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Inhalt

 

Die Behandlung der vulvovaginalen Pilzinfektionen

C. Marth, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Innsbruck

 Die Häufigkeit von Pilzinfektionen der Vulva und der Vagina hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Dies läßt sich zum Beispiel dadurch belegen, daß in den USA im vergangenen Dezennium eine mehr als fünfzigprozentige Steigerung der Verschreibungen von Antimykotika beobachtet werden konnte. Die amtlichen Stellen in England sprechen gar von einer Verdreifachung der therapierten Fälle von Candidiasis. Die Ursachen dieser Entwicklung sind nicht vollständig geklärt, da Änderungen im Sexualverhalten, der Bekleidungsgewohnheiten oder der Ernährung als Begründung nicht ausreichen. Mit empfindlichen Kulturmethoden kann bei etwa 20% der asymptomatischen Frauen im gebärfähigen Alter die Kolonisation mit Candida nachgewiesen werden. Die niedrige Prävalenz von Pilzinfektionen vor der Menarche und nach der Menopause einerseits, und die höhere Rate während der Schwangerschaft und bei Einnahme von hochdosierten oralen Kontrazeptionspräparaten andererseits, weisen auf einen Zusammenhang mit Geschlechtshormonen hin. Frauen mit unbehandeltem Diabetes mellitus, Hypacidität des Magens (Darm als Infektionsquelle), einer Geschlechtskrankheit oder unter Antibiotikatherapie sind ebenfalls häufiger von einer Pilzkolpitits betroffen. Als spezielle prädisponierende Faktoren haben sowohl die iatrogene (z.B. bei Chemo- oder Strahlentherapie) als auch die erworbene Immunschwäche (z.B. bei HIV-Infektion) deutlich zugenommen.

 

Das Leitsymptom der Pilzinfektion ist ein intensiver vulvärer und vaginaler Pruritus, meistens assoziiert mit Erythem, Brennen, Dysurie und Dyspareunie. Der Fluor ist häufig weiß, krümelig und sehr viskös, selten wäßrig. Im Gegensatz zur bakteriellen Vaginose bleibt der pH-Wert häufig sauer (pH <4,5) und die physiologische Döderlein-Flora unbeeinflußt. Zwischen 85 und 90% der Pilzinfektionen werden durch Candida albicans hervorgerufen, der verbleibende Anteil verteilt sich auf andere Candidaarten. Myzelien und Sporen können mikroskopisch im Nativpräparat nachgewiesen werden, wobei durch Zugabe von 10% Kalilauge die Sensitivität beträchtlich gesteigert werden kann. Bei Vorkommen von Leukozyten und einem pH-Wert über 4,5 sollte stets an eine Mischinfektion mit Bakterien oder Trichomonaden gedacht werden. Kann bei bestehendem Infektionsverdacht der Nachweis mikroskopisch nicht geführt werden, so ist die Kultur aus dem Vaginalsekret indiziert.

 

Topische Therapie

Für die Therapie der vulvovaginalen Pilzinfektion stehen seit längerer Zeit Präparate zur topischen Anwendung zur Verfügung. Das Polyenantibiotikum Nystatin (Mycostatin Präparate) ist nur topisch wirksam und, da keine Resistenzentwicklung zu beobachten ist, nach wie vor bewährt, wobei die Ansprechrate zwischen 70% und 80% liegt. Ein etwas besseres Ergebnis mit einer Ansprechrate von 80 bis 90% kann von topischen Imidazolpräparaten erwartet werden. Zu diesen Antimykotika mit einem breiten Wirkungsspektrum, das sich neben den Candida Stämmen auch auf Dermatophyten und einige grampositive Bakterien erstreckt, gehören Clotrimazol (Canesten Präparate), Miconazol (Daktarin Präparate), Oxiconazol (Gyno-Liderman-Vaginaltabletten und Gyno Oceral-Vaginaltabletten), Econazol (Gyno-Pevaryl Präparate), Isoconazol (Gyno-Travogen-Vaginaltabletten) und Tioconazol (Gyno-Troysd-Vaginaltabletten). Ein Nachteil der Imidazolpräparate ist die fehlende Wirkung auf ruhende Sporen. Lokale Nebenwirkungen, die über ein verstärktes Jucken oder Brennen hinausgehen, sind jedoch außerordentlich selten (z.B. eine Kontaktdermatitis). Aufgrund der geringen Resorption sind bisher auch keine systemischen Nebenwirkungen und ist somit auch keine systemische antimykotische Aktivität bekannt geworden. Die Penetration der Hautschichten gestattet eine ausreichende lokale Therapie, allerdings bleiben vermeintliche Reservoirs, wie etwa im Gastrointestinaltrakt, unbeeinflußt. Um derartige potentielle Quellen eines Rezidivs behandeln zu können, wurden orale Präparate entwickelt.

 

Systemische Therapie

Als orale Präparate stehen das Imidazolderivat Ketoconazol (Nizoral) und, in den letzten Jahren, auch die Triazolderivate (siehe auch Pharmainfo 7/I/92 für eine generelle Bewertung dieser Präparate) Fluconazol (Fungata und Diflucan) und Itraconazol (Sporanox) zur Verfügung. Triazolderivate hemmen die Ergosterolbiosynthese über das Zytochrom-P450. Ketoconazol ist zur Therapie der vulvovaginalen Mykose aufgrund der schlechten Verträglichkeit und der Hepatotoxizität (Beeinflussung des humanen Leber-Zytochrom-P450) bei vergleichbaren Heilungsraten mit Fluconazol überholt (bereits in der Pharmainfo 4/I/89 wurde Ketoconazol wegen dieser Nebenwirkungen kritisch bewertet). Eine besonders schwere Nebenwirkung des Ketoconazols stellt die Hepatitis dar, die nicht dosisabhängig bei etwa einer von 15000 behandelten Frauen auftreten kann. Unter ungünstigen Bedingungen kann diese Reaktion auch letal für die Patientin enden. Fluconazol und Itraconazol binden im Gegensatz zum Ketoconazol nur schwach am Zytochrom-P450 der menschlichen Leber und lösen aus diesem Grund seltener derartige Probleme aus. Die beobachteten Nebenwirkungen betreffen vor allem Nausea (4%), Erbrechen (2%), Diarrhoe (2%), abdominale Beschwerden (2%), sowie Cephalaea (2%) und Hautreaktionen (2%). Eine Erhöhung der Transaminasen tritt bei etwa 1% der Patienten auf. Als Besonderheit ist das Stevens-Johnson-Syndrom (Erythema exsudativum multiforme: Bildung von Erythemen auf denen sich Blasen entwickeln, deutlich reduzierter Allgemeinzustand mit hohem Fieber), das bei 7 AIDS-Patienten während einer Fluconazol-Therapie auftrat, zu erwähnen. Aufgrund der gleichzeitigen Einnahme von zahlreichen anderen Medikamenten konnte der kausale Zusammenhang mit dem Triazolderivat allerdings nicht eindeutig geklärt werden. Bei der für die Behandlung von vulvovaginalen Candidosen üblichen Einmaldosierung sollten relevante Interaktionen mit anderen Medikamenten nicht auftreten. Besondere Bemerkungen verdient jedoch die Beeinflussung der Cumarinwirkung bei antikoagulierten Patienten. Eine genaue Überwachung mit Hilfe des Quick- oder des Thrombotests ist hier angezeigt.

 

Topische versus systemische Therapie

Die Wirksamkeit der Einmaldosierung von Fluconazol bei einer akuten vaginalen Candidose wurde in 28 Studien untersucht. Bei annähernd 5000 Frauen konnte über die klinische Ansprechrate von 88-100%, im Mittel 94% berichtet werden, wobei im Rahmen dieser Studie dies auch durch das Vorliegen negativer Pilzkulturen bei 85% bestätigt wurde. Vergleichbare Ergebnisse wurden mit einer Eintagestherapie mit Itraconazol im Rahmen einer holländischen Studie erzielt. Bei 92% der Frauen wurde nach einer bzw. nach 4 Wochen ein klinisches Ansprechen diagnostiziert. In einer vergleichenden Untersuchung von Itraconazol oral und Clotrimazolcreme wurden ähnliche, mittels Pilzkulturen bestätigte Heilungsraten (89 bzw. 85%) erreicht. Der Wirkungseintritt war mit dem 2. Behandlungstag für beide Gruppen gleich. Damit unterscheiden sich die für die oralen Präparate beschriebenen Erfolgswerte unwesentlich von jenen der topischen.

 

Rezidivtherapie

Das Auftreten von wiederholten vaginalen Pilzerkrankungen (ab 4 pro Jahr spricht man von einer chronischen Candidavulvovaginitis) betrifft etwa 5% aller erwachsenen Frauen. Die prophylaktische Gabe von topischem Clotrimazol nach jeder Menstruation oder einmal monatlich hilft, die Frequenz der Rezidive zu vermindern, jedoch nicht, den Pilzbefall vollständig auszuheilen. Auch für die Behandlung mit oralem Ketoconazol gilt das gleiche. Die bei dieser Indikation applizierte Dosis führt nur selten zu Nebenwirkungen, jedoch bleibt ein Risiko für eine dosisunabhängige, idiosynkratische Hepatitis bestehen. Deshalb wurde versucht, orales Fluconazol oder Itraconazol einzusetzen. Beide Substanzen waren imstande, etwa 80% der Patientinnen rezidivfrei zu halten, wobei auch mittels dieser oralen Substanzen - ähnlich wie bei der Behandlung mit topischem Clotrimazol - eine Dauerheilung nicht erzielt wurde. Damit gilt für die chronische Vulvovaginitis ähnlich wie für den akuten Pilzbefall: Die systemische Therapie ist der topischen nicht überlegen!

Bei Darmbefall durch den Pilz kann eine dauerhafte Sanierung mit Nystatin (peroral Mycostatin), das nicht resorbiert wird, versucht werden.

 

Therapie in der Schwangerschaft

Das gehäufte Auftreten von Pilzinfektionen während der Schwangerschaft und die damit verbundene Gefahr für das Neugeborene auf der einen Seite, und das geringere Ansprechen auf die Therapie bei höherer Rezidivfrequenz auf der anderen Seite, erschweren die Behandlung. Für die topische Applikation von Imidazolderivaten, insbesondere von Clotrimazol, liegen ausreichende Untersuchungen vor, die einen Einsatz während der Schwangerschaft, insbesondere im dritten Trimenon, zulassen. Dies gilt jedoch (noch?) nicht für orale Triazolderivate. Aufgrund teratogener Effekte an Ratten und noch unzureichender Erfahrung am Menschen bleiben diese oralen Substanzen weiterhin für die gesamte Schwangerschaftsdauer und Stillperiode kontraindiziert, auch wenn bisher keine Zunahme der Fehlbildungen bei therapierten Frauen beobachtet werden konnte.

 

Zusammenfassung

Für die Therapie der akuten vulvovaginalen Mykose stehen mit topisch applizierten Imidazolen probate Substanzen zur Verfügung, die zudem auch während der Gravidität eingesetzt werden können. Das Ketoconazol hat seinen Platz in der oralen Therapie zugunsten der nebenwirkungsarmen oralen Triazolderivateverloren. Allerdings besteht weiterhin kein Grund, auf topische Medikamente zu verzichten. Es mag sein, daß von den Frauen orale Medikamente besser akzeptiert werden können als lokale, und daß dadurch die Compliance verbessert wird; dennoch sind aufgrund der Risiko-Nutzen Abwägung die topischen Pilzmittel bei ähnlichen Heilungsraten vorzuziehen Auch in der Therapie der chronisch rezidivierenden Vulvovaginitis bieten die oralen Substanzen gegenüber den lokalen nur geringe Vorteile. Aus diesem Grund sollten auch in Zukunft die oralen Triazolderivate nur bei hartnäckigem Versagen der lokalen Therapie oder bei rezidivierenden Infektionen Einsatz finden. Ihre Anwendung während der Schwangerschaft ist derzeit (noch?) kontraindiziert. Die Euphorie, welche die oralen Antimykotika - wie es so oft bei der Einführung neuer Medikamente geschieht - begleitet hat, ist inzwischen wieder abgeflaut und durch eine kritische Betrachtungsweise abgelöst worden.
 

Literatur
Am. J. Obstet Gynecol. 165 (1991) 1188
Gynäkologie 25 (1992) 26
NEJM 315 (1986) 1455

 

Antiarrhythmika

Antiarrhythmika stellen eine heterogene Substanzgruppe dar, mit welcher tachykarde Herzrhythmusstörungen behandelt werden. Die Behandlung bradykarder Rhythmusstörungen erfolgt vorwiegend nichtmedikamentös (z.B. Implantation eines Schrittmachers), als Arzneimittel kommen hier M-Cholinozeptor-Antagonisten (Atropin, Ipratropiumbromid) und ß-adrenerge Agonisten in Frage. Antiarrhythmika sind nach Vaughan Williams (1,2) in vier Klassen unterteilt, die sich am elektrophysiologischen Wirkungsmechanismus orientieren:

 

Klasse I. Ähnlich den Lokalanästhetika vermindern Substanzen der Klasse I die Öffnungswahrscheinlichkeit spannungsabhängiger Natriumkanäle und behindern dadurch die Auslösung von Aktionspotentialen gefolgt von einer Verzögerung der Erregungsleitung. Teilweise leiten sie sich direkt von den Lokalanästhetika ab (z.B. Lidocain). Nach dem Ausmaß der Natriumkanalhemmung bestehen drei Subklassen:

Klasse Ia. Die Inaktivierung des Natriumkanals, die physiologischerweise 0.02 s dauert, ist erst nach ca. 5 s völlig aufgehoben. In diese Subklasse gehören Chinidin (Chinidinsulfat) und Disopyramid (Rythmodan). Zusätzlich beeinträchtigen sie die Kaliumpermeabilität, sodaß auch die Repolarisationsphase und damit Aktionspotentialdauer und Refraktärzeit verlängert sind.

Klasse Ib. Die Inaktivierung des Natriumkanals ist nach ca. 2 s aufgehoben, sie beeinflussen den Natriumkanal demnach am geringsten. Substanzen dieser Klasse sind Lidocain (Xylocard) und Mexiletin (Mexitil). Durch eine gleichzeitige Verbesserung der Kaliumpermeabilität verkürzen sie die Repolarisationsphase.

Klasse Ic. Diese Substanzen bewirken die stärkste Hemmung des Natriumkanals, da es über 15 s dauert, bis dessen Inaktivierung wieder völlig beseitigt ist. Hierher gehören Propafenon (Rytmonorma), Ajmalin (Gilurytmal), Prajmalium (Neo-Gilurytmal) und Aprindin (Ritmusin). Im Gegensatz zu den Klasse Ia- und Klasse Ib-Substanzen lassen sie die Kaliumpermeabilität und damit die Repolarisation unbeeinflußt.

Klasse II bilden die ß-Rezeptorenblocker.

Klasse III sind Substanzen, die die Kaliumpermeabilität vermindern und dadurch Aktionspotentialdauer und Refraktärzeit verlängern. Vertreter dieser Klasse sind Amiodaron (Sedacoron), das allerdings auch Eigenschaften aller anderen Klassen, und Sotalol (Sotacor), das auch Klasse II-Eigenschaften (ß-Blockade) besitzt.

 

Klasse IV sind Calzium-Antagonisten, wobei in Österreich Verapamil (Isoptin), aus der chemische Gruppe der Phenylalkylamine, und Diltiazem (Dilzem), aus der Gruppe der Benzothiazepine, bei dieser Indikation zugelassen sind. Calzium-Antagonisten aus der Gruppe der Dihydropyridine (z.B. Nifedipin) eignen sich hingegen nicht als Antiarrhythmika.

 

Als wirksamste Vertreter wurden lange Zeit die Natriumkanalblocker der Klasse Ia und Ic angesehen. Breitflächige Verwendung fanden sie nicht nur zur Therapie schwerer bis maligner ventrikulärer Rhythmusstörungen und des Vorhofflimmerns, sondern auch zur Langzeittherapie bei Postinfarktpatienten mit gehäuften bzw. komplexen ventrikulären Rhythmusstörungen. Obwohl für Klasse I-Antiarrhythmika schon immer bekannt war, daß sie selbst Rhythmusstörungen auslösen können (proarrhythmische Wirkung), wurde diese gefürchtetste Nebenwirkung der Antiarrhythmika erst Ende der 80er-Jahre durch die CAST-Studie (Cardiac ArrhythmiaSuppression Trial) in ihrer gesamten Tragweite erfaßt (3,4). Es wurde die Wirksamkeit der Klasse Ic-Antiarrhythmika Flecainid, Encainid und Moricizin (die allerdings allesamt in Österreich nie verfügbar waren) bei Patienten nach Myokardinfarkt mit gehäuften ventrikulären Extrasystolen und linksventrikulärer Dysfunktion geprüft. Die Studienarme mit Flecainid und Encainid mußten vorzeitig abgebrochen werden, da die Gesamtmortalität in dieser Gruppe 2.5-fach höher war als in der Placebogruppe; die Rate an plötzlichen Todesfällen war nahezu vierfach höher.

 

Obwohl nach Veröffentlichung von CAST eine Reihe berechtigter Kritiken am Design der Studie geäußert wurden (z.B. überraschend niedrige Mortalität in der Placebo-Gruppe, Fehlen regelmäßiger Langzeit-EKG-Kontrollen, keine Plasmaspiegel-Kontrollen der Antiarrhythmika), ist der therapeutische Nutzen aller Klasse I-Antiarrhythmika (also nicht nur der in CAST verwendeten) grundsätzlich neu überdacht worden. Dies umso mehr, als auch nach Analyse mehrerer klinischer Studien (5-7) der Schluß zu ziehen ist, daß sie bei Langzeitbehandlung die Mortalität gegenüber Placebo eher erhöhen. Eine lebensverlängernde Wirkungfür ein Klasse I-Antiarrhythmikum konnte jedenfalls noch in keiner Studie nachgewiesen werden.

Anwendungslimitierend für diese Substanzgruppe ist in erster Linie deren proarrhythmische Wirkung, die bereits bei therapeutischen Plasmaspiegel auftreten kann, in zweiter Linie sind es eine negativ inotrope Wirkung und substanzspezifische extrakardiale Nebenwirkungen. Die Auslösung von Arrhythmien wird dadurch erklärt, daß kreisende Erregungen ("re-entry"-Mechanismen) begünstigt werden: vor allem die Klasse Ic-Substanzen verkürzen nämlich die Refraktärstrecke (d.h. die Länge refraktären Gewebes unmittelbar hinter der Erregungswelle), da sie die Leitungsgeschwindigkeit herabsetzen, ohne die Refraktärzeit nennenswert zu verlängern. Hinzu kommt, daß genau die Patienten, die von einer Therapie mit Antiarrhythmika profitieren sollen, nämlich solche mit linksventrikulärer Dysfunktion und/oder bedrohlichen Rhythmusstörungen, am gefährdetsten hinsichtlich deren proarrhythmischer Effekte sind. Ihre Häufigkeit wird mit 4-16% angegeben (8). Aber auch die negativ inotrope Wirkung der Klasse I-Substanzen wirkt sich bei Patienten mit bestehender Linksherzinsuffizienz am gravierendsten aus. Eine den Ia-Substanzen eigene anticholinerge Wirkung (Verkürzung der AV-Überleitung!) sowie die für Lokalanästhetika typische Vasodilatation beeinflussen ebenfalls ungünstig den hämodynamischen Gesamteffekt.

 

Wie ist der heutiger Stellenwert der Antiarrhythmika daher zu beurteilen?

Auf der Suche nach weniger toxischen Substanzen als die Klasse I-Antiarrhythmika wurden klinische Prüfungen mit den schon lange bekannten Vertretern der Klasse III (Amiodaron, Sotalol) neu gestartet. Obwohl ähnlich stark antiarrhythmisch wirksam, sind auch diese nicht frei von proarrhythmischen Effekten. Dafür verantwortlich ist die starke Verlängerung der Repolarisation, die ventrikuläre Salven provoziert (9); sie äußern sich typischerweise als "Torsades des Pointes" (Spitzenumkehrtachykardien) und können auch bei Ia-Antiarrhythmika, die ebenfalls die Repolarisationszeit verlängern, auftreten. Bei Langzeittherapie sind für Amiodaron substanzspezifische extrakardiale Nebenwirkungen beträchtlich: mikrokristalline Ablagerungen in der Cornea, Photodermatitis, neurologische Störungen (Parästhesien, Tremor, Ataxie), Störungen der Schilddrüsenfunktion und Lungentoxizität (bis zu Fibrosen), wobei die beiden letzteren ein besonderes Risiko darstellen (10). Bei razemischem (DL-)Sotalol sind noch alle Nebenwirkungen und Kontraindikationen eines ß-Blockers zu beachten. Das D-Enantiomer von Sotalol, das frei von ß-blockierenden Wirkungen ist, sowie eine Reihe neuer Klasse III-Substanzen sind derzeit in klinischer Erprobung. Ob sie gegenüber Amiodaron und DL-Sotalol eine Vorteil bringen werden, muß abgewartet werden (11).

 

Ventrikuläre Rhythmusstörungen

Bei ventrikulären Rhythmusstörungen kommen sowohl Klasse I- als auch Klasse III-Antiarrhtyhmika nur mehr bei Hochrisikopatienten zum Einsatz. Die Klasse I-Substanzen beschränken sich dabei weitgehend auf die kurzzeitige, oft intravenöse Gabe zur Kupierung maligner bzw. lebensbedrohender ventrikulärer Tachyarrhythmien, wobei bei Tachyarrhythmien im Rahmen eines Myokardinfarktes eine Infusion mit dem Ib-Präparat Lidocain eine schon lange bewährte Sofortmaßnahme darstellt. Zur Prognose einer antiarrhythmischen Langzeittherapie bei anhaltender Kammertachykardien wird heute neben dem Langzeit-EKG (Holter-Monitoring) die programmierte Ventrikelstimulation angewandt. Sie nutzt die Induzierbarkeit der klinisch dokumentierten Arrhythmie als Basis für eine erfolgskontrollierte Therapie, d.h. das Antiarrhythmikum wird danach ausgewählt, ob es derartig induzierte Arrhythmien unterdrücken kann ("serielle Austestung"). Im Gegensatz zum Langzeit-EKG ist dieses Verfahren allerdings invasiv und für den Patienten psychisch belastend. Hinzu kommt, daß ein kürzlich publizierter direkter Vergleich zwischen Holter-Monitoring und programmierter Elektrostimulation zur Prüfung der Wirksamkeit eines Antiarrhythmikums die Überlegenheit eines der beiden Verfahren nicht bestätigen konnte (EVSEM-Studie, 12).

Wesentlich wichtiger als die Frage der Wirksamkeitskontrolle einer Antiarrhythmika-Therapie erscheint aber die grundsätzliche Frage, ob ein Antiarrhythmikum bei anhaltenden Tachyarrhythmien wirklich einer Placebogabe überlegen ist. Ein direkter Vergleich mit Placebo ist noch nie durchgeführt worden, da eine reine Placebogabe bei solchen Hochrisikopatienten mit Recht auf schwerwiegende ethische Bedenken stößt. Es wurden nur Antiarrhythmika untereinander verglichen, wobei die Klasse III-Substanzen Amiodaron und Sotalol aufgrund rezenter Studien (EVSEM, 13; CASCADE, 14) möglicherweise einen gewissen Sicherheitsvorteil besitzen dürften. Zur Verhinderung von ventrikulären Tachykardien in der Postinfarktperiode stellen ß-Rezeptorenblocker (ohne ISA) eine schon viele Jahre etablierte Langzeitprophylaxe dar (s. Pharmainformation I/1/86).

Möglicherweise wird die Pharmakotherapie ventrikulärer Rhythmusstörungen in Hinkunft durch implantierbare Cardioverter-Defibrillatoren ergänzt werden. Wurden diese noch bis vor kurzem als Alternative bei erfolgloser serieller Austestung von Antiarrhythmika angesehen, werden sie heute aufgrund zunehmender Einfachheit ihrer Handhabung und zunehmender Kostengünstigkeit bei einer steigenden Zahl von Patienten zur primären und sekundären Prävention von Kammertachykardien, meist in Kombination mit einem Antiarrhythmikum, angewandt. Sollte das Antiarrhythmikum jetzt eine schwerwiegende Rhythmusstörung auslösen, würde diese durch Aktivierung des Cardioverters beseitigt. Ein implantierter Cardioverter würde letztlich auch einen sicheren Vergleich zwischen Antiarrhythmika und Placebo ermöglichen, ohne daß ethische Bedenken entgegenstehen: Arrhythmien, sei es, daß sie als Folge eines nicht vorhandenen Antiarrhythmika-Schutzes (= Placebogruppe) oder als Folge der proarrhythmischen Wirkung eines Antiarrhythmikums auftreten (= Verumgruppe), sollten durch den Cardioverter sofort korrigiert werden. Als Parameter für die therapeutische Wirksamkeit wird die Frequenz, mit der der Cardioverter aktiviert wird, herangezogen.

 

Supraventrikuläre Rhythmusstörungen

Bei supraventrikulären Rhythmusstörungen eignen sich Substanzen der Klassen Ia- und Ic sowie der Klasse III zur Wiederherstellung eines Sinusrhythmus bei Vorhofflimmern. Nach erfolgreicher Rhythmisierung erhöht eine Langzeittherapie mit denselben Substanzen auch die Chance den Sinusrhythmus zu erhalten. Dieser günstige Befund steht aber im Widerspruch zur Beeinflussung der Mortalität: Auch hier ergab eine Analyse mehrerer Studien mit Chinidin, daß bei Dauerbehandlung die Mortalität im Vergleich zu unbehandelten Patienten erhöht ist, wahrscheinlich wieder aufgrund proarrhythmischer Effekte (15). Ein möglicher Vorteil von Klasse III-Antiarrhythmika kann noch nicht beurteilt werden. Die überwiegende Zahl von Vorhoftachyarrhythmien ist im Gegensatz zu ventrikulären Arrhythmien selten lebensbedrohend; ist es daher vertretbar, bei solchen Patienten langzeitig ein Antiarrhythmikum zu verabreichen, daß mit der Gefahr behaftet ist, ventrikuläre Arrhythmien auszulösen? Eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung vor einer solchen Therapie ist daher dringend angezeigt. Bei Vorhofflimmern bzw. anderen Formen supraventrikulärer Tachykardien kann es oft vordringlichstes Ziel sein, die Ventrikelfrequenz unter Kontrolle zu halten. Dafür eignen sich Calzium-Antagonisten (siehe Pharmainfo V/1/1090), bei Patienten mit Herzinsuffizienz (die ein besonders hohes Risiko für proarrhythmische Effekte darstellen) aber in erster Linie Herzglykoside (Digoxin).

 

Schlußfolgerung

Die Behandlungsprinzipien tachykarder Herzrhythmusstörungen sind heute - ausgelöst durch CAST (3,4) - in einer Umbruchphase mit dem Ziel, I-Antiarrhythmika, zumindest in der Behandlung ventrikulärer Rhythmusstörungen, weitgehend zu vermeiden. In der Akutbehandlung schwerer maligner Arrhythmien haben sie sicher eine lebensrettende Funktion, in der Langzeitbehandlung ist ihr Nutzen auch bei Hochrisikopatienten keineswegs gesichert. Die vorliegenden Arbeiten weisen in ihrer Mehrzahl eher auf eine Gefährdung bedingt durch das proarrhythmische Potential der Klasse I-Substanzen hin. Inwieweit sie durch Klasse III-Substanzen ersetzt werden können, ist derzeit noch nicht abzusehen, da zahlreiche klinische Studien mit den vorhandenen, aber auch den neueren Klasse III-Substanzen noch nicht abgeschlossen sind. Möglicherweise wird sich aber eine Kombination mit einer nicht-medikamentösen Therapie, nämlich der Implantation der immer leichter zu handhabenden Cardioverter-Defibrillatoren, als zielführende Maßnahme bei Hochrisikopatienten mit ventrikulären Rhythmusstörungen erweisen.

In der Praxis empfiehlt es sich, auf bewährte Maßnahmen zurückzugreifen, welche die Manifestation von Rhythmusstörungen überhaupt verhindern. Dazu zählen beispielsweise die Behandlung mit ß-Rezeptorenblockern in der Sekundärprophylaxe des akuten Herztodes, ausreichende antianginöse Therapie, genaue Elektrolytkontrolle und die Therapie einer bestehenden Linksherzinsuffizienz, bei Gefahr von Rhythmusstörungen vorzugsweise mit ACE-Hemmern (siehe Pharmainfos IV/3/89 und VIII/3/93).


Literatur:

(1) Symposium on CardiacArrhythmias (E Sandoe, E Flensted-Jensen, KH Olsen, Hrsg), Sodertalje, Schweden; Astra 1970

(2) J Clin Pharmacol 24 (1984) 129

(3) New Engl J Med 321 (1989) 406

(4) New Engl J Med 324 (1991) 781

(5) JAMA 262 (1989) 3037

(6) Circulation 82 (1991) 1106

(7) JAMA 270 (1993) 1589

(8) Ann Rev Pharmacol Toxicol 31 (1991) 427

(9) Drugs 41 (1991) 672

(10) Am J Cardiol 72 (1993) F70

(11) Am J Cardiol 72 (1993) 44B

(12) New Engl J Med 329 (1993) 445

(13) New Engl J Med 329 (1993) 452

(14) Am J Cardiol 72 (1993) 280

(15) New Engl J Med 326 (1992) 1264

 

In Kürze: Etamiphyllin

Das Deutsche Bundesgesundheitsamt hat folgenden Bericht einer Expertenkommission veröffentlicht (DAZ 133,103,1993):

Beurteilung: "Die therapeutische Wirksamkeit von Etamiphyllin ist nicht zuverlässig belegt. Es sind Risiken beschrieben. Der positive Beitrag von Etamiphyllin an der Kombination (Anm. d. Red.: mit Guaifensin: in Österreich als Longtussin duplex-Kapseln im Handel) ist nicht begründet. Die Anwendung in den beanspruchten Indikationen muß daher abgelehnt werden."

Wir werden demnächst eine zusammenfassende Darstellung geben, inwieweit Xanthinderivate in Kombinationen heute noch zweckmäßig sind.

 

P.b.b. Erscheinungsort Verlagspostamt 1010 Wien

Montag, 12. September 1994

Pharmainformation

Kontakt:

em.Univ.Prof.Dr.
Hans Winkler 

Tel.: +43 (0)512/9003-71200
Fax: +43 (0)512/9003-73200  

E-Mail: hans.winkler@i-med.ac.at

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