Suizidverhütung geht uns alle an
Suizid Eine komplexe Problematik in jedem Lebensalter: Zu diesem ernsten und berührenden Thema hielt Ao. Univ.-Prof. Dr. Eberhard A. Deisenhammer im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Medizin für Land und Leute" einen Vortrag in Längenfeld. Einen besonderen Schwerpunkt legte der Experte dabei auf das Thema Suizidverhütung. Die ZuhörerInnen waren zumeist Jugendliche aus der Gemeinde, die einer persönlichen Einladung von Jugendreferent Raphael Kuen gefolgt waren.
Weltweit passiert rund alle zwei Minuten eine Selbsttötung. In Österreich töten sich 1.300 Menschen jährlich selbst. Der Suizid ist damit die acht häufigste Todesursache bei uns. Eine wichtige Kennzahl ist die Suizidrate. Das ist die Anzahl der Suizide pro 100.000 Personen in einem Jahr. In Tirol lag diese 2010 bei 16,6. Zusätzlich geschehen rund 10- bis 25-mal so viele Suizidversuche, wie Suizide. Mindestens 90 Prozent der Suizide geht eine psychiatrische Erkrankung voraus, erklärte Prof. Deisenhammer.
Es gibt Warnsignale
Selten passiert ein Suizid unangekündigt. Häufig gibt es direkte oder indirekte Warnsignale, die insbesondere von Angehörigen ernst genommen werden sollten. Einschneidende Lebensveränderungen zum Beispiel durch den Verlust des Arbeitsplatzes oder bei Beziehungskrisen erhöhen das Suizidrisiko. Besonders gefährdet sind psychisch kranke, ältere oder schwer körperlich kranke Menschen. Auch Personen, die isoliert und vereinsamt leben oder bereits einen Suizidversuche unternommen haben, gehören zur Risikogruppe. Als mögliche Hinweise auf eine Suizidgefährdung nennt Prof. Deisenhammer depressive Symptome wie Rückzug oder Schlafstörungen. Auch ein vermehrter Alkohol- und Drogenkonsum sowie versteckte Botschaften können auf eine Suizidgefährdung hinweisen. Wichtig ist, dass wir uns bewusst werden, dass jede/r in unserer Umgebung suizidal werden könnte. Suizidäußerungen und Hilferufe sollten daher ernst genommen werden. Der Experte räumt auch mit einem Vorurteil auf: Die Behauptung, wer von Selbstmord spricht, begeht ihn nicht, ist absolut falsch!
Suizidprävention: Rund 27 % der Suizide wären vermeidbar
Sehr ausführlich behandelte Deisenhammer das Thema Suizidprävention. Studien zeigen, dass Zugangsbeschränkungen zu bestimmten Orten oder zu Tötungsmitteln (Schusswaffen, Medikamente etc.) einen Rückgang an Suiziden bewirken. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Betroffene sehr oft auf eine Suizidmethode konzentriert sind. Wenn diese nicht durchführbar ist, lassen sie - zumindest kurzfristig - vom Suizid ab. Das ist in der Suizidprävention ein sehr wichtiges Element: Suizide passieren meist in Krisensituationen, diese sind typischerweise vorübergehend. Prof. Deisenhammer und seinen KollegInnen ist es daher ein besonders Anliegen, dass besondere Hot Spots in Tirol, das heißt Orte, an denen Suizide sehr häufig sind, durch entsprechende Zugangshürden oder beispielsweise das Spannen von Fangnetzen gesichert werden. Studien haben gezeigt, dass, wenn alle bekannten Maßnahmen zur Suizidverhütung angewendet werden, rund 27 % der Suizide vermieden werden könnten.
Wichtig: Thema Suizid präventiv besprechen
Die interessierten TeilnehmerInnen stellten im Anschluss an den Vortrag über eine Stunde lang Fragen an den Mediziner. Auch der Bürgermeister der Gemeinde Längenfeld, Ralf Schonger, gehörte zu den aufmerksamen ZuhörerInnen. Er freute sich über die gelungene Veranstaltung. Es ist sehr wichtig, dass solche Themen präventiv besprochen werden. Profitiert von dem Abend hat auch Raphael Kuen, Jugendreferent der Gemeinde. Ich habe viel mit jungen Leuten zu tun. Vieles werde ich zukünftig viel bewusster wahrnehmen. Es war sehr gut, dass wir so ausführlich über das Thema Suizid geredet haben.
Vortragsreihe Medizin für Land und Leute
Das Forum Land und die Medizinische Universität Innsbruck organisieren gemeinsam seit Oktober 2010 die Vortragsreihe Medizin für Land und Leute. Wissenschaft und Medizin soll den Menschen durch die besten ReferentInnen der Medizinischen Universität Innsbruck von Landeck bis Lienz nahe gebracht werden. Die Themen stammen aus den Regionen und werden in Zusammenarbeit mit den Sozialsprengeln erstellt. Die Vorträge beginnen jeweils um 19:30 Uhr und die Teilnahme ist kostenlos! Der nächste Medizin für Land und Leute Vortrag zum Thema Suizid findet am Dienstag, den 17. Jänner 2012 im Gasthof Gemse in Prutz statt.
Zur Person:
Ao. Univ.-Prof. Dr. Eberhard A. Deisenhammer ist seit 2009 Leiter der Gedächtnis-Sprechstunde der Univ.-Klinik für Psychiatrie in Innsbruck. Zuvor war er als Oberarzt an der Abteilung für Affektive Störungen tätig. Er ist wissenschaftlich v.a. im Bereich "Affektive Störungen und Suizid" tätig. Von der Medizinischen Universität Innsbruck hat der Mediziner unter anderem den Lehrauftrag für das Seminar Suizidalität und Suizidprävention. Prof. Deisenhammer fungiert darüber hinaus als zweiter Stellvertretender Vorsitzender der Ethikkommission.
Weitere Termine Medizin für Land und Leute:
01.12.2011, Kirchberg, Alpenresidenz: Warum platzt die Halsschlagader?
17.01.2012, Prutz, Gasthof Gemse: Suizid- Eine komplexe Problematik in jedem Lebensalter
24.01.2012, Wenns, Freizeitzentrum: Allergien und Unverträglichkeiten
07.02.2012, Sillian, Kegelstube Jessacher: Burnout