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Chlamydien: Heimtückische Verursacher der Atherosklerose

Der Einfluss des Bakteriums Chlamydia pneumoniae auf die Entstehung der Atherosklerose steht im Zentrum des kürzlich ins Leben gerufenen EU-Projekts ECIBUG, an dem das Labor für Autoimmunität am Biozentrum Innsbruck unter der Leitung von Prof. Georg Wick beteiligt ist. Die Forscher wollen unter anderem nach neuen Substanzen suchen, die gegen Chlamydien einsetzbar sind. Am Ende könnte eine neue Therapie gegen Atherosklerose stehen.

Obwohl die Rolle klassischer, im Lebensstil begründeter Risikofaktoren bei der Entstehung der Atherosklerose unbestritten ist, haben aktuelle Forschungsergebnisse nun auch andere Ursachen der Atherosklerose ans Licht gebracht. Hintergrund ist die Beobachtung, dass Atherosklerose auch bei Menschen auftritt, die keine klassischen Risikofaktoren, wie etwa erhöhte Blutfettwerte, aufweisen. „Es handelt sich hierbei um eine Infektion mit bestimmten Bakterien, so genannten Chlamydien“, erklärt Prof. Georg Wick. „Das Heimtückische dabei: Die Infektion verursacht meist nur milde allgemeine Symptome, die kaum wahrgenommen werden.“ Der Stamm Chlamydia pneumoniae ist in der Bevölkerung weit verbreitet und konnte schon früher mit dem Auftreten kardiovaskulärer Erkrankungen bei gesunden Personen in Verbindung gebracht werden. Die Infektionsrate in der Bevölkerung ist so hoch, dass praktisch jeder Erwachsene schon einmal mit dem Erreger in Berührung gekommen ist und eine Immunreaktion dagegen entwickelt hat. Die Chlamydien nehmen außerdem eine Sonderstellung unter den Bakterien ein. „So haben Chlamydien die Tendenz, chronische Infektionen zu verursachen“, betont Prof. Wick. „Sie greifen insbesondere das Gefäßendothel an.“ Das nun gestartete EU-Projekt „European Initiative To Fight Chlamydial Infection By Unbiased Genomics“ (ECIBUG) soll den Einfluss von Chlamydien auf die Entstehung der Atherosklerose unter die Lupe nehmen. „Es geht hier um die Bündelung von Kräften aus unterschiedlichen europäischen Laboren, um so eine möglichst breitgefächerte Expertise auf das gemeinsame Projekt hin zu fokussieren“, sagt Georg Wick. An ECIBUG sind neben der Salzburger Gruppe um Prof. Matthias Maaß, dem Projektkoordinator, auch führende Gruppen aus Finnland, Deutschland und Frankreich beteiligt.

Suche nach neuen Substanzen für die Therapie

Ziel des Projekts ist einerseits die Erforschung der Mechanismen, die von Chlamydien für die Infektion von Endothelzellen genutzt werden. Dabei untersucht Dr. Adam Csordas im Innsbrucker Labor für Autoimmunität im Rahmen des PhD Programms „Aging of Biological Communication Systems“, inwieweit Chlamydien als Verursacher einer Autoimmunreaktion gegen das Endothel in Frage kommen. Darüber hinaus sollen aber auch neue Substanzen gefunden werden, mit deren Hilfe eine Infektion mit Chlamydien erfolgreich behandelt werden kann. Größter Hoffnungsträger dabei sind Extrakte aus unterschiedlichen Pflanzen, die nach ihrer Wirksamkeit gegen Chlamydien analysiert werden. „Die finnischen Partner haben hier bereits einige vielversprechende Treffer erzielen“, sagt Dr. Csordas. „Am Ende des Projekts könnte die Entwicklung neuer therapeutische Möglichkeiten stehen, mit deren Hilfe eine chlamydiale Infektion wesentlich wirksamer zu bekämpfen ist als mit gängigen Antibiotika.“

Entscheidende Vorarbeiten

An der bis zum Herbst von Prof. Wick geleiteten Sektion für Experimentelle Pathophysiologie und Immunologie sowie an dem nach seiner Emeritierung etablierten Labor für Autoimmunität am Biozentrum Innsbruck wurden in den vergangenen Jahren bedeutende Erkenntnisse über die Mechanismen der Atheroskleroseentstehung gewonnen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht dabei das Frühstadium der Entstehung, also jene Phase in der Betroffene noch keinerlei Symptome zeigen, die Krankheit aber bereits fortschreitet. „Gerade in diesem Stadium müssen diagnostische sowie therapeutische Maßnahmen einsetzen“, so Prof. Georg Wick, „denn ist die Atherosklerose erst einmal klinisch manifest, ist eine Heilung kaum mehr möglich.“ Der Gruppe um Prof. Wick gelang es, wesentliche Erkenntnisse über die Frühphase der Erkrankung zu gewinnen. Die Forscher stießen dabei auf völlig unerwartete Ergebnisse. So konnten sie zeigen, dass in der Frühphase eine Autoimmunerkrankung, also ein Angriff des körpereigenen Immunsystems gegen die Wand der körpereigenen Arterien, beteiligt ist. Darüber hinaus konnte auch der Mechanismus dieser Autoimmunreaktion aufgeklärt werden. Gerade die klassischen Risikofaktoren für die Atherosklerose, die auf falschen Lebensstil zurückzuführen sind, wirken als Stressfaktoren für Endothelzellen. Diese versuchen auf den Stress zu reagieren, indem sie Stressproteine produzieren und an ihre Oberfläche transportieren, wo sie vom körpereigenen Immunsystem als Gefahrensignale erkannt werden. Ein diesbezüglich besonders gefährliches Stressprotein ist das Hitzeschockprotein 60 (HSP 60), das als Ziel der Autoimmunattacke gegen das körpereigene Endothel identifiziert werden konnte. Dieser Ablauf konnte von den Innsbrucker Forschern in den vergangenen Jahren für das Zigarettenrauchen, oxidativen Stress, Infektionen, erhöhten Blutdruck und erhöhte Blutfettwerte nachgewiesen werden.

Aus diesen Ergebnissen ergeben sich neue Therapieansätze, aber auch neue Möglichkeiten der Diagnostik der Atherosklerose. Ein gesunder Lebensstil, der ausreichend körperliche Bewegung und die Vermeidung einer Exposition gegenüber Zigarettenrauch beinhaltet, bleibt aber weiterhin die wesentlichste Voraussetzung, um vor der Volkskrankheit Atherosklerose und ihren Folgen verschont zu bleiben. „Mit ECIBUG wird ein weiterer wesentlicher Schritt in diese Richtung unternommen, so dass es in den kommenden Jahren möglich sein wird, Erkrankungen des Gefäßsystems mit neuen therapeutischen Möglichkeiten zu begegnen“, so Prof. Georg Wick abschließend.