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Editorial
Wir besprechen dieses Mal das wichtige Kapitel des Asthma bronchiale. Hier hat sich in den letzten Jahren im internationalen Bereich eine Umstellung zur vermehrten Verwendung von inhalativen Cortisonpräparaten ergeben. In der letzten Zeit ist die Therapie mit ß2-Mimetica, insbesondere was ihre Sicherheit und Wirkung bei hohen Dosen und Dauertherapie betrifft, in Diskussion geraten. Es ist derzeit nicht klar festzustellen, ob die nun gerade erfolgende Registrierung von lange wirksamen (bis 12h) ß2-Mimetica möglicherweise gar nicht den derzeit so propagierten Durchbruch darstellt, oder nur für sehr ausgewählte Fälle zweckmäßig ist.
Wir besprechen dieses Mal wieder eine neu registrierte Substanz und werden weitere in der nächsten Info besprechen.
Das BM für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz sendet seit Jahren an alle Ärztinnen und Ärzte sogenannte UAW Meldekarten (für nerwünschte Arzneimittel-Wirkungen) aus. Diese Meldemethode hat sich seit langem im Ausland bewährt und hat bewirkt, daß für manche Arzneimittel Schäden für Patienten früh erkannt wurden und entsprechende Maßnahmen gesetzt werden konnten, bevor größere Zahlen von Patienten betroffen waren. Das System hängt von einer intensiven Mitarbeit der Ärzteschaft ab. In Österreich sollten diese Meldungen noch verstärkt erfolgen. Wir sollten auch in diesem Bereich nicht vom Ausland abhängig sein. Meldungen dienen nur der Risikoerfassung und werden daher vertraulich behandelt. Der Name des Arztes/Ärztin ist daher nur für eventuelle Rückfragen anzugeben.
Therapie des Asthma bronchiale
C. Prior und A. Frank, Innsbruck
Das Asthma bronchiale ist die einzige behandelbare Erkrankung, deren Inzidenz und Mortalität in der westlichen Welt ansteigt. Schätzungsweise leiden in Europa mehr als 5% der Bevölkerung an Asthma (1).
Asthma wird definiert als periodisch auftretende, generalisierte Verengung der Atemwege, die sich in kurzer Zeit spontan oder unter Therapie zurückbildet. Wohl sind zahlreiche auslösende Faktoren bekannt, jedoch ist die Ursache für die verstärkte Reagibilität der Atemwege bei Asthmatikern unbekannt. Es ist unklar, ob die verschiedenen Formen des Asthma (exogen-allergisch, intrinsisch, durch Anstrengung ausgelöst, Berufsasthma) auf einen gemeinsamen Defekt zurückgeführt werden können oder ob es sich um unterschiedliche Krankheitsbilder mit gleicher "Endstrecke" handelt.
Die alte Vorstellung von Asthma als reiner "Bronchospasmus" wurde abgelöst vom Konzept von Asthma als chronisch entzündliche bzw. allergische Erkrankung der Bronchien. Am entzündlichen Prozeß sind eosinophile und basophile Granulozyten, Makrophagen, Lymphozyten, Gefäßendothelien und bronchiale Epithelzellen beteiligt. Die von den aktivierten Entzündigungszellen freigesetzten Mediatoren und Wirkstoffe sind für die pathologisch-anatomischen und funktionallen Veränderungen verantwortlich. Für die Zerstörung der Epithelschicht werden toxische, von Eosinophilen freigesetzte Proteine (major basic protein, eosinophil cationic protein, eosinophil-derived neurotoxin) verantwortlich gemacht. Die vermehrte Gefäßpermeabilität und die Kontraktion der glatten Bronchialmuskulatur werden durch die Wirkung von Lipidmediatoren (Prostaglandin D2 und F2alpha, Leukotrien C4 und D4, platelet activating factor=PAF), biogenen Aminen (Histamin, Bradykinin) und Neuropeptiden (Substanz P, Neurokinin A, calcitonin gene related peptide) hervorgerufen (1). Neben den Entzündungszellen ist auch das cholinerge autonome Nervensystem durch Verstärkung der Schleimsekretion und durch eine verstärkte bronchokonstriktorische Aktivität an der Pathogenese beteiligt.
Asthma bedarf immer einer Langzeitbehandlung. Das Ziel therapeutischer Maßnahmen ist neben der Beherrschung akuter Anfälle die anhaltende Unterdrückung der bronchialen Hyperreagibilität, wodurch Anfälle vermieden und die Lungenfunktion auf einem annähernd normalen Niveau gehalten werden können.
Dieser Artikel befaßt sich mit medikamentösen Therapiemaßnahmen beim erwachsenen Asthmatiker. Auf die Asthmabehandlung im Kindesalter, die sich nicht grundsätzlich von der beim Erwachsenen unterscheidet, und die nicht-medikamentösen therapeutischen und prophylaktischen Maßnahmen wird an dieser Stelle nicht eingegangen.
Medikamente zur Asthmatherapie
Corticosteroide
Corticosteroide bilden heute die Basis der Langzeittherapie des Asthma. Sie unterdrücken die Mediatorsekretion von Makrophagen und Eosinophilen (nicht aber von Mastzellen), verhindern die Einwanderung von Entzündungszellen in die Bronchialschleimhaut, vermindern die gesteigerte Gefäßpermeabilität und wirken der Down-Regulation der Beta-2-Rezeptoren an der Bronchialmuskulatur entgegen. Corticosteroide zeigen beim akuten Anfall keine Sofortwirkung. Ihre Rolle in der Asthmatherapie besteht in der Unterdrückung der chronischen Entzündungsreaktion in den Atemwegen.
Die bevorzugte Art der Verabreichung ist die lokale Gabe durch Inhalation. Substanzen wie Beclomethason-Dipropionat (Becotide Dosieraerosol, Becotide zur Trockeninhalation) und Budesonid (Pulmicort) haben eine ausgeprägte lokale Wirkung bei minimaler Resorption. Eine zwölfstündige Gabe ist bei den meisten Patienten ebenso wirksam wie eine sechsstündige (1).
Bei Dosen unter 400 mg/Tag sind Nebenwirkungen selten. Es ist wichtig, dem Patienten klarzumachen, daß diese Verabreichungsform bezüglich der Nebenwirkungen völlig anders zu bewerten ist als eine orale "Cortisondauertherapie". Bei höherer Dosierung wird das Auftreten oraler Soorinfektionen und von Heiserkeit beobachtet. Inhalationshilfen (Volumatic, Nebulator) verbessern nicht nur die Bioverfügbarkeit, sondern senken auch die Nebenwirkungsrate und sind bei Tagesdosen von 800 mg und darüber indiziert. Eine systemische Wirkung inhalierter Steroide wird bei Erwachsenen erst bei Tagesdosen von 1,6 bis 2,0 mg beobachtet.
Eine systemische Gabe von Corticosteroiden ist im akuten schweren Asthmaanfall (zusätzlich zu anderen Medikamenten, da eine Cortisonwirkung nicht sofort eintritt), als Kurzzeittherapie nach akuter Exazerbation und in Einzelfällen (unter 1% aller Fälle) als Dauertherapie indiziert.
Beim akuten schweren Asthmaanfall erfolgt üblicherweise eine intravenöse Steroidgabe (2,3). Nach einem Anfall oder im Rahmen einer infektinduzierten Exazerbation ist eine ca. zweiwöchige Therapie mit 20 bis 40 mg Prednisolonäquivalent pro Tag angezeigt. Gelegentlich ist neben der morgendlichen noch eine abendliche Dosis erforderlich, die ein Drittel der Tagesdosis betragen sollte. Bei derartig kurzer Anwendung wird keine Suppression der Nebennierenrinde beobachtet, und ein Ausschleichen ist daher nicht erforderlich. Bei Notwendigkeit (siehe unten) einer Dauertherapie mit oralen Steroiden sollte die Gabe als morgendliche Einzeldosis erfolgen. Die inhalative Steroidabgabe muß fortgesetzt werden. Die Nebenwirkungen einer systemischen Dauertherapie mit Corticosteroiden sind bekannt (Osteoporose, Femurkopfnekrosen, Magen-/Duodenalulzera, Gewichtszunahme und Umverteilung der Fettdepots, Hypertonie, Diabetes mellitus, Hautatrophie, Katarakt, Myopathie, Steroidpsychose). Von einer monatlichen intramuskulären Verabreichung von Triamcinolonazetonid (Volon) wurde wegen häufiger Nebenwirkungen üblicherweise abgeraten (1), doch zeigt eine neuere Studie therapeutische Vorteile dieser Behandlung bei besonders schweren Verlaufsformen (4).
Mastzellendegranulationshemmer
Dinatriumcromoglicat (DNCG; Intal) gehört - wie die topischen Corticosteroide - zu den entzündungshemmenden Substanzen und besitzt keine Sofortwirkung im akuten Anfall. Die entzündungshemmende Potenz ist geringer als jene der Steroide. Es kommt zu einer Hemmung der Mediatorsekretion durch Mastzellen, möglicherweise auch durch Makrophagen oder Eosinophile. Nach Inhalation von DNCG wird die Reaktion auf Allergenkontakt, körperliche Anstrengung, Kaltluftinhalation und Reizgasexposition gehemmt.
Klinisch ist das Präparat bei exogen-allergischem Asthma und beim anstrengungsinduzierten Asthma am besten wirksam, jedoch profitiert ein Teil der Patienten mit intrinsischem Asthma. DNCG ist nur in inhalativer Form wirksam. Ursprünglich wurde eine Pulverpräparation angeboten, jetzt sind auch eine Inhalationslösung sowie ein Dosieraerosol (Ditec, leider nur als Kombinationspräparat mit Betamimetikum: siehe unten) erhältlich. Wegen der kurzen Wirkdauer müssen alle Präparationen viermal täglich angewandt werden; als Alternative wird auch die gezielte prophylaktische Gabe (vor Allergenkontakt, vor dem Sport) empfohlen. Nebenwirkungen sind - mit Ausnahme eines Reizgefühls im Hals nach Pulverinhalation - nicht bekannt.
Ketotifen (Zaditen) ist ein Histamin-H1-Antagonist, verhindert die Freisetzung von Leukotrienen in vitro und wirkt als PAF-Antagonist. Die klinische Wirksamkeit ist umstritten (1). Als einzige Nebenwirkung wird Müdigkeit beschrieben. Nedocromil (Tilade) hat eine protektive Wirkung gegen Histamin- und allergen-induzierte Bronchokonstriktion (5) und unterdrückt die allergische Spätreaktion. Nedocromil kann möglicherweise den Bedarf an inhalativen Steroiden herabsetzen, was von Nutzen sein kann, wenn hohe Dosen dieser Substanzen notwendig sind oder sie zu lokalen Nebenwirkungen führen. Die Gabe erfolgt als Dosieraerosol. Nebenwirkungen sind selten und umfassen Kopfschmerzen, Übelkeit und Benommenheit.
Beta-2-Sympathomimetika
Beta-2-Sympathomimetika sind die wirksamsten derzeit erhältlichen Bronchodilatatoren. Die Wirkung erfolgt über Stimulation von ß2-Rezeptoren an der glatten Bronchomuskulatur. Die Wirkung wird durch Hemmung der Acetylcholinfreisetzung von postganglionären cholinergen Neuronen verstärkt. Mastzellen besitzen ebenfalls ß2-Rezeptoren; ihre Stimulation durch ß2-Agonisten wirkt durch Hemmung der Mediatorsekretion auch entzündungshemmend. ß2-Stimulantien führen weiters zu einer Beschleunigung der Zilienschlagfrequenz und zu einer Reduktion der Schleimproduktion. Klinisch zeigen ß2-Stimulantien einen raschen Wirkungseintritt bei akuten Anfällen und können auch prophylaktisch eingesetzt werden. Die Spätreaktion und der Grad der bronchialen Hyperreaktivität werden nicht beeinflußt, wahrscheinlich deshalb, weil Mekrophagen und Eosinophile nicht gehemmt werden.
Die optimale Wirkung wird bei inhalativer Gabe als Dosieraerosol, Pulverinhalation oder mittels Inhalationslösung entfaltet. Die meisten derzeit im Handel befindlichen Präparate (Terbutalin: Bricanyl; Fenoterol: Berotec; Salbutamol: Sultanol; Hexoprenalin: Ipradol), haben eine Wirkungsdauer von 3 bis 6 Stunden und müssen daher zumindest viermal täglich angewandt werden, um eine zirkadiane protektive Wirkung erzielen zu können. Naturgemäß hält die Wirkung nicht über die ganze Nacht bis in die früheren Morgenstunden, und gerade dann treten beim Asthmatiker häufig Atemnotattacken auf. Aus dieser Überlegung heraus wurden langwirksame Präparationen inhalativer ß2-Stimulantien entwickelt (Salmeterol, Formoterol), die eine Wirkdauer von 12 Stunden besitzen und deren antiinflammatorische Aktivität wesentlich ausgeprägter als jene der herkömmlichen ß2-Stimulantien sein soll (6). Diese Eigenschaften dürften die bevorzugte Verwendung dieser Präparate durch die Patienten erklären (6). Andererseits läßt jedoch die erst kürzlich beschriebene Beobachtung, daß eine Dauerbehandlung mit ß2-Mimetika zu schlechteren klinischen und lungenfunktionellen Langzeitergebnissen führt als eine Gabe "bei Bedarf" (7), zur Zurückhaltung in der Bewertung dieser Präparate mahnen. Auch erscheint es unwahrscheinlich, daß die langwirksamen ß-Agonisten für die Selbstbehandlung leichter Atemnotanfälle empfohlen werden können, so wie dies für die kurz wirksamen Präparate der Fall ist.
Wenn eine inhalative Gabe nicht praktizierbar ist (etwa bei hochgradiger Atemwegsobstruktion während eines schweren Anfalls oder bei Fehlen eines Inhalationsgerätes oder einer Inhalationshilfe), muß auf die parenterale Gabe zurückgegriffen werden (z.B. Terbutalin: Bricanyl subkutan oder als Infusion). Nebenwirkungen wie Tachykardie, Rhythmusstörungen und Tremor treten bei parenteraler Gabe häufiger auf als bei Inhalation, dasselbe gilt für die (ohnehin wenig wirksame und daher meist unzweckmäßige) orale Gabe in Form von Retardpräparaten (Bremax, Bricanyl Tbl., Bricanyl duriles retard, Spiropent, Alupent Tbl., Ipradol Tbl., Sultanol Tbl.), die ihren Platz lediglich in der Prophylaxe nächtlicher Anfälle haben (siehe unten).
In der letzten Zeit wurde die Frage vermehrt diskutiert, ob die unkontrollierte Verwendung von inahaltiven ß2-Sympathomimetika zu therapiebedingten Todesfällen führen kann (8,9). Dies könnte durch das Auslösen von Herzrhythmusstörungen und/oder Hypokaliämien bedingt sein (8). Das höchste Risiko wurde bei der Verwendung von Fenoterol (Berotec) berichtet (8), wobei diese noch umstrittene Beobachtung möglicherweise auf die Verwendung einer höheren Dosis bei dieser Substanz zurückzuführen ist. Auf jeden Fall darf nicht außer Acht gelassen werden, daß alle diese Substanzen trotz einer gewissen ß2-Selektivität auch auf das Herz und den Kaliumstoffwechsel wirken können und eine zu freizügige und unkontrollierte Dosierung vermieden werden muß. Die älteren ß2-Stimulantien ohne ß2-spezifische Wirkung (Orciprenalin: Alupent, Isoprenalin: Medihaler-iso-Spray) sollten überhaupt nicht mehr verwendet werden.
Parasympatholytika
Ipratropiumbromid (Atrovent) ist die einzige anticholinerge Substanz, die in therapeutisch anwendbaren Dosen eine Dilatation der Bronchialmuskulatur bewirkt. Ipratropiumbromid wirkt als kompetitiver Antagonist an den muskarinartigen Azetylcholinrezeptoren an der glatten Bronchialmuskulatur, wodurch der von vagalen efferenten Fasern aufrechterhaltene Tonus gehemmt wird. Die bronchodilatatorische Wirkung ist schwächer als jene der ß2-Mimetika, der Wirkungseintritt erfolgt langsamer und es besteht keine Wirkung auf die Mediatorsekretion, durch Enzündungszellen. Klinisch ist Ipratropiumbromid am besten bei älteren Patienten wirksam, die an chronischer Bronchitis und Lungenemphysem mit reversibler Komponente der Atemwegsobstruktion leiden. Es eignet sich auch als Ausweichpräparat, wenn ß-Mimetika wegen kardialer Nebenwirkungen kontraindiziert sind. Die Verabreichung erfolgt als Dosieraerosol (Atrovent). Nur wenn die Einzelsubstanzen nicht ausreichend wirksam sind, kann eine Kombination mit einem ß-Mimetikum verwendet werden (Berodual, Berodualin). Nebenwirkungen sind sehr selten und meist durch stabilisierende Zusätze in den Aerosolpräparaten und Inhalationslösungen bedingt.
Methylxantine
Methylxanthine, insbesondere Theophyllin, sind weniger stark bronchodilatatorisch wirksam als ß-Mimetika. Die Wirkung erfolgt hauptsächlich über einen Antagonismus an Adenosinrezeptoren, eine Hemmung der intrazellulären Calciumfreisetzung und eine Stimulation der Katecholaminfreisetzung. Ein gewisser antiinflammatorischer Effekt wird vermutet, da die allergische Spätreaktion gehemmt werden kann.
In der Basistherapie beschränkt sich die Rolle auf die Prophylaxe nächtlicher Attacken durch Gabe von retardierenden oralen Präparationen (Aerodyne ret, Afonilum ret, Euphyllin retard, Theospirex ret, Mundiphyllin ret, Pulmidur ret, Unifyl ret) vorzugsweise als abendliche Dosis. In der Therapie des akuten Asthmaanfalles haben sich die injizierbaren Präparationen Aminophyllin (Euphyllin) und Theophyllin-Glycinat (Theospirex) trotz der vergleichsweise schwachen bronchodilatatorischen Wirkung bewährt, möglicherweise wegen des zusätzlichen kontraktilitätssteigernden Effekts auf die Atemmuskulatur. Bei Herzinsuffizienz, chronischer Lebererkrankung, Virusinfekten oder gleichzeitiger Gabe von Erythromycin, Ciprofloxacin und Cimetidin ist die Dosis zu reduzieren, bei Rauchern und bei gleichzeitiger Verabreichung von enzyminduzierenden Pharmaka (Barbiturate, Carbamazepin, Phenytoin, Rifampicin) ist eine höhere Dosis erforderlich. Häufige Nebenwirkungen sind Magenschmerzen, Übelkeit, Herzrhythmusstörungen, Kopfschmerzen und gelegentlich epileptische Anfälle. Wegen der eher schwach antiasthmatischen Wirkung, der häufigen Nebenwirkung und der komplexen Pharmakokinetik ist Theophyllin den heute empfohlenen Mitteln, nämlich Steroiden und Betamimetika, weit unterlegen. Dennoch werden in unseren Breiten Theophyllinpräparate noch immer häufig anstelle wirksamer Asthmamedikamente verwendet.
Mukolytika
Bromhexin (Bisolvon, Bisolvotin) und Ambroxol (Mucosolvan) werden als Expektorantien und Mukolytika angeboten. Kontrollierte Studien haben die Wirksamkeit dieser Substanzen nicht beweisen können (5). Eine subjektive Besserung ist nicht immer mit einer spirometrisch faßbaren Besserung verbunden, und Erniedrigung der Sputumviskosität korreliert ebenfalls nicht regelmäßig mit subjektiver oder objektiver Besserung.
In jüngster Vergangenheit kamen orale Präparationen von N-Acetyl-Cystein auf den Markt (Aeromuc, Pulmovent, Acedyn-Granulat, Cimexyl-Granulat, Mucret ret Tbl.). Die mukolytische Wirkung beruht auf der Fähigkeit, Disulfidbrücken zwischen den Glykoproteinketten im Schleim zu spalten. Bei Patienten mit chronischer Bronchitis kommt es zu leichterem Aushusten und zu grenzwertig signifikanten Besserungen der Lungenfunktion (5). N-Acetyl-Cystein scheint demnach den anderen mukolytischen Substanzen überlegen zu sein. Nebenwirkungen sind selten, doch können Übelkeit, Benommenheit, Rhinorrhö, Schüttelfrost, Bronchospasmus und Fieber auftreten. Für eine endgültige Bewertung in der Therapie des Asthma bronchiale sind jedoch noch mehr kontrollierte Langzeitstudien erforderlich. Insbesondere die Auslösung von Bronchospasmen durch diese Substanz erscheint problematisch. Eine inhalative Gabe (Mucomyst) ist bei Asthmatikern auf jeden Fall nicht zweckmäßig.
Mischpräparate
Der Austria-Codex enthält eine große Anzahl an Mischpräparaten aus Sympathomimetika (z.B. Ephedrin), Mucolytica, Papaverin, Theophyllin, Atropin bzw. Belladonna und Barbituraten (Asthma-Hilfe Dr. Weber, Asthma 23D, Broncho-Euphyllin, Bronchovydrin, Brondiletten, Ambredin, Asthma-Bisolvon, Asthma-Efeum, Asthma-Frenon, Asthma-Longoral, Bellasthman, Dexa-Bronchisan, Bronchisan, Marax, Mucospas, Perphyllon, Perspiran protahiert, Snap-Tbl., Prospirol, Spirbon). Eine individuelle Dosierung der Einzelkomponenten, wie sie für eine rationale Therapie unumgänglich ist, wird durch diese Präparationen unmöglich.
Außerdem sind einige der verwendeten Komponenten nicht von gesichertem Wert oder gar kontraindiziert. So kann ein Barbituratzusatz zu mißbräuchlichem Dauergebrauch führen; Papaverin sollte laut Deutschem Bundesgesundheitsamt (BgBl, S.1406,1990) überhaupt nicht mehr verwendet werden. Orales Ephedrin und Atropin haben in therapeutischer Dosierung zahlreiche Nebenwirkungen. Die Verschreibung derartiger Mischpräparate in der Asthmatherapie muß daher als obsolet betrachtet werden.
Die starre Kombination von ß2-Mimetika mit inhalativen Steroiden (Ventide Dosieraerosol) oder DNCG (Ditec) erscheint wenig zweckmäßig.
Asthma als Medikamentennebenwirkung
Bei Asthmatikern sind Betablocker (auch sogenannte kardioselektive) kontraindiziert, da sie Asthmaanfälle auslösen können; dies gilt auch für die topische Anwendung zur Glaukomtherapie.
Bei Patienten mit "Aspirinintoleranz" können die meisten nichtsteroidalen Analgetika/Antiphlogistika auch in niedrigsten Dosen schwere Asthmaanfälle auslösen. Am besten eignet sich noch Paracetamol als Alternative (siehe Pharmainformation II/1,1987). Im Rahmen von anaphylaktischen Reaktionen (z.B. auf jodhaltige Kontrastmittel oder bei Hyposensibilisierungsbehandlung) können schwere bronchospastische Reaktionen auftreten, wobei die Primärtherapie in der langsamen intravenösen Gabe von Adrenalin (Suprarenin) und einer hochdosierten Steroidgabe besteht.
Vorgehen in der Praxis
Die wichtigsten Asthmatherapeutika sind als inhalative und systemische Präparationen erhältlich. Wann immer möglich, sollte der inhalativen Applikation wegen der besseren Wirkung und der geringeren systemischen Nebenwirkungen der Vorzug gegeben werden. Die verbreitetste Form der Inhalationstherapie ist das Dosieraerosol, dessen richtige Anwendung mit dem Patienten geübt und überprüft werden muß. Manche Patienten können die Technik jedoch nicht erlernen, in diesem Fall ist die Verwendung der (umweltfreundlicheren) Pulverkapseln anzuraten. Der Nachteil dieser Präparation liegt darin, daß eine gewisse inspiratorische Kraft notwendig ist, um den Mechanismus in Gang zu setzen. Schließlich besteht die Möglichkeit der Inhalation über einen elektrisch betriebenen Kompressor oder Ultraschallvernebler. Die Wirksamkeit ist der der Aerosole vergleichbar (eine korrekte Aerosol-Technik vorausgesetzt).
Ausgehend von der Vorstellung, daß das Krankheitsbild "Asthma" seinen Ausgang von einer chronischen Entzündung der Bronchien nimmt, bilden heute antiinflammatorisch wirksame Medikamente die Grundlage der Asthmatherapie. Jeder Asthmatiker, der mehr als einmal täglich Atemnotanfälle hat, sollte als Basistherapie ein inhalatives Steroid erhalten (10). In wenigen Fällen (rein allergisch ausgelöstes Asthma, Anstrengungsasthma) kann beim Erwachsenen eine prophylaktische Therapie mit DNCG (Intal) oder Nedocromil (Tilade) ausreichend sein. Trotz Steroidtherapie auftretende milde Atemnotanfälle sollten vom Patienten selbst möglichst frühzeitig mit inhalativen ß-Mimetika behandelt werden. Diese Therapie (inhalatives Steroid und bei Bedarf Betamimetika) ist beim Großteil der Patienten erfolgreich. Der ß-Mimetika-Verbrauch ist dabei ein gutes Maß für die Schwere des Asthma. Bei Steigerung des ß-Mimetika-Bedarfs ist eine Intensivierung der Basistherapie (Erhöhung der Steroiddosis) notwendig. Eine Dauertherapie mit Betamimetika wird heute nur bei schweren Verlaufsformen zusammen mit einer hochdosierten Steroid-Dauertherapie (inhalativ/oral) als indiziert angesehen.
Ein spezielles Problem stellt die Behandlung nächtlicher und frühmorgendlicher Atemnotanfälle dar. Bisher wurde die abendliche Gabe einer Theophyllin-Retardpräparation oder eines langwirksamen oralen ß-Mimetikums empfohlen. Heute wird hier eine Hauptindikation für langwirksame inhalative ß-Mimetika gesehen, wobei erste Studien eine gute klinische Wirksamkeit erwarten lassen (6).
Bei besonders schwer behandelbaren Formen mit häufigen und unvorhersehbaren Anfällen kann eine Dauerbehandlung mit oralen Steroiden notwendig werden. Die Dosis sollte durch volles Ausschöpfen der inhalativen Therapie möglichst niedrig gehalten werden. Der Patient muß wissen, wann er die Steroiddosis kurzzeitig erhöhen muß (steigende Anfallsfrequenz, schlechtere Wirkung vom ß-Mimetika, Infekte). Bei manchen Patienten kann die hochdosierte i.m. Gabe eines Triamcinolon-Depotpräparates wirksamer sein als eine orale Dauertherapie, jedoch sind Nebenwirkungen bei dieser Therapieform häufiger (4). Besonders kooperative Patienten bzw. deren Angehörige können die Selbstinjektion von Terbutalin oder Theophyllin-Präparaten erlernen. Neben der medikamentösen Asthmatherapie stehen allgemeine Maßnahmen - Meidung inhalativer Noxen, besonders des Rauchens, Allergenkarenz und die Hyposensibilisierung - die hier nicht im Detail besprochen werden können, im Vordergrund.
Mit den heute verfügbaren Medikamenten kann bei einem Großteil der Asthmatiker Beschwerdefreiheit erzielt werden. Der Therapieerfolg wird aber nicht nur durch die pharmakologische Wirkung der Einzelsubstanzen bestimmt, sondern auch durch die Zuwendung und Information durch den Arzt und die Mitarbeit des Patienten.
Literatur:
(1) N. Engl. J. Med. 321, 1517, 1989
(2) N. Engl. J. Med. 314, 150, 1986
(3) Ann. intern. Med. 112, 822,1 990
(4) N. Engl. J. Med. 324, 585, 1991
(5) Cherniack RM, Drugs for the Respiratory System, Grune & Stratton Inc. 1986, S.54f
(6) Eur. Resp. J. 4, 218, 1991
(7) Lancet 336, 1391, 990
(8) Lancet 336, 1396, 1990
(9) Thorax 46, 105, 1991
(10) Br. Med. J. 301, 651, 1990
Neu registriert: Cisaprid (Prepulsid, Pulsitil)
Beim Cisaprid handelt es sich um ein substituiertes Benzamid, das chemisch dem Metoclopramid (Gastronerton, Gastrosil, Gastro Timelets, Hexaclamid, Imperan, Paspertin) verwandt ist, sich aber pharmakologisch von dieser Substanz (s.u.) unterscheidet. Es ist in Österreich seit 1990 vor allem für die folgenden Indikationen zugelassen: Refluxoesophagitis, dyspeptische Beschwerden und Magenentleerungsstörungen.
Pharmakologisch dürfte Cisaprid über eine verstärkte Acetylcholinfreisetzung im Auerbach'schen Plexus myentericus des Darmes wirken und dadurch die Motilität der glatten Muskulatur dieses Bereiches beeinflussen. Dies führt zu einer Erhöhung des Tonus des Oesophagussphinkters, beschleunigt die Magenentleerung und auch die Mobilität des Dünn- und Dickdarms ist erhöht (1). Im Gegensatz zu Metoclopramid hat Cisaprid keinen Effekt auf zentrale Dopaminrezeptoren, die auch im extrapyramidalen System und für die Prolaktinsekretion von Bedeutung sind. Welche klinische Wirksamkeit erscheint belegt (1,2,3,4)? Bei Refluxoesophagitis ist Cisaprid deutlich besser als Placebo wirksam. Die Wirksamkeit dürfte ähnlich der von Metoclopramid bzw. von H2-Blockern (Cimetidin: Cimetag, Cimetalgin, Cimetidin "Genericon", Neutromed, Neutronorm, Tagamet, Ranitidin: Ulsal, Zantac u.a.) sein. Eine Kombination von Cisaprid mit H2-Blockern scheint wirkungsverstärkend zu sein.
Bei funktionellen Oberbauchbeschwerden (non-ulcer dyspepsia) verbessert Cisaprid die Beschwerden (Sodbrennen, Erbrechen, Völlegefühl, Aufstoßen) gegenüber Placebo (auch schon bei ca. 30% effektiv) signifikant. Auch hier ist die Wirkung vergleichbar zu H2-Blockern, Metoclopramid und Domperidon (Motilium).
Bei Magenentleerungsstörungen, z.B. diabetische oder idiopathische Gastroparese sind positive Befunde vorliegend. Ob eine Dauerwirkung bei Langzeittherapie zu erzielen ist, ist offensichtlich noch nicht belegt.
Nebenwirkungen: Beschrieben sind Darmkrämpfe, Bauchkrämpfe und Durchfälle (bei ca. 5%) der Patienten. Müdigkeit und Benommenheit sollen fehlen. Wesentlich erscheint, daß gegenüber Metoclopramid aufgrund des Fehlens der Wirkung auf Dopaminrezeptoren extrapyramidale Bewegungsstörungen nicht beobachtet werden (Dyskinesien, oculogyre Krisen). Wir haben in der Pharmainfo V/3/1990 über diese Nebenwirkungen bei Metoclopramid und zu einem deutlich geringeren Grad bei Domperidon berichtet und besonders auf die Gefährung jugendlicher Patienten und von Kindern hingewiesen.
Bewertung: Cisaprid hat mit seiner Wirkung auf die Darmmotilität einen gut dokumentierten Effekt bei Refluxoesophagitis und funktionellen Oberbauchbeschwerden. Gegenüber Metoclopramid und Domperidon hat es den Vorteil, keine extrapyramidalen Symptome auszulösen, was insbesondere bei der Verwendung für Jugendliche und Kinder von Vorteil ist. Gegenüber diesen in ihrem Nebenwirkungspotential gut definierten Substanzen hat es derzeit noch den Nachteil einer relativ neuen Substanz, für die erst nach einiger Zeit das Auftreten von selektiven Nebenwirkungen ausgeschlossen werden kann.
Literatur:
(1) Drugs 36, 652,1 988
(2) Scand. J. Gastroenterol. 24, suppl.165, 1, 1989
(3) Arzneitelegramm 1990, S.36
(4) Drug & Therap. Bull. 28, 89, 1990
Salicylamid
Wir hatten in der Pharmainfo VI/1/1991 berichtet, daß diese Substanz aufgrund fraglicher Wirkung als obsolet zu betrachten ist (Deutsches BGA vom 3.1.1991). Wir hatten für Österreich nur ein Präparat angeführt (Europan), das diese Substanz enthält.
Tatsächlich ist Salicylamid in folgenden oral einzunehmenden Präparaten vorhanden:
Dolorex-Sali, Grippaloren, Grippamid, Rilfit, Sigmalin B6, Tuscalman Berna Suppositorien.
Aus der negativen Bewertung von Salicylamid sollten von den Firmen und natürlich auch von den Ärzten/innen die entsprechenden Konsequenzen gezogen werden.
P.b.b. Erscheinungsort Verlagspostamt 1010 Wien
Dienstag, 26. November 1996
Pharmainformation
Kontakt:
em.Univ.Prof.Dr.
Hans Winkler
Tel.: +43 (0)512/9003-71200
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