erst im Colon bakteriell gespalten werden. Die eigentlich laxativen Komponenten sind je nach Herkunft Rheinanthron (aus Senna), Aloe-Emodinanthron (aus Aloe und Cascara) und Emodinanthron aus Frangula (Faulbaum). Als Nebenwirkung von Anthrachinonen bei längerem Gebrauch kommt es zur Melanosis coli, einer braunschwärzlichen Verfärbung der Kolonschleimhaut. Die Laxantien führen zu einer Schädigung der Kolonozyten, die nach interkryptär wandern und dort von Makrophagen phagozytiert werden. Beim Abbau entsteht ein lipofuszinähnliches Pigment, das die Mukosa schwarzbraun erscheinen läßt. Die Melanosis coli ist reversibel, eine pathophysiologische Bedeutung konnte nicht nachgewiesen werden (1,7) Eine Laxantien-induzierte Schädigung des autonomen Nervensystems des Kolons ist schlecht dokumentiert. Beobachtungen sprechen eher dafür, daß beobachtete Abnormitäten des autonomen Nervensystems bereits vor der Einnahme von Laxantien vorhanden waren.

Zäpfchen und Klistiere:
Darmreizende und darmdehnende Substanzen können bei rektaler Gabe den Defäkationsreflex auslösen (Dulcolax-Suppositorien, Babylax-Miniaturklistier, Lecicarbon-Zäpfchen, Clysmol, Yal-Klistier, Microklist, Relaxyl Klistier, Laxbene-Zäpfchen).

Weitere Laxantien:
Rizinusöl sollte auf Grund seiner drastischen Wirkung nicht mehr eingesetzt werden (8). Auch das Gleitmittel Paraffin ist auf Grund seiner Nebenwirkungen (Fremdkörpergranulom, Stuhlinkontinenz) nicht mehr zweckmäßig (8). Phenolphtalein (Abführdragees "Waldheim") kann in seltenen Fällen schwere allergische Reaktionen hervorrufen und sollte daher nicht mehr verwendet werden (8). Dokusatnatrium (Purigoa: zusammen mit Bisacodyl) soll über Stuhlerweichung und Sekretionsstimulation die Darmtätigkeit anregen. Die Wirkung ist aber weniger verläßlich belegt als die der anderen Substanzen (9).

Schwangerschaft und Stillzeit:
Die Empfehlungen sind widersprüchlich. Vorsicht ist aber bei dieser Frage das beste. Abführmittel sind wenn irgendmöglich zu meiden. Wenn Quellstoffe nichts bringen und eine akute Gabe notwendig ist, sind nicht resorbierbare Disacharide (8), Bisacodyl (9) und Senna Präparate (9a) in der Schwangerschaft und in der Stillzeit Disacharide und Natriumsulfat (8, 9) am ehesten vertretbar.

 

Nebenwirkungen bei Laxantienabusus

Eine wichtige Störung stellen Elektrolytverluste dar, insbesondere die Hypokaliämie. Allerdings führt eine Einnahme von niederen (!) therapeutischen Dosen auch bei längerem Gebrauch nicht unbedingt zu dieser Störung (11,12). Der Blutkaliumspiegel war aber bei Personen, die Laxantien einnehmen, schon im Durchschnitt gegenüber Kontrollen signifikant niederer (2), bei Anwendern war auch bereits bei 3% eine deutliche Hypokäliämie (<3,2 mmo/l) zu finden (bei Nichtanwendern 1,6%). Wenn beim chronischen Gebrauch höherer Dosen einmal ein Fehlkreislauf begonnen hat, dann verstärkt die Hypokaliämie die Darmlähmung und es werden erst recht höhere Dosen von Laxantien verabreicht und eine schwere Hypokaliämie zusammen mit einem sekundären Hyperaldosteronismus kann induziert werden
Kanzerogenes Risiko: Vor allem für Anthrachinone wurde in letzter Zeit ein Kanzerogenitätsrisikos diskutiert. Untersuchungen in verschiedenen in vitro Testssystemen ergaben, daß die Anthranoidglykoside, Sennoside und Aloin keine gentoxischen Effekte aufweisen, während bei den Frangulinen eine dosisabhängige Gentoxizität festgestellt wurde. Untersucht man die freien Aglykone, zeigten Aloe-Emodin und Emodin, nicht aber Rhein, der Metabolit der Sennoside A und B, gentoxische Effekte. Aus den vorliegenden Untersuchungen zur Gentoxizität kann man schließen, daß die Sennoside und ihr Metabolit Rhein nicht gentoxisch sind, Aloe-Emodin in vitro eine gentoxische Potenz aufweist, die aber in vivo nicht relevant zu sein scheint und daßFrangula kritischer einzustufen ist, da sowohl die Glykoside als auch Emodin eine Reihe von positiven Gentoxizitätsbefunden aufweisen (7). Im Zusammenhang mit den Gentoxizitätsbefunden betreffend Aloe-Emodin und Emodin wurde die Aufmerksamkeit auf mögliche kanzerogene oder tumorpromovierende Wirkungen der Anthranoidlaxantien gelenkt. Von der experimentellen Seite her kann eine kanzerogene und tumorpromovierende Wirkung für Sennoside mit größter Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werde. Für die anderen Anthranoidlaxantien fehlen Langzeitkanzerogenitätsstudien. Aus klinischer Sicht gibt es bezüglich Kanzerogenität Daten, die nicht einheitlich sind. Aus einer großen, sorgfältig angelegten epidemiologischen Untersuchung ("The Melbourne Colorectal Cancer Study") war zu schließen, daß chronische Obstipation oder Diarrhoe, die Häufigkeit bzw. die Konsistenz des Stuhls und auch der Laxantiengebrauch keine ätiologischen Faktoren für die Entwickung eines Dickdarmkarzinoms sind (13; siehe auch zwei weitere kürzlich vorgestellte Studien: 13a). Eine andere Studie, die Pseudomelanosis coli als Indikator für einen chronischen Laxantiengebrauch heranzog, untersuchte die Koinzidenz der Pseudomelanosis coli und des rektalen Karzinoms und fand einen statistisch signifikanten Zusammenhang (1). Die Daten sind daher etwas widersprüchlich, und es verbleibt ein Unsicherheitsfaktor, woraus sich ein weiteres Argument gegen eine länger andauernde chronische Einnahme dieser Laxantien, bzw. eines für die Verwendung von alternativen Präparaten ergibt. Ende 1996 hat das Deutsche Bundesgesundheitsamt für diese Laxantien eine Anwendungsbeschränkung auf 2 Wochen angeordnet.

Schlußfolgerungen: Für eine akute oder kurzzeitige Gabe kommen osmotische Laxantien, Anthrachinone und Diphenylmethanpräparate in Betracht. Laxantien (außer Quellmittel) stellen keine zweckmäßige Therapie für die chronische Obstipation dar. Bei chronischer Verwendung höherer Dosen (Abusus) kommt es vor allem zu Elektrolytstörungen (Hypokaliämie), eine karzinogene Wirkung von Anthrachinonen bei jahrelangem Gebrauch wurde diskutiert (siehe oben).

Literatur:
(1) Z. Gastroenterol. 30, 418, 1992
(2) Bundesgesundhbl. 38, 459, 1995
(3) D. med. Wschr. 120, 485, 1995
(4) Naunyn-Schmiedeberg's Arch. Pharmacol 305, 241, 1978
(5) J.Pharm.Pharmacol. 37, 248, 1985
(6) Pharmacol. 36, suppl.1, 98, 1988
(7) Medizinisches Jahrbuch 9, 203, 1994
(8) Pharmakritik 11, 65, 1989
(9) Arzneimittel i.d. Schwangerschaft. Wissensch. Verl. Stuttgart, 1995
(9a) Drug Safety 10, 47, 1994
(10) Drugs and Aging 6, 465, 1995
(11) Ärztl. Praxis 28, 563, 1976
(12) Therapiewoche 30, 5836, 1980
(13) Z. Gastroenterol. 31, 140, 1993
(13a) DAZ 137,74,1997
(14) Dis. Colon. Rectum 31, 501, 1988

 

Simethicon

Simethicon ist eine Mischung von Silikon Polymeren, die durch Senkung der Oberflächenspannung Gasblasen fusionieren und damit Schaum reduzieren können. Dies kann bei Gastroskopien und Ultraschall-untersuchungen von Vorteil sein, um bessere Bilder zu bekommen. Simethicon wird aber auch als Arzneimittel propagiert (Monopräparate: Lefaxin, SAB-Simplex, Kombinationen:Disflatyl, Helopanflat) die für folgende Indikationen bei Erwachsenen und Säuglingen verwendet werden: Völlegefühl, Meteorismus, Flatulenz, Gasbildung nach Operation, Diaphragma-Hochstand mit Herzbeschwerden. Der amerikanische Medical Letter (38,57,1996) hat nun diese Indikationen aufgrund von neueren Doppelblindstudien (Digestion 49,227,1991; J.Perinat.Neonat.Nurs. 4,12,1990; Pediatrics 94,29,1994) bei Erwachsenen und Kindern bewertet und ist zu folgendem Schluß gekommen: Es gibt keine überzeugenden Beweise, daß Simethicon allein oder in Kombination eine effektive Behandlung von Aufstoßen, Flatulenz oder für irgendein anderes Symptom, ausgelöst durch einen Überschuß an Darmgas darstellt. Psychosomatische Störungen werden oft gerade in den Magen/Darm Bereich projeziert, es ist daher nicht verwunderlich, daß Substanzen hier oft eine Placebowirkung entfalten können. Dies gilt auch für Säuglinge, wo schon die Mutter, wenn sie an das Medikament glaubt, einen wichtigen Teil der Placebowirkung darstellt. Wirksame Substanzen müssen aber besser als Placebo sein und dies scheint laut Medical Letter für Simethicon trotz so schön suggestiver Markennamen (nur Flatobene fehlt) nicht der Fall zu sein. Wir werden demnächst diskutieren, daß auch das sogenannte Reizkolon so wie das "Gasvöllegefühl" ein schwieriges therapeutisches Gebiet (ebenfalls mit hoher Placebowirkung) darstellt.

 

Neu registriert: Naltrexon (Revia)

Auch diese Substanz ist zur "medikamentösen Unterstützung bei der chronischen Alkoholentwöhnungsbehandlung" zugelassen. Naltrexon ist ein reiner Morphinantagonist, der auch die endogenen Endorphine hemmen kann. Es wird spekuliert, daß über die Blockade dieser "euphorisierenden" Stoffe das "craving", das Verlangen nach Alkohol, reduziert wird (1) und damit beim Alkoholentzug die Rückfallrate vermindert werden kann. Aber auch hier sind bei mangelnder Kenntnis genauer Mechanismen klinische Studien relevant. Zwei Doppelblindstudien, allerdings nur an insgesamt 2x93 Patienten, wurden durchgeführt, die zur Zulassung dieses Präparats in den USA führten (1). Für beide Studien zusammen waren nach 3 Monaten in der Placebogruppe von 93 Kranken 28 völlig abstinent, in der Naltrexon-Gruppe 50. An Nebenwirkungen waren Übelkeit, Schwindel und Gewichtsverlust in der Naltrexongruppe häufiger (ca. 30%) als in der Placebogruppe (3). Leider wurde die eine Naltrexon-Studie schon nach 3 Monaten beendet. Die Patienten einer anderen Studie wurden allerdings über weitere 6 Monate ohne Medikation weiterverfolgt. Hier zeigt sich das enttäuschende Resultat, daß die Unterschiede gegen die frühere Placebogruppe bezüglich voller Abstinenz schon nach 1 Monat verschwunden waren und nur mehr das Ausmaß des Trinkens in der früheren Naltrexon-Gruppe länger niederer blieb (4). Ob bei längerer Gabe (über 3 Monate hinaus) von Naltrexon positive Wirkungen bestehen bleiben ist derzeit nicht feststellbar. Auch bezüglich der Nebenwirkungen bei langer Gabe wären Daten wünschenswert. In hohen Dosen macht Naltrexon eine Erhöhung der Leberenzyme, dies soll aber bei weiterer Behandlung reversibel sein (5). Ein Vergleich mit Acamprosat ist schwierig: Nach 3 Monaten zeigen Naltrexon und Acamprosat ähnliche Abstinenzraten. Nach Absetzen von Naltrexon war die Abstinenzrate in kurzer Zeit nicht mehr von der ursprünglichen Placebogruppe zu unterscheiden. Andererseits war Acamprosat über 1 Jahr effektiv und auch nach Absetzen waren dann bis zum 2. Jahr Unterschiede zur Placebogruppe vorhanden. Aufgrund der derzeit vorliegenden Daten ist daher eine Dauerwirkung von Acomprosat besser belegt. Es erscheint auch nebenwirkungsärmer.

Literatur:
(1) Amer. J. Psych. 152, 613, 1995
(2) Psych. Ann. 25, 681,1 995
(3) Arch. Gen. Psych. 49, 881, 1993
(4) Arch. Gen. Psych. 53, 217, 1996
(5) J. Clin. Pharmacol. 34, 898, 1994

 

Neu registriert: Dorzolamid (Trusopt)

Dorzolamid ist der erste Carboanhydrasehemmer, der für die lokale Behandlung am Auge zugelassen wurde. Das Enzym Carboanhydrase findet sich, abgesehen von der Niere, im Ziliarkörper des Auges und ist für die Produktion von Kammerwasser wichtig. Eine Hemmung des Enzyms bewirkt eine Senkung der Kammerwasserproduktion, wie sie bei der Glaukombehandlung erwünscht ist. Bis jetzt wurden Acetazolamid (Diamox, Acetacolamid "Agepha") und Diclofenamid (Glaucol) als oral verabreichter Carboanhydrasehemmer verwendet. Es erscheint zweckmäßig auch Carboanhydrasehemmer lokal zu verabreichen, wie dies für Betablocker (Timolol: Timolol "Leiras", Timoptic und Betaxolol: Betoptic) schon lange üblich ist. Für Betablocker darf allerdings nicht übersehen werden, daß auch bei lokaler Behandlung lebensgefährliche systemische Nebenwirkungen auftreten können und aufgetreten sind, sodaß Kontraindikationen wie Herzinsuffizienz und obstruktive Lungenerkrankungen unbedingt zu beachten sind.
Dorzolamid wurde kürzlich von der Pharmakritik (1) ausführlich bewertet. Wir konzentrieren uns daher auf einige wesentliche Punkte und übernehmen die Schlußfolgerungen der Pharmakritik.
Neben mehreren kleineren Studien liegt eine große multizentrische Studie an 523 Patienten mit Weitwinkelglaukom vor (2), die über ein Jahr behandelt wurden. Es wurde Dorzolamid mit den Betablockern Timolol und Betaxolol verglichen. Die Senkung des Augeninnendruckes durch Dorzolamid war vergleichbar mit der von Betaxolol, Timolol war etwas stärker wirksam. Zugabe von Dorzolamid zur Betablockertherapie, wenn diese nicht ausreichte, führte zu einer weiteren Senkung des intraokulären Druckes. Als Nebenwirkungen von Dorzolamid, die häufiger waren als in der Betablocker-Gruppe, wurde von 27% der Patienten ein bitterer Geschmack im Mund, bei 12% der Patienten ein Brennen in den Augen gefunden. Hinweise auf systemische Effekte der Carboanhydrasehemmung wurden nicht erhalten.

Zusammenfassung: (siehe 1) 
Für Personen, die andere lokale Glaukomtherapien (insbesondere Betablocker-Augentropfen) schlecht vertragen (oder wenn Kontraindikationen vorliegen) stellt Dorzolamid eine wirksame Alternative dar.
Es verursacht relativ häufig lokale Nebenwirkungen, löst aber nach bisherigen Erfahrungen keine schwerwiegenden systemischen Effekte aus. Als Zusatzmedikation kann Dorzolamid eine praktisch relevante weitere Senkung des intraokulären Druckes bewirken.

Literatur:
(1) Pharmakritik 17,55,1995
(2) Arch.Ophthal. 113,1009,1995

 

Neu registriert: Acamprosat (Campral)

Acamprosat ist zur "Unterstützung der Aufrechterhaltung der Abstinenz beim alkoholabhängigen Patienten" registriert.
Welche zentralen biochemischen Mechanismen letztlich zur Abhängigkeit und zu Entzugssymptomen bei Suchtgiften wie Opiaten und Alkohol führen ist zwar vielfältig untersucht worden, wirklich belegte Konzepte fehlen aber noch immer. Für Alkohol ist bekannt, daß er im Gehirn die hemmenden GABA-Rezeptoren aktiviert, was zu einer Hinaufregulation erregender Glutamatrezeptoren führen soll. Eine Überzahl der letzteren würde dann im Entzug zu den entsprechenden Symptomen führen (1). Acamprosat soll einerseits GABA-Rezeptoren aktivieren, bzw. nach neueren Studien (2) Glutamatrezeptoren hemmen. Acamprosat soll aber keine sedierenden, anxiolytischen oder muskelrelaxierende Eigenschaften haben. Im Tierversuch (Ratten) reduziert es die Aufnahme von Alkohol (3). Offensichtlich ist aber für die Bewertung einer Substanz, die beim komplexen Geschehen der Alkoholabstinenz etwas beitragen soll, der klinische Versuch entscheidend. 
Zwei große Studien, die offensichtlich gut geplant waren, geben hier eine relativ klare Antwort. Eine österreichische Studie, die in Lancet (4) veröffentlicht wurde untersuchte 2x224 Patienten/innen über ein Jahr. Auffällig für diese aber auch die folgende Studie sind, was wahrscheinlich bei dieser Krankheit nicht verwunderlich ist, hohe Ausfallsraten (Rückfälle, Nichterscheinen zur Kontrolle, mangelnde Bereitschaft Studie fortzusetzen), sodaß nach einem Jahr von den 224 Patienten/innen in jeder Gruppe nur mehr 94 in der Acamprosat- und 85 in der Placebo-Gruppe verblieben. 41 (18,3% der in die Studie Eingetretenen) der Patienten/innen in der Acamprosatgruppe bzw. 16 (7,1%) in der Placebo-Gruppe waren nach 1 Jahr durchgehend abstinent. Nach einem 2. Jahr ohne weitere Behandlung waren die Zahlen 27 versus 11 Patienten/innen. Nach 2 Jahren hatte also die Therapie gegenüber Placebo von 224 Patienten/innen 16 dauernd abstinent gemacht. An Nebenwirkungen waren nur Durchfälle in der Acamprosat- höher als in der Placebo-Gruppe. 
In einer zweiten ähnlich geplanten Studie (5) an 2 x 135 Patienten wurden letztlich ähnliche Daten erhalten. Auch hier war die drop out Rate hoch (60% in der Placebo-, 41% in der Acamprosat-Gruppe). Nach 1 Jahr waren in der Acamprosatgruppe 35 (26% der in die Studie Eingetretenen) und in der Placebo-Gruppe 14 (10%) durchgehend abstinent, nach 2 Jahren waren die Zahlen 27 versus 6 Patienten/innen. Hier machte also die Therapie von 135 Patienten 21 längerdauernd abstinent. Für die Nebenwirkungen waren keine signifikanten Unterschiede zwischen Verum- und Placebo-Gruppe zu finden. 
Diese zwei großen Studien belegen, daß Acamprosat eine gut verträgliche Substanz ist, die bei Alkoholikern einen gewissen Beitrag zur Abstinenz leisten kann. Nach einem Jahr Behandlung sind gegenüber Placebo 11-16% der behandelten Patienten kontinuierlich zusätzlich abstinent (einschließlich der Placebowirkung 18-26%). Je nach Gesichtspunkt kann man dies als bescheidenen Effekt oder als einen signifikanten Erfolg bei dieser so therapieresistenten Erkrankung betrachten. Ob sich diese Zahlen mit einem gleichzeitigen intensivem psychosozialen Programm verbessern lassen wird sich zeigen. Zu befürchten ist, daß die "Erfolgsrate" bei einer Verschreibung in der Praxis ohne derartige zusätzliche Programme nicht haltbar sein wird und damit die Abstinenzrate sich reduziert. Dem Vorschlag einer Studiengruppe (4) ist daher zuzustimmen: Vielleicht sollte die Verwendung von Acamprosat spezialisierten Zentren mit entsprechenden Entwöhnungs-Programmen vorbehalten bleiben, um ungezielte, und damit letztlich ineffektive Verabreichungen dieses Medikaments zu vermeiden.

Literatur:
(1) Trends in Pharmacol. Sciences 13,206,1992
(2) Eur.J.Pharmacol. 231,47,1993
(3) Arzneimittelbrief 30,92,1996
(4) Lancet 347,1438,1996
(5) Arch.gen.Psych. 53,673,1996.


 

P.b.b. Erscheinungsort Verlagspostamt 1010 Wien

Montag, 6. Oktober 1997

Pharmainformation

Kontakt:

em.Univ.Prof.Dr.
Hans Winkler 

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