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Biologika in der Rheumatologie
Georg Schett, Universitätsklinik für Innere Medizin 3, Friedrich Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, 91054 Erlangen
Im Laufe der letzten 10 Jahre wurde die Therapie entzündlich-rheumatischer Erkrankungen, wie der rheumatoiden Arthritis (RA), der Psoriasisarthritis (PsA) und der ankylosierenden Spondylitis (AS) durch den Einsatz von so genannten Biologika wesentlich erweitert. Zu den Biologika gehören gentechnologisch hergestellte Antikörper oder Rezeptoren, die an spezifische Moleküle an der Zelloberfläche sowie lösliche Moleküle binden und diese neutralisieren. Biologika in der Rheumatologie sind gezielt gegen spezifische Komponenten der Entzündungsreaktion gerichtet („targeted therapy“). Die Gruppen der Biologika, die zur Behandlung entzündlich-rheumatischer Erkrankungen angewandt werden, sind Tumor-Nekrose-Faktor (TNF)- Blocker, Interleukin (IL)-1 Blocker, IL-6 Rezeptor Blocker, B-Zellen-depletierende Antikörper sowie Costimulationsblocker. Ziel der Anwendung von Biologika in der Rheumatologie ist es, RA, PsA und AS Patienten/innen mit schweren und/oder therapierefraktären Krankheitsverläufen in klinische Remission zu bringen.
TNF-Blocker
TNF-Blocker sind die mit Abstand am besten untersuchten Biologika für die Therapie bei rheumatischen Erkrankungen. Derzeit sind 3 TNF-Blocker (Infliximab, Etanercept und Adalimumab) für die Behandlung von entzündlich rheumatischen Erkrankungen zugelassen, 2 weitere (Golimumab und Certolizumab) stehen vor der Zulassung für die RA.
Infliximab (Remicade: siehe Pharmainfo XV/2/2000) ist ein chimärer Antikörper gegen humanen TNF, der intravenös in Abständen von 6 bis 8 Wochen verabreicht wird (1-3). Dosierungen zwischen 3 und 10 mg/kg Körpergewicht (KG) wurden in klinischen Studien untersucht, wobei die Therapie bei RA und PsA üblicherweise mit 3 mg/kg, bei Morbus Bechterew und PsA mit 5 mg/kg Infliximab begonnen wird. Infliximab ist für die Behandlung der RA, PsA, AS nicht aber der juvenilen RA zugelassen, darüber hinaus bestehen Zulassungen für Psoriasis vulgaris und Morbus Crohn. Dabei erfolgt die Behandlung bei RA in Kombination mit klassischen Antirheumatika (so genannten Disease Modifying Anti-Rheumatic Drugs; DMARDs), wobei üblicherweise Methotrexat zum Einsatz kommt. Die Kombination von Methotrexat (Abitrexate, Ebetrexat, Emthexat, Methotrexat, Metoject) mit Infliximab ist auch für die Hemmung der Ausbildung sogenannter humaner anti-chimärer Antikörper (HACA) wichtig, die aufgrund des murinen (Maus-) Anteils im variablen Teil des Immunglobulins von Infliximab entstehen können. Auch bei PsA wird Infliximab überwiegend in Kombination mit Methotrexat eingesetzt, während bei AS, infolge Unwirksamkeit von Methotrexat und geringem Potential zur Bildung von HACA, die Monotherapie mit Infliximab angewandt wird.
Etanercept (Enbrel: siehe Pharmainfo XV/2/2000) ist ein Fusionsmolekül aus humanem TNF-Rezeptor II und dem Fc-Teil von Immunglobulin G1. Damit hemmt Etanercept kompetitiv die Bindung von TNF an seine Rezeptoren an der Zellmembran. Etanercept bindet im Gegensatz zu TNF-Antikörpern auch Lymphotoxin alpha, wobei die biologische Rolle dieser Interaktion unbekannt ist. Etanercept wird als subkutane Injektion angewandt, wobei entweder 25 mg zweimal wöchentlich oder 50 mg einmal wöchentlich zur Anwendung kommen.Etanercept ist für die Behandlung der RA, PsA, AS und der juvenilen RA zugelassen, daneben kommt es auch bei Psoriasis vulgaris zur Anwendung, bei Morbus Crohn ist Etanercept nicht wirksam (4-6). Bei RA wird Etanercept sowohl als Monotherapie als auch in Kombination mit Methotrexat angewandt. Die Behandlung der PsA kann als Monotherapie oder in Kombination mit Methotrexat erfolgen, die Behandlung der AS erfolgt als Monotherapie aufgrund der Unwirksamkeit von Methotrexat bei axialem Gelenkbefall bei AS.
Adalimumab (Humira, Trudexa) ist ein humanisierter TNF-Antikörper der Klasse IgG1. Der Antikörper wird als subkutane Injektion angewandt, wobei 40 mg alle 2 Wochen injiziert werden. Die Indikationen sind wie bei Infliximab und Etanercept, RA, PsA, AS und juvenile RA, wobei außerhalb des rheumatologischen Indikationsgebiets eine Zulassung auch für Psoriasis vulgaris und Morbus Crohn besteht (7-9). Die Behandlung der RA kann als Monotherapie oder in der Kombination mit Methotrexat erfolgen. Ebenfalls kann die Behandlung der PsA als Monotherapie oder in Kombination mit Methotrexat erfolgen, wobei die Behandlung der AS aus oben genannten Gründen als Monotherapie erfolgt.
Alle 3 TNF-Blocker zeigen eine vergleichbare Wirksamkeit bei Patienten/innen mit RA, PsA und AS. Head-to-Head Studien mit verschiedenen TNF-Blockern sind bisher nicht erfolgt. Individuell kann das Ansprechen auf einzelne TNF-Blocker jedoch unterschiedlich sein, sodass ein Wechsel von der einen auf die andere Substanz durchaus zu einem signifikanten Ansprechen führen kann. Das Ansprechen auf Therapie mit TNF-Blockern erfolgt üblicherweise rasch und ist innerhalb der ersten 12 Behandlungswochen ersichtlich. Therapeutisches Ansprechen wird anhand klinischer Parameter objektiviert, wobei bei RA beispielsweise Instrumente wie der Disease Activity Score 28 (DAS28) zur Anwendung kommen, in den Informationen zur Anzahl geschwollener und druckschmerzhafter Gelenke, die Blutsenkungsgeschwindigkeit und das subjektive Ausmaß des Gelenkschmerzes und der Krankheitsaktivität von Seiten des/r Patienten/in eingehen. Dabei gilt ein DAS28 Score von weniger als 2,6 als Remission der Erkrankung. Zusätzlich konnten insbesondere bei RA positive Effekte auf Funktionszustand, Lebensqualität, Arbeitsfähigkeit und radiologisch erfasste strukturellen Gelenkveränderungen (Erosionen, Gelenkspaltverschmälerung) erbracht werden.
Die Indikation einer TNF-Blocker Therapie bei RA oder PsA ist insbesondere dann zu sehen, wenn (i) eine aktive Erkrankung vorliegt und (ii) klassische DMARDs nicht ausreichen eine Remission der Erkrankung zu erreichen. Ähnlich ist die Indikation von TNF-Blockern bei AS zu sehen, wobei auch hier eine aktive Erkrankung vorliegen muss, was anhand des Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index (BASDAI) ersichtlich ist, der über einem Wert von 4 liegen sollte. Zusätzlich sollen Patienten/innen auf zumindest zwei unterschiedliche Nicht-Steroidale Anti-Rheumatika (NSAR) unzureichend angesprochen haben, um eine Therapie mit TNF-Blockern bei AS zu starten. Damit sind TNF-Blocker, nicht zuletzt aufgrund hoher Behandlungskosten, eindeutig jenen Patienten/innen vorbehalten, die an einer schweren Verlaufsform der RA, PsA oder AS leiden und auf konventionelle Pharmakotherapie nicht ausreichend angesprochen haben. Dies spiegelt auch das klassische Studiendesign von TNF-Blockern wider, wobei Patienten/innen eingeschlossen wurden, die trotz Methotrexat-Therapie eine aktive Erkrankung aufwiesen (1-3). In letzter Zeit wurden für alle 3 Substanzen auch Studien aufgelegt, die die Wirkung bei Methotrexat-naiven RA Patienten/innen insbesondere solchen Patienten/innen mit kurzer Erkrankungsdauer (<3 Jahre) untersuchten (10-14). Dabei zeigte sich, (i) dass TNF-Blocker bei dieser Patienten/innengruppe wirksam sind, (ii) dass deren Wirksamkeit als Monotherapie vergleichbar einer Therapie mit Methotrexat hinsichtlich der Symptomkontrolle bei RA ist, und (iii) dass die Kombination von Methotrexat und TNF-Blocker die besten Ansprechraten erbringt. Früher Therapiebeginn und rasche Krankheitskontrolle („hit hard and early“) dürfte wesentlich für die Induktion von Remission (das eigentliche Therapieziel) bei RA sein. Dies beinhaltet auch, aber nicht zwangsläufig, den Einsatz von TNF-Blockern in einem frühen Stadium der Erkrankung. Alternative Strategien mit Kombination von klassischen DMARDs und Steroiden erbringen allerdings sehr ähnliche Effekte mit rascher Krankheitskontrolle, verbesserten funktionellen und strukturellen Endpunkten bei RA, so dass auch bei schwerwiegenden Verlaufsformen eine initiale Kombinationstherapie mit klassischen DMARDs und Glukokortikoiden möglich ist und erst bei Nicht-Erreichen einer Remission der Einsatz von TNF-Blockern notwendig wird (15).
Die Anwendung von TNF-Blockern ist kontraindiziert bei Infektionen, malignen Erkrankungen, höhergradiger Herzinsuffizienz und demyelinisierenden Erkrankungen (16). Alle TNF-Blocker führen zu einem leichten Anstieg des Infektionsrisikos, wobei selten auch lebensbedrohliche Infektionen mit Sepsis und sehr selten auch Infektionen mit letalem Ausgang beschrieben worden sind. Bei TNF- Blockern besteht weiters eine erhöhte Anfälligkeit hinsichtlich gewisser opportunistischer Infektionen. Aufgrund der Möglichkeit der Reaktivierung einer Tuberkulose ist heute der Ausschluss einer latenten Tuberkulose vor Einsatz dieser Medikamente (wie im Übrigen auch bei Einsatz anderer Biologika) obligat. Aufgrund seltener Ereignisse von demyelinisierenden Erkrankungen unter TNF-Blocker Therapie ist die Verwendung bei Vorliegen dieser Erkrankungen kontraindiziert. Ebenso kontraindiziert ist die Anwendung bei Patienten/innen mit höhergradiger Herzinsuffizienz, da TNF-Blocker eine Verschlechterung der Auswurfleistung in diesen Patienten/innen bedingen können. Hinsichtlich solider Tumore gibt es keinen Hinweis für eine erhöhte Inzidenz bei Patienten/innen unter TNF-Blocker Therapie. Die Rate an Lymphomen ist hingegen bei Patienten/innen unter TNF-Blockertherapie im Vergleich zur Normalbevölkerung erhöht, wobei dies allerdings eine Folge der Grunderkrankung (RA) selbst ist. Chronische Entzündungsreaktionen entsprechen einer chronischen Stimulierung des Immunsystems und führen dabei zur erhöhten Inzidenz von Lymphomen. Die Inzidenz von Lymphomen unter TNF-Blocker Therapie entspricht dabei aus heutiger Sicht jener einer RA-Bevölkerung. Anaphylaktoide Reaktionen bis hin zum „capillary leakage syndrome“ können, wenngleich auch selten, bei TNF-Blockern, insbesondere bei der intravenösen Verabreichung von chimären Antikörpern (Infliximab), vorkommen und erfordern ein entsprechendes medizinisches Management. Über die Anwendung von TNF-Blockern in der Schwangerschaft liegen nur eingeschränkte Daten vor, so dass deren Anwendung nicht zu empfehlen ist und die Therapie bei Nachweis einer Schwangerschaft pausiert werden sollte. Ebenso eingeschränkt sind die Daten zu Impfungen unter TNF-Blocker-Therapie, wobei aus heutiger Sicht die Anwendung von Totimpfstoffen und der Aufbau eines entsprechenden Impfschutzes möglich sind.
Anakinra (Kineret)
Anakinra ist ein rekombinanter Interleukin-1 Antagonist, der zur Behandlung der RA zugelassen ist (siehe Pharmainfo XVIII/4/2003). Anakinra wird täglich subkutan in einer Dosierung von 100 mg injiziert. Obwohl klinische Studien zeigen konnten, dass Anakinra eine signifikante Wirkung auf die Symptome der RA zeigt und auch strukturelle Schäden hemmt, ist das Ausmaß des klinischen Effekts bei der überwiegenden Anzahl an Patienten/innen vergleichsweise bescheiden (17). Die Verwendung von Anakinra bei RA hat sich damit nicht durchgesetzt und nur sehr wenige RA Patienten/innen werden heute mit Anakinra behandelt. Eine gewisse Bedeutung hat Anakinra jedoch zur Behandlung autoinflammatorischer Syndrome wie der Kälte-assoziierten periodischen Fiebersyndrome, wie des Muckle Wells Syndroms erlangt, ebenso des Morbus Still, einer fieberhaften Polyarthritis mit Exanthem und ausgeprägter Entzündungsreaktion, die im Kindes- und jungen Erwachsenenalter auftritt. Diesen Erkrankungen ist die Aktivierung des Inflammasoms gemeinsam, die zur Synthese von Interleukin-1 führt.
Tocilizumab (RoActemra)
Tocilizumab ist ein neutralisierender Antikörper gegen den Interleukin-6 Rezeptor. IL-6 ist ein pleiotrophes Zytokin, das nicht nur für die Akutphasereaktion der Leber und damit die Synthese von C-reaktivem Protein verantwortlich ist, sondern auch wesentlich zu chronischen Entzündungsreaktionen beiträgt, wobei IL-6 die Reifung von Immunzellen wie B-Lymphozyten stimuliert und die Synthese weiterer pro-inflammatorischer Zytokine durch Makrophagen/Monozyten anregt. Tocilizumab wird einmal monatlich als Infusion in einer Dosierung von 8 mg/kg angewandt und ist für die Behandlung der RA als Monotherapie und in Kombination mit Methotrexat zugelassen. Weitere Indikationen, wie PsA und AS bestehen derzeit noch nicht. Ähnlich den TNF-Blockern tritt der Effekt auf Entzündungsreaktionen und damit auch die klinischen Zeichen der RA wie Schmerzen und Schwellung rasch, innerhalb der ersten Wochen der Therapie, ein. Die bisherigen Erfahrungen mit Tocilizumab-Studien zeigen, (i) dass Tocilizumab bei RA Patienten/innen wirksam ist, bei denen eine Therapie mit Methotrexat versagt hat (18,19), (ii) dass im Head-to-Head Vergleich mit einer Methotrexat-Monotherapie Tocilizumab besser abschneidet (20) und (iii) dass Tocilizumab auch bei RA Patienten/innen wirksam ist, die auf TNF-Blocker nicht oder unzureichend angesprochen haben (21). Da außerhalb klinischer Studien derzeit nur wenig Erfahrung zur Sicherheit von Tocilizumab vorliegt, bleibt abzuwarten, wie sich die Behandlung mit Tocilizumab im klinischen Alltag bewährt. Das Nebenwirkungsspektrum, das sich bisher aus den klinischen Studien ergibt, ist als eher günstig zu sehen, wobei insbesondere hinsichtlich der Möglichkeit eines erhöhten Infektionsrisikos sowie der klinischen Bedeutung der bei Tocilizumab beobachteten Änderungen des Lipidprofils (Anstieg von Cholesterin und Triglyceriden) größere Fallzahlen und längere Beobachtungszeiträume notwenig sind, um eine abschließende Beurteilung zu ermöglichen.
Rituximab (Mabthera)
Rituximab ist ein chimärer Antikörper gegen CD20, ein Oberflächenmolekül, welches auf B-Lymphozyten nicht aber auf Plasmazellen vorkommt. Die Behandlung mit Rituximab führt zur Depletion von B-Lymphozyten im peripheren Blut über mehrere Monate, während B-Lymphozyten im Gewebe nicht komplett depletiert werden. Rituximab wird als Infusion verabreicht, wobei Dosierungen von 2 x 500 mg oder 2x 1000 mg im Abstand von 14 Tagen verabreicht werden können, die sich in ihrer Wirksamkeit hinsichtlich der Symptome der RA kaum unterscheiden. Erneute Infusionen werden üblicherweise in Abständen von 6 Monaten durchgeführt, wobei klare Vorgaben zum Therapieintervall fehlen. Rituximab ist in Kombination mit Methotrexat zur Behandlung der auf konventionelle DMARDs einschließlich TNF-Blocker therapierefraktären RA zugelassen. Zulassungen für PsA und AS bestehen nicht. Entsprechend zeigten die Studien für Rituximab eine signifikante Wirkung auf die Erkrankungssymptome von RA Patienten/innen, die auf Methotrexat keine ausreichende Besserung zeigten, und auch von Patienten/innen, die kein adäquates Ansprechen oder eine Unverträglichkeit auf TNF-Blocker zeigten (22,23). Obwohl Rituximab zu einer längerfristigen Depletion peripherer B-Zellen führt, ist das Infektionsrisiko unter Therapie allenfalls geringfügig erhöht. Ein Tuberkulose- Screening wird auch bei Beginn einer Rituximab-Therapie empfohlen. Zusätzlich sollte nach Möglichkeit vor Beginn der Therapie mit Rituximab eine Aktualisierung etwaiger Impfungen erfolgen, da es unter der Therapie zu keiner adäquaten Impfantwort, d.h. Antikörperproduktion kommt. Sehr selten sind unter Rituximab Fälle einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML) bekannt geworden, die durch Reaktivierung des JC-Virus entsteht und in der Regel tödlich verläuft. Da in diesen Fällen neben Rituximab auch andere Immunsuppressiva wie Cyclophosphamid eingesetzt wurden, ist der kausale Zusammenhang zwischen Rituximab und PML schwierig zu belegen. Als chimärer Antikörper kann die Infusion von Rituximab zu anaphylaktoiden Reaktionen führen, die ein entsprechendes medizinisches Management erfordern.
Abatacept (Orencia)
Abatacept ist ein Fusionsprotein von Cytotoxic T-Lymphocyte associated Antigen (CTLA)-4 und dem Fc-Teil von IgG1. Abatacept hemmt, wie endogenes CTLA-4, die Costimulation von T-Lymphozyten. Dabei erfolgt die Stimulation von T-Zellen in der Regel durch 2 Signale, einerseits durch das Antigen, das dem T-Zellrezeptor im Verein mit MHC-Molekülen angeboten wird, andererseits durch so genannte Costimulation, wobei CD80/86 an der Oberfläche von Antigen-präsentierenden Zellen mit CD28 an der Oberfläche von T-Lymphozyten interagieren muss. Abatacept blockiert diese Costimulation, da es mit viel höherer Affinität als CD28 an CD80/86 bindet. Abatacept ist zur Behandlung der therapierefraktären RA in Kombination mit Methotrexat zugelassen. Dabei müssen sowohl klassische DMARDs als auch zumindest 1 TNF-Blocker versagt haben. Die Applikation erfolgt dabei als monatliche Infusion von 500 mg (<60 kg KG), 750 mg (60-100 kg KG) oder 1000 mg (>100 kgKG) Abatacept. Ähnlich wie bei Rituximab wurden 2 Zulassungsstudien durchgeführt. Eine an Patienten/innen, die auf eine Monotherapie mit Methotrexat nicht ausreichend angesprochen hatten, die andere an Patienten/innen bei denen TNF-Blockertherapie versagt hatte (24,25). Bei beiden Studien zeigte sich Abatacept der Placebobehandlung hinsichtlich der Symptome der RA überlegen. Abatacept führt zu einem leichten Anstieg des Infektionsrisikos während der Behandlung.
Biologika haben entscheidend zur Verbesserung der Therapie von RA, PsA und AS beigetragen und ermöglichen auch schwerwiegende Erkrankungsverläufe, die im Falle von RA und PsA auf konventionelle DMARD Therapie oder im Falle der AS auf NSAR nicht ausreichend ansprechen, effizient zu therapieren. Dies hat die Therapieoptionen bei allen 3 rheumatischen Erkrankungen entscheidend erweitert. Damit ist die Pharmakotherapie dieser Erkrankungen nicht nur besser, sondern auch komplexer und kostenintensiver geworden. Anzumerken ist hierbei, dass nicht die Einführung der Biologikatherapie allein die Behandlung der RA in den letzten 10 Jahren deutlich verbessert hat, sondern auch gleichzeitige Verbesserungen hinsichtlich der (i) frühen Einleitung einer anti-rheumatischen Therapie, (ii) dem konsequenteren Einsatz von konventionellen DMARDs inklusive deren Maximaldosierung und Kombination, sowie (iii) der verbesserten und standardisierten Überwachung der Krankheitsaktivität und rascheren Therapieanpassung.
Zusammenfassend ist die Indikation für Biologikatherapie in der RA und in der PsA erstens eine aktive Erkrankung (z.B. DAS28 Score über 3,2) und zweitens das Versagen einer klassischen DMARD Therapie, wie Methotrexat. Ebenso sind Biologika (in diesem Fall ausschließlich TNF-Blocker) bei AS jenen Patienten/innen vorbehalten, die erstens an einer aktiven Erkrankung leiden (BASDAI >4) und die zweitens auf zumindest 2 verschiedene NSAR in adäquater Dosierung nicht ausreichend angesprochen haben.
Literatur:
(1) Lancet 354,1932,1999
(2) Arthritis Rheum 52,1227,2005
(3) Arthritis Rheum 54,1646,2006
(4) N Engl J Med 340,253,1999
(5) Lancet 356,385,2000
(6) Arthritis Rheum 48,3230,2003
(7) Arthritis Rheum 48,35,2003
(8) Arthritis Rheum 52,3279,2005
(9) Arthritis Rheum 54,2136,2006
(10) Arthritis Rheum 54,702,2006
(11) Arthritis Rheum 46,1443,2002
(12) Lancet 363,675,2004
(13) Lancet 372,375,2008
(14) Arthritis Rheum 54,26,2006
(15) Lancet 350,309,1997
(16) Ann Rheum Dis 67(Suppl 3):iii1,2008
(17) Arthritis Rheum 41,2196,1998
(18) Arthritis Rheum 54,2817,2006
(19) Lancet 371,987,2008
(20) EULAR 2008
(21) Ann Rheum Dis 67,1516,2008
(22) Arthritis Rheum 54,1390,2006
(23) Arthritis Rheum 54,2793,2006
(24) N Engl J Med 349,1907,2003
(25) N Engl J Med 353,2311,2005
Medikamente bei Analfissuren
In der Pathogenese dieses Leidens, das mit starken Schmerzen und Blutungen einhergeht, spielt ein hoher Analdruck und dadurch bedingte lokale Ischämie eine Rolle (1,2). Es ist daher verständlich, dass Medikamente oder auch chirurgische Therapien, die den Tonus der Sphinkteren senken, positiv wirken.
Basale Therapiemaßnahmen stellen eine faserreiche Diät, Sitzbäder und Analhygiene dar.
Nitroglycerinsalbe (Rectogesic): Nitroglycerin, das den Tonus der glatten Muskulatur über den NO-Mechanismus senkt, wurde in mehreren Studien getestet. Gegenüber Placeboreduzierte Nitroglycerin in einem Großteil der Studien den Schmerz signifikant und auch die Heilungsrate war erhöht. Allerdings schwankten die Erfolgsraten enorm (zwischen 30% und 93%: 1,3-5). Dies dürfte vor allem damit zusammenhängen, dass im Gegensatz zu einer Tablette eine verlässliche Dosierung mit einer anal zu applizierenden Salbe schwierig ist. Eine "erbsengroße" Menge soll extern am Anus aufgebracht werden. Wenn die Salbe auf die Schleimhaut gerät, ist die Resorption höher und dies kann die Nebenwirkungen begünstigen. Diese sind vor allem Kopfschmerzen (ausgelöst durch Gefäßerweiterung im Kopfbereich), in seltenen Fällen kann es auch zu orthostatischer Hypotonie kommen. Angaben über die Häufigkeit der Kopfschmerzen schwanken bis zu dem hohen Wert von 84% der Patienten/innen (1). Sie sind allerdings meist transient (für 30 - 40 Minuten: 6).
Salbenstärken von 0,1 bis 0,6% wurden getestet. Die Konzentration von 0,4% wird meistens empfohlen (2) mit zwei bis 3maligem Auftragen pro Tag. Die Therapie soll bis zur Heilung oder über 6 - 8 Wochen durchgeführt werden. Rezidive treten in einem beträchtlichen Prozentsatz auf (um die 30-50%: 3,4,7).
Botulinustoxin: Dieses Neurotoxin (siehe Pharmainfo XII/2/1997) blockiert die cholinerge Übertragung und führt zu einer transienten Denervierung. Es wurde sowohl in den externen als auch, und zwar in den meisten Studien, in den internen Sphinkter injiziert. Im externen Sphinkter wird der Tonus direkt über die cholinerge Hemmung reduziert, im internen führt die Hemmung der cholinergen Transmitter zu einer Reduktion der Freisetzung von Noradrenalin, das den internen Sphinkter kontrahiert (2,8). Auch für diese Behandlung werden sehr variable Heilungsraten (bis 90%) angegeben, wobei im Gesamten gesehen die Erfolgsraten mit denen von Nitroglycerin vergleichbar sind (2-4), allerdings kann Botulinustoxin auch bei Patienten/innen, bei denen Nitroglycerin keinen Effekt zeigte, noch wirken (5,9). Auch die Rezidivrate liegt mit bis zu 50% im vergleichbaren Rahmen (3). Die akute Verträglichkeit (Fehlen der Kopfschmerzen) ist deutlich besser, in seltenen Fällen kann es aber zu perianalen Hämatomen, subkutaner Infektion und vorübergehender Inkontinenz kommen (2,4).
Calciumkanalblocker: Diese wirken auf glatte Muskulatur relaxierend. Sowohl für Diltiazem- als auch für Nifedipinsalben liegen positive Befunde (2) vor, die eine dem Nitroglycerin vergleichbare Wirkung belegen, bei weniger häufigen Nebenwirkungen (Kopfschmerzen). Allerdings sind in Österreich keine Salben registriert.
Zusammenfassung: Neben Basalmaßnahmen (Ballaststoffe in der Nahrung, Analhygiene, Sitzbäder) ist bei medikamentöser Therapie als Mittel erster Wahl allgemein Nitroglycerinsalbeanerkannt, die Schmerzen sehr rasch bessert und innerhalb von 6 - 8 Wochen zur Heilung führen kann (häufige Nebenwirkung: Kopfschmerz, aber transient). Bei Versagen dieser Therapie ist Botulinustoxin eine belegte Alternative. Chirurgische Maßnahmen sind erst bei Versagen dieser Therapie einzubeziehen, da sie zumindest in einigen Fällen zu Inkontinenzproblemen führen können.
Literatur:
(1) Am J Gastroenterol 98,968,2003
(2) Tech Colopract 11,209,2007
(3) Cochrane Database Syst Rev Issue 4,2006
(4) World J Surg 30,2246,2006
(5) Am J Gastroenterol 102,1312,2007
(6) N Engl J Med 341,65,1999
(7) Gut 44,727,1999
(8) Br J Surg 91,224,2004
(9) Dig Surg 24,197,2007
Tibolon (Liviel)
Die Hormontherapie zur Behandlung des klimakterischen Syndroms wurde in der „Pharmainformation“ mehrfach kritisch beleuchtet (Pharmainfo XVII/3/2002, XVIII/4/2003). Zweifellos können Wechseljahrbeschwerden einen hohen Leidensdruck ausüben, wobei 20% der Patientinnen eine deutliche Einschränkung der Lebensqualität erleben. Bei einem Drittel der Frauen dauern die Symptome bis zu 5 Jahren. Darüberhinaus stellen typische Konsequenzen des Hormonmangels, wie osteoporotische Frakturen ein häufiges Problem dar. Die Hormontherapie wurde aus diesem Grund lange Zeit als ideale Strategie angesehen, Symptomfreiheit und Gesundheit bei postmenopausalen Frauen zu erhalten. Randomisierte Studien haben jedoch zu einer kritischen Betrachtungsweise geführt. Vor allem auch die beobachtete Zunahme des Mammakarzinoms unter kombinierter Hormontherapie hat zu einem dramatischen Rückgang der Verschreibungen geführt. Eine globale Reduktion der Mammakarzinom-Inzidenz wird auf diesen geänderten Einsatz von Hormonen zurückgeführt (1).
Kürzlich wurde eine neue Analyse der sogenannten „WHI-Studie“ veröffentlicht (1). Diese größte, placebo-kontrollierte Studie mit einer Kombination aus konjugierten Östrogenen und Medroxyprogesteronacetat hat während der Einnahme der Hormonmedikation eine annähernde Verdoppelung der Mammakarzinom-Inzidenz belegt. Interessant ist, dass nach Absetzen der Therapie rasch, innerhalb von zwei Jahren, die Frequenz der Mammakarzinome auf das Placeboniveau abgesunken ist. Im Gegensatz dazu wurde Tibolon, ein synthetisches Steroid mit verschiedenartigen Östrogen-, Gestagen- und Androgen-Effekten als bessere Hormontherapie propagiert. Eine groß angelegte randomisierte Studie (LIFT-Trial) hat kürzlich einige günstige, allerdings auch negative Effekte von Tibolon bestätigt (2). Tibolon reduzierte gegenüber Placebo das Risiko für Wirbelsäulenfrakturen um 45% (von 19,6 auf 10,9 pro 1000 Patientinnen/Jahr) und für extravertebrale Frakturen um 26% (von 26,3 auf 19,5, s.o.). Interessanterweise kam es auch zu einer Reduktion des Auftretens von invasiven Mammakarzinomen (68%: 2,8 auf 0,9) und colorektalen Karzinomen (69%: 1,9 auf 0,6). Das Risiko für cardiovaskuläre Ereignisse und für venöse Thromboembolien hat sich nicht verändert. Allerdings wurde die Studie frühzeitig aufgrund von Sicherheitsbedenken gestoppt, nachdem es zu einer Verdoppelung von apoplektischen Insulten (von 1,9 auf 4,3 pro 1000 Patienten/innen pro Jahr) gekommen war. Dieses Risiko war vor allem im ersten Jahr der Therapie und bei Frauen älter als 70 Jahre auffällig. Im Gegensatz zu früheren Beobachtungen hat sich das Risiko für uterine Komplikationen, wie Blutungen (von 43 auf 168) pro 1000 Patientinnen/Jahr) und notwendige endometriale Biopsien (126 auf 499) durch Tibolon auf mehr als das Dreifache gesteigert. Uteruskarzinome traten bei 4 von 1746 Frauen in der Tibolongruppe gegenüber 0 in der Placebogruppe auf (p = 0,06). Wie eine weitere Studie (3) zeigt, steigert Tibolon bei Patientinnen, die bereits an einem Mammakarzinom erkrankt sind, so wie andere Hormonersatztherapien signifikant das Rezidivrisiko (von 10,7 auf 15,2%). Für Patientinnen mit Mammakarzinom in der Anamnese bleibt somit jegliche Form von Hormonersatztherapie kontraindiziert. Damit kann weiterhin eine Hormontherapie im Klimakterium nicht uneingeschränkt unterstützt werden. Entsprechend der Empfehlung der EMEA ist eine kurzfristige Behandlung von klimakterischen Beschwerden, welche die Lebensqualität einschränken, als indiziert zu erachten. Gegenüber einer kombinierten Hormontherapie dürfte Tibolon das Mammakarzinomrisiko nicht erhöhen, dies gilt auch für Östrogene als Therapie bei Frauen nach Hysterektomie. Tibolon erhöht allerdings das Schlaganfallrisiko, wie dies auch andere Hormontherapien tun, letztere führen aber auch zu einer Erhöhung von Myokardinfarkten und Thromboembolien.
Für eine langfristige Therapie, vor allem auch bei älteren Patientinnen, ist eine Nutzen/Risiko-Evaluierung für alle Hormonpräparate als negativ anzusehen.
Literatur:
(1) N Engl J Med 360,573,2009
(2) N Engl J Med 359,697,2008
(3) Lancet Oncology 10,135,2009
P.b.b. Erscheinungsort Verlagspostamt 1010 Wien
Montag, 30. November 2009
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