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Inhalt

 

Die 1000 Dollar-Pille: Welche Folgen haben die hohen Kosten für neue Hepatitis C-Therapien für die Gesundheitssysteme, die PatientInnen und welche Lösungsmöglichkeiten gibt es?

Armin Finkenstedt, Innere Medizin I, Landeskrankenhaus Innsbruck, Österreich.

Die Zahl der jährlichen Todesfälle durch virale Hepatitiden (hauptsächlich Hepatitis B und C) hat sich in den letzten 20 Jahren um mehr als die Hälfte erhöht und ist ähnlich jener durch HIV, Malaria oder Tuberkulose (1). Jährlich sterben rund 400.000 Menschen an den Folgen einer chronischen Hepatitis C-Virus (HCV)-Infektion, die meisten davon in Folge einer Leberzirrhose oder eines hepatozellulären Karzinoms (2). Durch die Entwicklung von direkt antiviral wirkenden Substanzen (DAAs; siehe Pharmainfo XXVIII/3/2013) erscheint jetzt aber erstmals eine weltweit weitgehende Elimination der Hepatitis C in greifbare Nähe zu rücken. Diese Substanzen hemmen gezielt bestimmte virale Proteine und unterbrechen damit den viralen Lebenszyklus (3). Da es bei einer HCV-Infektion im Gegensatz zur Hepatitis B Infektion zu keiner dauerhaften Integration des Virusgenoms in die Hepatozyten kommt, kann eine ausreichend lange Unterbrechung des viralen Lebenszyklus zu einer Ausheilung der Erkrankung führen. Durch eine Kombinationstherapie aus zwei oder mehr direct-acting antivirals (DAAs) mit unterschiedlichen Angriffspunkten im viralen Replikationszyklus ist eine dauerhafte Viruseradikation in über 95% der Fälle möglich (4). Auch als Folge dieser Entwicklungen hat sich die WHO zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 die Zahl der Neuinfektionen um 90% und die Mortalität um 65% zu reduzieren und zumindest 80% aller mit HCV-infizierten Personen eine Therapie zu ermöglichen (5).

Aktuelle HCV-Therapien in Österreich

Alle derzeit in Österreich verwendeten DAAs sind Kombinationspräparate, welche in einer Tablette 2 oder 3 Substanzklassen kombinieren. Pangenotypisch, also gegen alle HCV-Genotypen, wirken die Präparate Epclusa (Polymeraseinhibitor Sofosbuvir in Kombination mit dem NS5A-Inhibitor Velpatasvir) und Maviret (Proteinaseinhibitor Glecaprevir in Kombination mit dem NS5A-Inhibitor Pibrentasvir). Vor kurzem erfolgte auch die Zulassung von Vosevi, welches eine pangenotypische Kombination von Epclusa mit dem neuen Proteinaseinhibitor Voxilaprevir darstellt und vor allem eine Therapieoption bei PatientInnen mit auf bisherige Therapien resistenter HCV-Infektion ist.

Darüber hinaus sind noch Präparate in Verwendung, welche aber nicht pangenotypisch wirken und deshalb nur zur Therapie der HCV-Genotypen 1 und 4 eingesetzt werden können. Dazu gehören die Präparate Zepatier (Kombination aus dem NS5A-Inhibitor Elbasvir und dem Proteinaseinhibitor Grazoprevir), Harvoni (Kombination aus dem Polymeraseinhibitor Sofosbuvir und dem NS5A-Inhibitor Ledipasvir) sowie Viekirax (NS5A-Inhibitor Ombitasvir in Kombination mit dem NS3A-Proteinaseinhibitor Paritaprevir, geboostert durch Ritonavir) und Exviera (NS5B-Polymeraseinhibitor Dasabuvir). Die Kombination aus Viekirax und Exviera wirkt gegen Genotyp 1, Viekirax in Kombination mit Ribavirin auch gegen Genotyp 4.

Diese Substanzen werden, zum Teil in Kombination mit Ribavirin, für eine Therapiedauer von 8-16 Wochen verabreicht (6). Wenn man die offiziellen Preise heranzieht, ergeben sich dadurch Therapiekosten von bis zu mehreren zehntausend Euro. Sofosbuvir erlangte dabei in den Boulevardmedien eine unrühmliche Bekanntheit als „1000 Dollar Pill“. Der offizielle Preis betrug zur Einführung in den USA 1000 US $ - nicht pro Packung, sondern pro Tablette. Somit ergaben sich für die 12-wöchige Therapie Medikamentenkosten von 84.000 US $ (Ribavirin oder eine zweite DAA-Substanz noch nicht hinzugerechnet). PatientInnen ohne gute Krankenversicherung oder aus ökonomisch schwächeren Ländern hatten deshalb oft keinen Zugang zu diesen neuen Therapien.

In Anbetracht solch hoher Medikamentenpreise stellt sich natürlich die Frage nach den Auswirkungen dieser Preise auf die PatientInnen und nach Alternativen zu den hochpreisigen Therapien der „Markenhersteller“.

Epidemiologie der HCV-Infektion in Österreich und bisherige Erstattungspolitik der Kassen

In Österreich sind geschätzte 28.000 Personen mit dem Hepatitis C-Virus infiziert, wobei 2012 erst circa ein Drittel der infizierten Personen auch tatsächlich diagnostiziert war (7). Die Zahl der Neudiagnosen hat in Tirol über die letzten 15 Jahre zwar abgenommen, pendelte sich zuletzt aber bei rund 100 Neudiagnosen pro Jahr ein (unpublizierte eigene Daten). Diese Schätzungen waren natürlich auch der Sozialversicherung bekannt, die zur Einführung von Sofosbuvir und den nachfolgenden DAAs mit Therapiekosten bis zu Milliardenhöhe rechnen musste. Entsprechend wurde der Zugang zu diesen neuen Medikamenten durch zwei Maßnahmen beschränkt: Erstens war eine Übernahme der Therapiekosten durch die Krankenkasse bis vor kurzem in der Regel an den Nachweis einer fortgeschrittenen Lebererkrankung (höhergradige Fibrose oder Zirrhose) gebunden. Zweitens dürfen DAAs nur von spezialisierten Zentren verordnet werden. Durch diese beiden Maßnahmen wurde auf der einen Seite zwar zahlreichen HCV-Infizierten der Zugang zu den neuen Therapien erschwert, zumindest war aber sichergestellt, dass PatientInnen mit der dringlichsten Therapieindikation (also jene mit fortgeschrittener Lebererkrankung) eine DAA-Therapie erhalten konnten.

In vielen anderen Ländern, auch zahlreichen westlichen Industrieländern, war bzw. ist die Situation für betroffene PatientInnen aber wesentlich prekärer. So hat z. B. das National Health Service die Zahl der jährlichen Therapien in England auf 20.000 gedeckelt - auch wenn wesentlich mehr PatientInnen dringend eine Therapie bräuchten.

Folgen der hohen Preise - international und national

Die globalen Auswirkungen der hohen Kosten für HCV-Therapien wurden in einer rezenten Studie verdeutlicht, in welcher die Therapiekosten für Harvoni mit den jeweiligen Jahreslöhnen und den Gesamtausgaben für Arzneimittel in 30 Ländern in Relation gesetzt wurden (8). In vielen Ländern übersteigen dabei die Therapiekosten einen durchschnittlichen Jahreslohn, zum Teil um ein Vielfaches, und die Arzneimittelbudgets würden durch die HCV-Therapien weitgehend aufgebraucht werden. Diese hohen Therapiekosten und die dadurch eingeschränkte Verfügbarkeit hatten zur Folge, dass weltweit noch im Jahr 2015 die Zahl der PatientInnen, die an den Folgen der HCV-Erkrankung verstarben, die Zahl der mit DAAs behandelten PatientInnen überstieg (9). Sollten die Kosten für die HCV-Therapien nicht bald drastisch sinken, wird eine großflächige Versorgung Infizierter und damit das von der WHO gesetzte Ziel einer weitgehenden Beseitigung der globalen Hepatitis-Epidemie bis 2030 nicht zu erfüllen sein.

Durch Verhandlung von (nicht öffentlichen) Preismodellen zwischen Sozialversicherung und Pharmafirmen können mittlerweile in Österreich PatientInnen mit allen Genotypen unabhängig vom Ausmaß des Leberschadens behandelt werden. Die noch bestehende Zentrumsbindung ist aber besonders für PatientInnen mit Substanzgebrauch, welche derzeit den Großteil der Infizierten ausmachen, eine oft schwierig zu überwindende Hürde auf dem Weg zur Therapie.

Generika als kostengünstige Alternative?

Die tatsächlichen Herstellungskosten für die momentan verfügbaren DAAs betragen nur einen Bruchteil der offiziellen Verkaufspreise und liegen je nach Substanzkombination zwischen 100 und 200 US $ (10, 11). Bereits heute stünden kostengünstige generische Versionen der aktuellen DAAs zur Verfügung. Grundsätzlich können generische Präparate durch freiwillige Lizenzen des Herstellers oder durch Zwangslizenzen im Rahmen der "TRIPS"-Vereinbarung der WTO (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) verfügbar gemacht werden. Die aktuellen HCV-Therapeutika werden von der WHO als unverzichtbare Arzneimittel eingestuft ("WHO list of essential medicines"), welche in einem Gesundheitssystem in adäquater Menge, guter Qualität und zu einem für die PatientInnen erschwinglichen Preis verfügbar sein sollten. Somit wäre es Entwicklungsländern theoretisch möglich, diese Medikamente in Form von Zwangslizenzen primär für den Eigenbedarf generisch produzieren zu lassen.

Nachdem Indien anfangs Gilead für Sofosbuvir keinen Patentschutz gewährte (Indien erkannte das Patent erst 2016 an), vergab Gilead 2014 zunächst an sieben indische Pharmaunternehmen freiwillige Lizenzen zur Produktion und Verkauf seiner DAAs in bestimmte afrikanische und asiatische, sowie einige wenige Länder in Süd- und Mittelamerika. Diese nur unter Auflagen erteilten Lizenzen sollten einer unkontrollierten generischen Produktion zuvorkommen. Allerdings schlossen diese Lizenzen immer noch knapp die Hälfte der weltweiten HCV-Population aus.

Die rechtliche Situation in Österreich verbietet den Import von hier nicht zugelassenen Generika. Somit ist eine Bestellung über das Internet nicht legal. Außerdem stellt sich die Frage, ob von DAA-Generika eine vergleichbare Wirksamkeit erwartet werden kann wie von Originalpräparaten. Dies hängt letztlich davon ab, ob solche Generika den hohen Standards der EU (GMP-Richtlinien), den globalen ICH-Anforderungen sowie den geltenden Richtlinien der WHO (cGMP: current Good Manufacturing Practice, cGLP: current Good Laboratory Practice) entsprechen. Dies nachzuprüfen ist für PatientInnen nicht möglich, so dass gerade der Bezug von Generika über das Internet mit einem Risiko verbunden ist. In Anbetracht der Preise generischer DAAs, welche sich im Bereich von mehreren hundert US $ bewegen, ist es nicht verwunderlich, dass bereits Berichte über gefälschte Sofosbuvir-Generika aufgetaucht sind.

Neben Onlineapotheken können Hepatitis C-Generika auch über Plattformen wie z. B. fixhepc erworben werden (www.fixhepc.com). Diese haben sich zum Ziel gesetzt, PatientInnen weltweit mit bezahlbaren Therapien zu versorgen. Die von fixhepc vertriebenen Generika werden dabei mittels NMR-Spektroskopie auf das Vorhandensein und die richtige Konzentration der aktiven pharmazeutischen Substanz getestet, so dass das Risiko einer wirkungslosen Therapie minimiert ist. Die kompletten Therapiekosten belaufen sich dann auf 1250 – 1500 US $.

Die Wirksamkeit bestimmter Generika ist dabei laut neuesten Studiendaten vergleichbar mit der Wirksamkeit der Originalpräparate. Eine rezent publizierte chinesische Studie an 192 PatientInnen mit HCV Genotyp 1b ergab eine Heilungsrate von knapp 97 Prozent beim Einsatz eines Harvoni-Generikums (12). Auch auf den Kongressen der europäischen und amerikanischen Lebergesellschaften vorgestellte Daten des australischen Arztes Dr. Freeman, Vorkämpfer für erschwingliche HCV-Therapien, zeigen Heilungsraten von über 90% mit bestimmten generischen Präparaten.

Conclusio

Zusammenfassend zeigen die neuen Hepatitis C-Therapien exemplarisch, dass die Preisstrategie großer Pharmaunternehmen die Finanzierbarkeit der Gesundheitssysteme weltweit gefährdet und großen Teilen der Weltbevölkerung den Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten verwehrt. Dies führt zu der paradoxen Situation, dass es zwar in der Entwicklung von neuen Medikamenten Meilensteine gibt, diese sich aber nicht in der Behandlung niederschlagen, da einem großen Teil der Erkrankten der Zugang zu diesen neuen, hocheffektiven Medikamenten verwehrt bleibt.

In Österreich konnten die Therapiekosten so weit gesenkt werden, dass die Interferon-freie Behandlung mit DAAs mittlerweile ohne Einschränkung allen Infizierten von der Sozialversicherung erstattet wird. Dies stellt einen wesentlichen Fortschritt in der Versorgung der chronischen Hepatitis C dar. Global gesehen bleiben die hochpreisigen HCV-Therapien aber noch eine große Hürde auf dem Weg zur Elimination dieser chronischen Infektionskrankheit.

Praxistipp: Einfach zu benutzendes Tool zur Prüfung möglicher Arzneimittelinteraktionen mit DAA-Medikamenten: www.hep-druginteractions.org

 Literatur
(1) Stanaway JD et al. Lancet 388,1081, 2016
(2) Organisation WH. Hepatitis C Factsheet. Available at www.who.int (accessed 30 May 2017)
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(5) WHO GLOBAL HEALTH SECTOR STRATEGY ON VIRAL HEPATITIS 2016–2021. Available at www.who.int 2016.
(6) EASL Recommendations on Treatment of Hepatitis C 2016. J Hepatol 66, 153, 2017
(7) Bruggmann P et al. J Viral Hepat 21, Suppl 1, 5, 2014
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(10) Hill A et al. Clin Infect Dis 58, 928, 2014
(11) van de Ven N et al. Hepatology 61, 1174, 2015
(12) Zeng QL et al. J Hepatol 66, 1123, 2017

 

Update: Inhalative Therapie der COPD

Wir haben zuletzt die klinische Wirksamkeit inhalativer Therapien bei chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) besprochen (Pharmainfo XXV/1/2010) und auf Basis der damals vorliegenden Studienergebnisse Kombinationstherapien mit inhalativen Corticosteroiden (ICS) und das Anticholinergikum Tiotropium (Spiriva) für die Prophylaxe von COPD-Exazerbationen empfohlen. Mittlerweile sind neue langwirksame ß2-Agonisten (long-acting beta agonists = LABA) und Anticholinergika (long-acting muscarinic antagonists = LAMA) zugelassen (Pharmainfo XXVIII/2/2013) und insbesondere hinsichtlich ihrer prophylaktischen Wirkung gegen COPD-Exazerbationen untersucht worden. Aufgrund dieser und anderer Studienresultate könnte die Indikation für ICS bei COPD in Hinkunft neu bewertet werden. Lassen sich bereits Konsequenzen für die klinische Praxis ziehen?

Rolle von ICS in der Prophylaxe von COPD-Exazerbationen

Die Empfehlung, ICS bzw. Kombinationen von ICS und LABA bei fortgeschrittenen Stadien der COPD (FEV1 unter 50% - 60% des Sollwerts) zur Prophylaxe von Exazerbationen einzusetzen, beruht unter anderem auf den Ergebnissen der ISOLDE- (1) und der TORCH-Studie (2). In der ISOLDE-Studie konnte gezeigt werden, dass ICS die Häufigkeit von Exazerbationen gegenüber Placebo um 25% reduzieren, und die TORCH-Studie belegte den Vorteil einer Kombination von ICS (Fluticason-Propionat) und LABA (Salmeterol) gegenüber Placebo, ICS allein und LABA allein. Bereits die TORCH-Studie berichtet über ein erhöhtes Risiko für Pneumonien unter ICS-haltiger Inhalationstherapie. ICS, insbesondere bei langdauernder Anwendung in hoher Dosierung, können außerdem zu brüchiger Haut („easy bruising“), Verminderung der Knochendichte, Katarakt und Verschlechterung der Glukosetoleranz führen (3). Aufgrund dieser unerwünschten Wirkungen von ICS wurde der Frage nachgegangen, ob (ICS-freie) LABA-LAMA-Kombinationen hinsichtlich der Exazerbationsprophylaxe den ICS-LABA-Kombinationen gleichwertig sind.

In drei Studien konnte eine „Non-inferiority“ von LABA-LAMA- gegenüber ICS-LABA-Kombinationen belegt werden: ILLUMINATE (4), LANTERN (5) und AFFIRM (6). In Erweiterung dazu zeigte die FLAME-Studie (7) für PatientInnen mit > 1 Exazerbation pro Jahr, dass unter Indacaterol/Glycopyrronium (Ultibro Breezhaler) im Vergleich zu Salmeterol/Fluticason-Propionat (Generika) um 11% weniger Exazerbationen auftreten und die Zeit bis zur ersten Exazerbation um durchschnittlich 20 Tage verlängert ist, was nicht nur einer Gleichwertigkeit von LABA-LAMA, sondern einem Vorteil gegenüber ICS-LABA entspricht.

Einen anderen Ansatz wählte die WISDOM-Studie (8): hier wurde geprüft, ob nach stufenweisem Absetzen von ICS nach vorangegangener 6-wöchiger ICS-LABA-LAMA-Kombinationstherapie die Zeit bis zur ersten mittelschweren oder schweren Exazerbation kürzer wäre als unter fortgesetzter Dreifach-Kombination. Dies war nicht der Fall („Non-inferiority“ für den Studienarm mit ICS-Abbruch), allerdings fiel nach Absetzen des ICS das FEV1 gering (Woche 18: 38 ml; Woche 52: 43 ml), aber signifikant ab. Lebensqualitäts- und Dyspnoe-Indizes zeigten keine klinisch bedeutsamen Unterschiede. Die AutorInnen ziehen den Schluss, dass eine LABA-LAMA-Kombination einer Dreifachkombination hinsichtlich der Exazerbationsprophylaxe ebenbürtig ist. Es ist jedoch zu bedenken, dass die Eingangsphase mit voller ICS-Dosis nur sechs Wochen dauerte und es fraglich erscheint, ob die ICS-Therapie in diesem kurzen Zeitraum überhaupt eine volle klinische Wirkung entfalten konnte.

Zusammenfassend ist eine LABA-LAMA-Kombination hinsichtlich der Prophylaxe von Exazerbationen bei fortgeschrittener COPD einer ICS-LABA-Kombination zumindest gleichwertig und in Hinblick auf mögliche Nebenwirkungen einer ICS-Langzeittherapie der ICS-haltigen Kombination vorzuziehen.

Rolle der Bluteosinophilie bei der Wirksamkeit von ICS

Die Wirksamkeit von ICS beim eosinophilen Asthma bronchiale gilt als unbestritten. Es wäre denkbar, dass bei COPD und gleichzeitig bestehender eosinophiler Entzündung der Atemwege eine ICS-Gabe zu besseren klinischen Ergebnissen führt als bei fehlender Eosinophilie. Da eine gute Korrelation zwischen Eosinophilenzahlen im Blut und im Sputum besteht, kann eine Eosinophilenerhöhung im peripheren Blut als Surrogatmarker für eine Gewebseosinophilie in den Atemwegen herangezogen werden (9). Unter diesen Gesichtspunkten wurden mehrere (zum Teil oben schon besprochene) Studien retrospektiv dahingehend analysiert, ob ICS bei PatientInnen mit Bluteosinophilie eine bessere Wirksamkeit zeigen.

Die Post-hoc-Analyse der ISOLDE-Studie (10) zeigte bei > 2% Eosinophilen unter Fluticason-Propionat eine stärkere Verlangsamung des FEV1-Abfalls und bei < (!) 2% Eosinophilen überraschenderweise eine bessere Wirkung auf die Exazerbationsfrequenz. Der gleiche Grenzwert (< / > 2% Eosinophile) wurde auch in einer Post-hoc-Analyse der INSPIRE- und TRISTAN-Studien angewandt (11). In der INSPIRE-Studie wurden bei > 2% Eosinophilen weniger Exazerbationen unter ICS-LABA als unter Tiotropium (INSPIRE) bzw. Placebo (TRISTAN) beobachtet; bei < 2% Eosinophilen war kein Unterschied in der Exazerbationsrate zwischen den Studienarmen zu erkennen. In der WISDOM-Studie zeigte sich das Exazerbationsrisiko nach ICS-Absetzen erhöht, wenn gleichzeitig gehäuft Exazerbationen in der Anamnese vorlagen und eine Eosinophilie > 4% oder > 300/µl bestand. Das Exazerbationsrisiko war dabei proportional zum Ausmaß der Eosinophilie (12). In der FLAME-Studie war die Kombination Indacaterol/Glycopyrronium unabhängig von Eosinophilenzahl besser wirksam als Salmeterol/Fluticason-Propionat (13). Beim Vergleich zwischen Vilanterol und Vilanterol / Fluticason-Furoat (Relvar Ellipta) reduzierte die ICS-haltige Kombination bei einer Eosinophilie von > 2% die Exazerbationsrate stärker; der Effekt war noch deutlicher bei 4% bzw. 6% Eosinophilen (14). In der FORWARD-Studie (15) hatten PatientInnen, deren Eosinophilenzahl im höchsten Quartil lag (> 279,8/µl), die höchsten Exazerbationsraten unter Formoterol ohne zusätzliches ICS und erfuhren die stärkste Reduktion der Exazerbationsrate sowie eine klinisch relevante Besserung (Abfall > 4 Punkte) im St Georges Respiratory Questionnaire (SGRQ) durch Zugabe von ICS. Die mögliche Rolle von eosinophiler Atemwegsentzündung bei COPD-Exazerbationen wird weiter unterstrichen durch die sehr rezente Beobachtung (15a), dass bei PatientInnen, die trotz inhalativer ICS-LABA-LAMA-Kombination gehäufte Exazerbationen erleiden, nach Gabe des Interleukin-5-Antikörpers Mepolizumab die Zahl mittelschwerer und schwerer Exazerbationen im Mittel um 18 - 20% sinkt. Auch in dieser Studie korrelierte das Ausmaß der Wirkung mit der Eosinophilenzahl im Blut.

Zusammenfassend erbrachten die besprochenen Studien keine einheitlichen Resultate, wenngleich sich ein Signal ablesen lässt, dass ICS bei höheren Eosinophilenzahlen eine bessere Wirkung auf die Reduktion der Exazerbationsrate ausüben. Der Effekt der ICS scheint proportional zur Eosinophilenzahl im peripheren Blut und zur Exazerbationsrate vor Therapiebeginn zu sein. Die Interpretation der Daten wird dadurch erschwert, dass von Studie zu Studie unterschiedliche Kriterien der „Bluteosinophilie“ angewandt wurden (Prozentsatz der Gesamtleukozytenzahl 2 - 6% bzw. Absolutzahl 200 - 300/µl). Schließlich sei nochmals betont, dass es sich ausschließlich um retrospektive Analysen handelt und noch keine Ergebnisse prospektiver Studien zu dieser Fragestellung vorliegen. Derzeit kann keine Empfehlung gegeben werden, die Gabe von ICS bei COPD vom Ausmaß der Bluteosinophilie (nach welchem Kriterium auch immer) abhängig zu machen.

Kombinationstherapie LABA-LAMA-ICS

Obwohl ICS, LABA und LAMA in der COPD-Therapie seit Jahren eingesetzt werden, wurden erst kürzlich größere Studien zu möglichen Vorteilen der Kombination aller drei Stoffgruppen vorgestellt. Die Zugabe von Glycopyrronium (Seebri Breezhaler, drei Dosen: 12,5, 25 oder 50 µg zweimal täglich) zu einer Fixkombination von Beclomethason/Formoterol führte in der TRIDENT-Studie (16) im Vergleich zu Beclomethason/Formoterol zu einer Verbesserung des FEV1 (für die 25- und 50 µg-Dosierung klinisch relevant > 100 ml). Neben dieser freien Dreifach-Kombination wurde auch die Fixkombination Beclomethason/Formoterol/Glycopyrronium bei PatientInnen mit fortgeschrittener COPD (FEV1 < 50%) im Vergleich zu Beclomethason/Formoterol (Foster) untersucht (TRILOGY: 17), sowie in der TRINITY-Studie (18) auch dreiarmig im Vergleich zur freien Kombination aus Tiotropium plus Beclomethason/Formoterol und zu Tiotropium allein. In der TRILOGY-Studie wurden nur zwei der drei co-primären Endpunkte erreicht (FEV1-Verbesserung vor und nach Inhalation durch die Dreifachkombination), während der Transition Dyspnea Index (Maß für die subjektive Empfindung der Atemnot) nicht verbessert war. Die Exazerbationsrate – ein sekundärer Endpunkt – war unter der Dreifachkombination um 23% geringer als unter Beclomethason/Formoterol. In der TRINITY-Studie wurden die Exazerbationsrate als primärer, das FEV1 als sekundärer Endpunkt gewählt. Beide Messgrößen waren für die Dreifachkombination (sowohl als fixe als auch als freie Kombination) besser als unter Tiotropium allein, waren aber nicht unterschiedlich zur freien Dreifachkombination. Schließlich erwies sich eine einmal täglich verabreichte Fixkombination von Fluticason-Furoat/Vilanterol/Umeclidinium hinsichtlich der primären Endpunkte – Verbesserung von FEV1 und Lebensqualität (SGRQ) – als signifikant besser gegenüber einer Budesonid/Formoterol-Fixkombination (FULFIL: 19). Am Studiendesign von FULFIL wurde bemängelt (20), dass bei den beiden Studienpopulationen sowohl das Inhalationsgerät als auch die Studiensubstanzen für ICS und LABA unterschiedlich gewählt wurden.

Zusammenfassend wurde für ICS-LABA-LAMA-Kombinationen eine Verbesserung der Lungenfunktion (FEV1) im Vergleich zu ICS-LABA gezeigt, die Ergebnisse hinsichtlich Lebensqualitätsverbesserung sind vorerst widersprüchlich. Übereinstimmend wird von ExpertInnen gefordert (20, 21), in künftigen klinischen Studien ICS-LABA-LAMA-Kombinationen mit LAMA-LABA-Kombinationen zu vergleichen, also den Zusatznutzen des ICS (und nicht des LAMA) in der Dreifachkombination zu untersuchen.

Pneumonierisiko unter ICS

Bereits 2014 ergab eine Cochrane-Analyse (22), dass ICS-haltige Therapien bei COPD das Risiko, an Pneumonie zu erkranken, erhöhen (RR 1,34). Das Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC) der EMA fasst zusammen, dass die Pneumonie-Häufigkeit 1-10% aller Anwendungen beträgt, dass keine Unterschiede zwischen einzelnen Substanzen bestehen und dass der Nutzen das Risiko überwiegt (23). Einschränkend wird darauf hingewiesen, dass in den analysierten Studien nicht alle Pneumonien radiologisch bestätigt waren. Crim et al. (24) schlossen nur radiologisch bestätigte Pneumonien ein und fanden ein erhöhtes Pneumonierisiko unter Fluticason-Furoat (als Einzelsubstanz in Österreich nicht zur Behandlung der COPD zugelassen) im Vergleich zu Vilanterol. Das Risiko war von der Fluticason-Dosis abhängig und höher bei RaucherInnen, bei PatientInnen mit Pneumonie in der Vorgeschichte, bei niedrigem (< 25 kg/m²) Body Mass Index und bei einem FEV1 < 50% des Sollwerts. Eine der wenigen aktuellen randomisierten Studien, bei denen kein erhöhtes Pneumonierisiko unter ICS (Fluticason-Furoat) im Vergleich zu LABA (Vilanterol) oder Placebo gefunden wurde (SUMMIT: 25), enthält keine Angabe darüber, ob die Pneumonien radiologisch bestätigt wurden.

In Hinblick auf die (fraglich) bessere Wirkung von ICS bei Bluteosinophilie (siehe oben) wurde in einer Meta-Analyse von zehn Studien die Interaktion zwischen Bluteosinophilie und Pneumonierisiko untersucht (26). Bei < 2% Eosinophilen wurden mehr Pneumonie-Episoden beobachtet als bei > 2%, und zwar in der untersuchten Gesamtpopulation (Hazard Ratio HR 1,31) sowie in den Studienarmen mit (HR 1,25) und ohne (HR 1,53) ICS-Therapie.

Zusammenfassend geht die Gabe von ICS bei COPD mit einer (gering) erhöhten Häufigkeit an Pneumonien einher, wobei diese Ereignisse nicht in allen Studien radiologisch bestätigt wurden. PatientInnen mit < 2% Eosinophilen scheinen stärker gefährdet zu sein.

Literatur
(1) Burge PS et al. BMJ 320, 1297, 2000
(2) Calverley PM et al. N Engl J Med 356, 775, 2007
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(14) Pascoe S et al. Lancet Respir Med 3, 435, 2015
(15) Siddiqui SH et al. Am J Respir Crit Care Med 192, 523, 2015
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(16) Singh D et al. Respir Med 114, 84, 2016
(17) Singh D et al. Lancet 388, 963, 2016
(18) Vestbo J et al. Lancet 389, 1919, 2017
(19) Lipson DA et al. Am J Respir Crit Care Med 196, 438, 2017
(20) Tashkin DP et al. Am J Respir Crit Care Med 196, 402, 2017
(21) Calverley PMA. Lancet 388, 937, 2016
(22) Kew KM et al. Cochrane Database Syst Rev 3, CD 010115, 2014
(23) www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Referrals_document/inhaled _corticosteroids_Article31/
(24) Crim C et al. Ann Am Thor Soc 12, 27, 2015
(25) Vestbo J et al. Lancet 387, 1817, 2016
(26) Pavord ID et al. Lancet Respir Med 4, 731, 2016

 

Werden ungewöhnliche (meist auch seltene) Nebenwirkungen überbewertet und relevantere spät oder nicht immer erkannt?

Bei der Diskussion unerwünschter Arzneimittelwirkungen stehen oft auffällige aber meist seltene Nebenwirkungen (NW) im Vordergrund, wie Agranulozytosen (z.B. Metamizol: Generika, Novalgin), Lyell- und Stevens-Johnson-Syndrom (z.B. Allopurinol: Generika, Zyloric), akutes Leberversagen (mehrere Präparate), Hörverlust (Furosemid: Generika, Lasix), Katarakte (Cortison), kardiale Fibrosen (z.B. Mutterkornalkaloide), Phosphene (Lichtblitze durch Ivabradin: Generika, Procoralan), Analulcera (Nicorandil: Generika, Dancor) oder Kiefernekrosen (Bisphosphonate und Denosumab: Prolia, Xgeva) und Rhabdomyolyse (Statine).

Natürlich sind diese NW, insbesondere wenn sie schwer sind oder in der Vergangenheit sogar zum Tode führten, für die Risiko/Nutzenabwägung relevant und resultierten auch in mehreren Fällen in Marktrücknahmen von Substanzen.

Die Relevanz einer NW definiert sich aber nicht nur aus dem Schweregrad, sondern auch aus der Häufigkeit.

Für die oben genannten NW ist es schwierig, genaue Zahlen für das Risiko anzugeben. Für schwere NW ist die Häufigkeit meist gering: so liegen die Numbers Needed to Harm (NNH) für Rhabdomyolyse (Statine, 1) oder Kiefernekrose (Bisphosphonate bei Osteoporose-Therapie) bei etwa 10.000 (1a), für Agranulozytose (Metamizol) bei 21.000 (2, auch andere Werte berichtet: siehe Pharmainfo XXIV/4/2009), für klinisch relevante Lebertoxizität (z.B. Amoxicillin/Clavulansäure) bei 11.700 (2a, siehe auch 2b) und für Stevens-Johnson- und Lyell-Syndrom (Allopurinol) bei 28.000 (3, 3a). Dabei waren diese seltenen NW klinisch auffällig, da die spontane Inzidenz dieser Phänomene in der Bevölkerung gering oder fehlend war, also kein hoher „background noise“ ihre Identifizierung als mögliche NW erschwerte.

Wie ist es aber mit NW, die das Erscheinungsbild häufiger Erkrankungen (wie Myokardinfarkt, Karzinome) widerspiegeln? Wurden diese NW in der Vergangenheit trotzdem früher (vor oder bald nach der Zulassung) erkannt, oder erst nach jahrelangem Gebrauch und haben wir überhaupt schon alle erfasst?

Für diese Frage seien einige klassische Beispiele exemplarisch präsentiert, wobei wir sowohl gut belegte als auch noch unklare Fälle diskutieren.

Kardiovaskuläre NW

NSAR: Diese sind ein Paradebeispiel dafür, wie sich die Risiko/Nutzenabwägung nach jahrelangem Gebrauch durch die Erfassung neuer NW verändern kann. Wir haben mehrfach (Pharmainfo XXIII/3/2008; XXVIII/3/2013; XXX/1/2015) darüber berichtet und es seien hier nur einige wesentliche Aspekte angeführt (siehe auch eine Stellungnahme der Arbeitsgruppe der European Society of Cardiology; 4). Diese Präparate wurden millionenfach verschrieben. Als für die neu entwickelten Cyclooxygenase-2 (Cox-2)-selektiven Präparate (Coxibe) ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko entdeckt wurde, wurden auch die älteren NSAR wie Diclofenac, Ibuprofen, Naproxen und andere untersucht: Aufgrund dieser Analysen erscheint heute etabliert, dass Vertreter wie Diclofenac (aufgrund einer COX-2-selektiven Wirkung) ein mit den Coxiben vergleichbares kardiovaskuläres Risiko haben, während dies insbesondere für Naproxen (keine Cox 2-Selektivität) nicht zutrifft und wahrscheinlich auch nicht für niedrige (bis 1.200 mg/Tag) Dosen von Ibuprofen (4).

Die quantitative Relevanz der NW von Diclofenac ergibt sich aus der Beobachtung, dass diese Substanz zu 3 schweren kardiovaskulären Ereignissen (NNH 333) pro 1.000 PatientInnenjahren (1 davon tödlich) führt und bei RisikopatientInnen zu 7-8 Events (2 davon tödlich). Offensichtlich sind daher für Diclofenac und andere ältere Cox-2-selektive NSAR Kontraindikationen und Einschränkungen zu beachten (siehe Pharmainfo XXVIII/3/2013 und Fachinformation). Die zitierte Stellungnahme der European Society of Cardiology stellt sogar fest: „older selective Cox-2 inhibitors such as diclofenac should be avoided“. In Bezug auf unser Thema zeigen diese Fakten auf, wie schwierig es ist, eine Nebenwirkung, welche häufigere kardiovaskuläre Erkrankungen betrifft, ohne gezielte Studien mit ausreichend hohen PatientInnenzahlen zu erfassen.

Digitalisglykoside: Trotz Anwendung dieser Präparate über Jahrhunderte liegen für diese bis heute keine klaren Endpunktdaten vor. Eine gerade jetzt wieder intensivierte und kontroversielle Diskussion hierzu zeigt dies sehr deutlich. Digitalisglykoside werden heute hauptsächlich zur Frequenzkontrolle des Vorhofflimmerns bei PatientInnen mit chronischer Herzinsuffizienz und reduzierter Auswurffraktion verwendet und stellen damit eine Alternative zu Betablockern dar. Allerdings gibt es für diese Indikation keine großen randomisierten, kontrollierten Studien. Eine solche liegt nur für PatientInnen ohne Vorhofflimmern vor. Nachdem Beobachtungsstudien schon vor 30 Jahren ein erhöhtes Mortalitätsrisiko für Digitalis diskutierten (siehe 5), wurde daraufhin die große (n = 6.800) prospektive und randomisierte DIG-Studie mit Digoxin durchgeführt und 1997 publiziert (6). Nach 37 Monaten war die Mortalität unverändert (RR = 0,99), die Frequenz für Hospitalisierungen hingegen gesenkt (RR = 0,92; CI 0,87-0,98). Trotzdem ein enttäuschendes Resultat, wenn man die Daten für ACE-Hemmer, ß-Blocker und Aldosteronantagonisten vergleicht, die bei dieser Indikation eine deutliche Senkung der Mortalität bewirkten. Wesentlich zu erwähnen ist ein Teilresultat (post-hoc-Analyse) dieser Studie (7): Bei PatientInnen mit hohen Digoxin-Serumkonzentrationen (> 1,2 ng/ml) war die Mortalität erhöht, bei Serumkonzentrationen < 0,9 ng/ml hingegen erniedrigt. Dies unterstreicht die schmale therapeutische Breite der Digitalisglykoside und eine niedrige Dosierung unter Vermeidung hoher Plasmakonzentrationen wird daher empfohlen (18a).

Für die Indikation Vorhofflimmern wurden in den letzten Jahren Beobachtungsstudien und Metaanalysen publiziert, die eine erhöhte Mortalität nach Digoxin postulieren (Einzelstudien: 8-11; Metaanalysen: 12-16). Die berichteten Hazard Ratios (HR) lagen zwischen 1,1 und 1,29, bei PatientInnen mit zusätzlicher Herzinsuffizienz waren sie allerdings niedriger oder nicht erhöht (10-12, 15, 16). In einer ausführlichen Analyse aller Digitalisstudien (17, 18) wird allerdings das Problem des „confounding by indication“ für diese Beobachtungsstudien betont. Eine Analyse der Daten spricht dafür, dass vor allem ältere und morbidere PatientInnen, also solche mit höherem Mortalitätsrisiko, Digitalis erhalten und damit gegenüber einer „gesünderen“ Kontrollgruppe negative Resultate liefern. Dieses Problem ist auch mit entsprechender statistischer Korrektur nur schwer zu vermeiden und nur in einer randomisierten Studie auszuschließen. Auf jeden Fall zeigen diese AutorInnen, dass je besser für solche Faktoren kontrolliert wird (in randomisierten Studien), desto geringer wird das erhöhte Mortalitätsrisiko (siehe auch Editorial: 19). Zusammen mit der DIG-Studie bei Herzinsuffizienz und dieser Analyse ist für Digitalis daher ein erhöhtes Mortalitätsrisiko derzeit nicht gesichert, aber eine verlässliche Antwort wird von zwei bis 2019 laufenden randomisierten Studien erwartet (18) – endgültig und endlich 230 Jahre nach Einführung in die Therapie. Dabei ist die DIGIT-HF Studie eine klinische Endpunktstudie (Mortalität und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz), welche im Gegensatz zu den meisten bisherigen Studien Digitoxin vs. Placebo vergleicht. Diese in Deutschland durchgeführte und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund 3,2 Millionen Euro geförderte Studie, kann damit endlich auch Endpunktdaten für das in Deutschland und Österreich wesentlich häufiger verwendete Digitoxin liefern. Außerdem können dadurch auch Nutzen und Sicherheit einer Digitalisglykosidtherapie auf Basis einer derzeit empfohlenen Basistherapie (in der DIG-Studie eingeschlossene PatientInnen erhielten noch keine Betablocker) beurteilt werden.

Antiarrhythmika: Von diesen Substanzen erwartet man u.a. eine Unterdrückung von ventrikulären Extrasystolen und damit eine Reduktion von plötzlichem Herztod durch Kammerflimmern. Schon eine sehr frühe (1991) Endpunktstudie (20) zeigte aber für u.a. Flecainid (Aristocor) versus Placebo bei PatientInnen nach Herzinfarkt und ventrikulären Extrasystolen eine Erhöhung der Gesamtmortalität von 3,6% in der Placebogruppe um das 2,6-fache (NNH = 27), vor allem aufgrund von plötzlichem Herztod, offensichtlich bedingt durch eine proarrhythmische Aktivität dieser Substanzen (siehe Pharmainfo IX/3/1994).

Dementsprechend sind Flecainid (Aristocor) und Propafenon (Rytmonorma) nur für lebensbedrohliche ventrikuläre Rhythmusstörungen als Mittel letzter Wahl zugelassen. Dies gilt auch für Amiodaron (Generika, Sedacoron) – etwas überraschend, da für diese Substanz bei dieser Indikation eine Senkung der Gesamtmortalität und insbesondere des plötzlichen Herztodes um 29% (NNT = 59) laut einer Metaanalyse (21) gezeigt wurde.

Für die Indikation Prophylaxe von Vorhofflimmern waren laut einem rezenten Cochrane Review (22) die Substanzen Amiodaron, Flecainid, Propafenon, Sotalol (Generika, Sotacor) und Dronedaron (Multaq) wirksam, wobei Amiodaron die beste Wirkung hatte (NNT für ein Jahr: 3), während Flecainid (NNT: 4), Propafenon (NNT: 5), Sotalol (NNT: 8) und Dronedaron (NNT: 9) schwächer wirkten. Aufgrund der signifikanten Nebenwirkungen von Amiodaron wird diese Substanz nicht als erste Wahl empfohlen (siehe Pharmainfo XXX/4/2015).

Bezüglich Mortalität wurde für Amiodaron und Dronedaron kein erhöhtes Risiko gefunden, für Sotalol hingegen schon (OR 2,23; CI 1,10-4,5), für Propafenon und Flecainid lagen keine ausreichenden Daten vor, allerdings war kein Signal für eine erhöhte Mortalität zu sehen (siehe auch 23, 24). Für das d-Enantiomer Sotalol zeigte bereits eine Studie bei PatientInnen mit Herzinfarkt eine erhöhte Mortalität (5% versus 3,1%: 25).

Für Dronedaron haben Endpunktstudien einerseits bei PatientInnen mit Herzinsuffizienz, andererseits bei solchen mit persistierendem Vorhofflimmern eine erhöhte Mortalität aufgezeigt, was zu deutlichen Indikationseinschränkungen führte (siehe Pharmainfo XXVI/4/2011), für PatientInnen ohne diese Charakteristika wurde keine erhöhte Mortalität beobachtet (siehe oben, Cochrane Review).

Insgesamt sind die Daten für Antiarrhythmika bei Vorhofflimmern bezüglich Mortalität limitiert. Eine Erhöhung der Mortalität ist allerdings für keine der diskutierten Substanzen überzeugend belegt, für Sotalol liegt allerdings ein Signal vor, für Dronedaron in zwei PatientInnen-Subgruppen.

Diabetes mellitus

Statine: Auch für Diabetes mellitus wurde erst relativ spät erkannt, dass Statine das Risiko erhöhen, wohl auch hier dadurch bedingt, dass die Inzidenz für das Auftreten dieser Erkrankung sehr hoch ist. So traten in einer großen (n = 17.802) Studie im Laufe von 2 Jahren in der Placebogruppe 2,4% neue Diabetesfälle auf, in der Statingruppe 3%, also ein Anstieg von 25% (26) - ein Unterschied, der nicht klinisch auffällig ist, sondern nur in einer großen Studie erfasst werden kann.

Da im Jahr 2016 die Nutzen/Risikoabwägung von Statinen insbesondere in der Primärprophylaxe auch kontroversiell diskutiert wurde (27), sei ein sehr ausführlicher Review hierzu erwähnt (27a), wobei wir hier die NNT- (kardiovaskuläre Events) und NNH-Werte bei einer Therapie von 5 Jahren anführen, die den Nutzen der Statine gut belegen: Sekundärprophylaxe: NNT 10, Primärprophylaxe (mit gegebenem Risiko): NNT 20, Diabetes: NNH 100, hämorrhagischer Schlaganfall: NNH 1.000, Myopathie (mit deutlichem CK-Anstieg): NNH 2.000.

Dies ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie ungewöhnliche NW wie Rhabdomyolyse, obwohl sehr selten, früher erkannt wurden, die häufigere NW Diabetes bei hohem „background“ viel später.

Stürze und Frakturen bei älteren PatientInnen

Stürze sind ein häufiges Phänomen bei älteren Menschen, sie können zu Frakturen und als Folge zur Hospitalisierung und erhöhter Mortalität führen.

Wir haben berichtet (siehe Pharmainfo XXXII/1/2017), dass Benzodiazepine und Z-Substanzen die Inzidenz von Stürzen und Frakturen signifikant (HR ca. 1,4) erhöhen, eine relevante NW! So stürzten z.B. 22,6% von älteren Männern unter Benzodiazepin zwei Mal im letzten Jahr (NNH: 15) versus 16,2% von Kontrollen (28). Oberschenkelhalsfrakturen waren unter Zolpidem (Generika, Ivadal) bei Personen über 65 Jahren 2,08mal häufiger (NNH: 173, siehe 29).
Möglicherweise aufgrund von verminderter Resorption von Calcium ist die Langzeitanwendung von Protonenpumpenhemmern mit signifikant erhöhtem Risiko für Frakturen assoziiert. Insgesamt 4 Metaanalysen belegen dieses Risiko, wobei das RR im Bereich zwischen 1,3 und 1,5 liegt (29a).

Alzheimer-Demenz

Tranquilizer und Z-Substanzen: Mehrere rezente Beobachtungsstudien haben einen Zusammenhang zwischen Tranquilizer-Therapie und dem Auftreten von Alzheimer-Demenz thematisiert (siehe ausführliche Diskussion in Pharmainfo XXXII/1/2017). Die Daten sind aber widersprüchlich und letztlich können Beobachtungsstudien keine Kausalität zwischen der Gabe von Substanzen und einer Erkrankung beweisen.

Anticholinerge Substanzen: Zahlreiche Studien (siehe Metaanalyse 30) sprechen dafür, dass diese Substanzen (z.B. Blasentherapeutika, trizyklische Antidepressiva, Antihistaminika) die kognitiven Fähigkeiten älterer Menschen beeinträchtigen können (siehe auch Diskussion über Blasentherapeutika in Pharmainfo XXX/4/2015). Für Alzheimer-Demenz zeigt eine rezente Kohortenstudie, dass Anticholinergika mit einem Anstieg des Risikos korrelieren (31).

Für beide Substanzgruppen gilt: Obwohl die Frage, ob Medikamente das Alzheimerrisiko erhöhen können, von offensichtlich großer klinischer Relevanz ist, gibt es nur Hinweise, aber keine Beweise. Auf jeden Fall dürfte es zweckmäßig sein, bei älteren Menschen, wenn möglich Alternativen (siehe z.B. Diskussion für Blasentherapeutika: Pharmainfo XXX/4/2015) zu verwenden bzw. die Indikation streng zu stellen.

Für die Androgendeprivationstherapie wurde erst kürzlich in einer Studie an 9.272 Männern mit Prostatakarzinom gezeigt, dass diese Therapie mit einem erhöhten Alzheimerrisiko (7,9% versus 3,5%; NNH = 25) korreliert (32), auch für Protonenpumpenhemmer ergab sich für die Entwicklung von Demenz ein höheres Risiko (HR 1,44; CI 1,136-1,52; 33). Offensichtlich sind weitere Studien zu dieser Frage notwendig, ein verlässlicher Beweis für einen kausalen Zusammenhang kann nur durch randomisierte Studien erhalten werden.

Mortalität bei dementen PatientInnen

Wir haben darüber berichtet (Pharmainfo XXI/4/2006; XXXI/3/2016), dass die Gabe von Neuroleptika bei agitierten dementen PatientInnen zu einer erhöhten Mortalität führt. Da dieser Effekt sehr ausgeprägt war, wurde er, obwohl bei diesen PatientInnen die basale Mortalität hoch ist, durch Metaanalysen randomisierter Studien schon früher erkannt (Pharmainfo XXI/4/2006). In absoluten Zahlen ausgedrückt (siehe Pharmainfo XXXI/3/2016) steigt die Mortalität z.B. für Risperidon (Generika, Risperdal) um 3,7% in 180 Tagen (NNH: 27), d.h. um das Bedenkliche dieser NW zu verdeutlichen, dass, wenn 27 dementen PatientInnen ein Neuroleptikum verschrieben wird, ein/e Patient/in in 180 Tagen aufgrund dieser Therapie verstirbt (34). Die Indikation (siehe auch Fachinformation) ist daher, wenn alle anderen Maßnahmen nicht zielführend sind, auf PatientInnen zu beschränken, die sich und andere in klarer Weise gefährden.

Schlussfolgerungen

(i) Für manche Medikamente haben erst Studien, die lange nach der Markteinführung durchgeführt wurden, quantitativ sehr relevante und z.T. auch schwere NW erkannt – offensichtlich dadurch bedingt, dass diese NW Krankheitsbilder betrafen, die eine hohe Häufigkeit in der Bevölkerung haben.
Für manche Medikamente (z.B. Digitalis) werden entscheidende Studien z.T. erst jetzt durchgeführt.
Ob noch weitere Medikamente die Inzidenz von z.B. kardiovaskulären Ereignissen oder Alzheimer-Demenz erhöhen können, kann erst durch weitere Studien geklärt werden.

(ii) Bei der Risiko/Nutzenabwägung im Rahmen der Verschreibung von Medikamenten sind ungewöhnliche, insbesondere schwere NW, auch wenn sie sehr selten sind (wie Agranulozytose, Rhabdomyolyse, Stevens-Johnson-Syndrom: NNH > 10.000) natürlich zu beachten. Diejenigen NW, die zu einer erhöhten Inzidenz von in der Bevölkerung relativ frequenten Erkrankungen (z.B. kardiovaskulärer Art) führen, sind im ärztlichen Routinebetrieb nicht zu erkennen, sind aber auf Grund ihrer Häufigkeit (NNH: 15 – 1.000) von besonderer Relevanz.

Literatur
(1) Collins R et al. Lancet online, 2016
(1a) Khan AA. J Bone & Min Res 30, 3, 2015
(2) Janke C et al. Anaesthesist 52, 321, 2003
(2a) Abajo FJ et al. Br J Clin Pharmacol 58, 71, 2004
(2b) Björnsson ES et al. Gastroent 144, 1419, 2013
(3) Halevy S et al. J Am Acad Derm 58, 25, 2008
(3a) Mockenhaupt M et al. J Invest Derm 128, 35, 2008
(4) Schmidt M et al. Eur Heart J 37, 1015, 2016
(5) Khan SS et al. Lancet 385, 2330, 2015
(6) Digitalis Inv Group. N Engl J Med 336, 525, 1997
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(18) Ziff OJ et al. Trends Card Med 26, 585, 2016
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(19) Cole GD et al. BMJ 351, h4462, 2015
(20) Echt DS et al. N Engl J Med 324, 783, 1991
(21) Amiodarone Trial Investigators. Lancet 350, 1417, 1997
(22) Lafuente-Lafuente C et al. Cochrane Database Syst Rev, issue3, 2015
(23) Freemantle N et al. Europace 13, 329, 2014
(24) Andersen SS et al. Europace 11, 886, 2009
(25) Waldo AL Lancet 348, 7, 1996
(26) Ridker PM et al. N Engl J Med 380, 565, 2012
(27) Nielsen SF et al. Eur Heart J 37, 908, 2016
(27a) Collins R et al. Lancet 388, 2532, 2016
(28) Diem SJ et al. J Geront Ger Res 3, 158, 2014
(29) Lin F-Y et al. Sleep 37, 673, 2014
(29a) Maes ML et al. Ther Adv Drug Saf 8, 273, 2017
(30) Fox C et al. Age and Aging 43, 604, 2014
(31) Gray SL et al. JAMA Int Med 173, 401, 2015
(32) Nead KT et al. JAMA Oncol 3, 49, 2017
(33) Gomm W et al. JAMA Neurol 73, 1028, 2016
(34) Maust DT et al. JAMA Psych 72, 438, 2015

Methadon und Tumortherapie

Irina Tsibulak, Univ. Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Innsbruck

Methadon (Methasan) ist ein vollsynthetisch hergestelltes Opioid, das vor allem als Substitutionsmittel in der Entzugstherapie bei Heroinabhängigkeit bekannt ist. In den vergangenen Monaten ist es allerdings als universelles Krebsmedikament in den Fokus der Medien (ARD-Sendung Plusminus vom 12.04.2017, 3SAT-Sendung Nano vom 02.05.2017; 1, 2) gerückt. Anlass dazu lieferte eine kleine retrospektive Analyse von Onken et al. vom März 2017 (3) – bis dato die einzige klinische Studie zu diesem Thema.

In diese Studie wurden 27 PatientInnen mit Gliomen in unterschiedlichen Stadien (II-IV), mit unterschiedlichem Krankheitsverlauf sowie mit unterschiedlichen Risikofaktoren eingeschlossen. Alle PatientInnen erhielten Chemotherapie. In den meisten Fällen handelte es sich um Temozolomid (Temodal, Generika), einige bekamen zudem eine antiangiogenetische Therapie mit Bevacizumab (Avastin). Zusätzlich zur Chemotherapie erhielten die PatientInnen 1% D,L-Methadon, von anfänglich 5 mg pro Tag bis max. 35 mg pro Tag. Bei der Mehrzahl der PatientInnen zeigten sich keine Nebenwirkungen, 13 litten anfänglich unter Nausea, 4 PatientInnen berichteten über persistierende Nebenwirkungen wie Nausea und Obstipation. Laut der Publikation entwickelten nur 9 der 27 PatientInnen einen Rückfall. Die AutorInnen beschrieben eine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens mit Hazard Ratios von 0,64 bzw. 0,63 (PatientInnen mit vs. ohne Promotor-Hypermethylierung von O6-Methylguanin-DNA-Methyltransferase), allerdings konnte dieser vermeintliche Effekt statistisch nicht belegt werden (3, 4). Diese Daten sind als unzureichend zu betrachten, um den postulierten therapeutischen Nutzen von Methadon in dieser Indikation beurteilen zu können.

Es gab in den letzten Jahren 2 Veröffentlichungen von Friesen et al. (5, 6) zum Wirkungsmechanismus von Methadon. Dabei handelt es sich ausschließlich um in vitro-Studien mit Leukämie- bzw. Glioblastomzelllinien, die mit Doxorubicin und Methadon behandelt wurden. Laut AutorInnen verfügen Glioblastomzellen über zahlreiche Opioid-Rezeptoren an ihrer Oberfläche. Einmal angedockt, soll Methadon durch die Aktivierung der inhibitorischen Gi-Proteine eine Downregulation von cAMP verursachen und dadurch Tumorwachstum inhibieren, die Chemosensitivität der Tumorzellen steigern und Apoptose aktivieren. Die klinische Bedeutung dieser in vitro-Studien ist aber vollkommen unklar.

Methadon wird hauptsächlich in der Leber metabolisiert, dabei spielt CYP3A4 eine wichtige Rolle. Viele Medikamente sind Substrate, Induktoren oder Inhibitoren von CYP3A4, daher sind zahlreiche Interaktionen zwischen Methadon und anderen Pharmaka zu befürchten.

Bekannte Risiken von Methadon sind zum Beispiel: Blutdruckabfall bei gleichzeitiger Einnahme mit MAO-Hemmern bis zum Koma, QT-Zeit-Verlängerung und dosisabhängige Atemdepression. Diese Risiken sind mit erhöhter Morbidität sowie Mortalität assoziiert (7, 8).

Zahlreiche medizinische Gesellschaften haben bereits eine Stellungnahme zum Thema Methadon und Tumortherapie abgegeben. Dabei wird vor allem auf das Fehlen von kontrollierten klinischen Studien sowie auf die Risiken einer Methadontherapie hingewiesen. Außerhalb von Gliomen gibt es keinerlei klinische Erfahrung und es fehlt dafür auch jegliche Rationale. Eine unkritische Off-Label-Anwendung von Methadon auf Basis der bisher vorliegenden Daten zur Wirksamkeit und des möglichen Risikos einer erhöhten Morbidität sowie Mortalität ist daher abzulehnen (4).

Literatur
(1) ARD, Plusminus, 2017
(2) 3SAT, Nano, 2017
(3) Onken J et al. Anticancer Res 37, 1227, 2017
(4) Stellungnahme der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie. http://www.oegho.at/online-services/news/details/artikel/stellungnahme-methadon-bei-krebspatienten.html (Zugriff 16.10.2017)
(5) Friesen C et al. Cell Cycle 13, 1560, 2014
(6) Friesen C et al. Oncotarget 4, 677, 2013
(7) Ray WA et al. JAMA Intern Med 175, 420, 2015
(8) Pharmazeutische Zeitung 42, 1999

 

P.b.b. Erscheinungsort Verlagspostamt 1010 Wien

Montag, 4. Dezember 2017

Pharmainformation

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