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Kommunikation üben mit KI: Lehrprojekt für Ärztliche Gesprächsführung

Ein Anamnesegespräch praktisch üben, und zwar jederzeit, überall und beliebig oft. Ein auf Künstlicher Intelligenz beruhender Chatbot machte das für Studierende im Rahmen des Lehrprojekts „KI-basiertes Kommunikationstraining“ möglich, welches auch die Evaluierung des Trainingsangebots und ethische Fragestellungen beinhaltete. Die Idee: Studierenden – in Ergänzung und nicht als Ersatz zum bestehenden Lehrangebot – in Zukunft mehr Chancen zu geben, Ärztliche Gesprächsführung (ÄGF) zu trainieren.

Wenn die Medizinstudenten Ben Hofbauer und Friedrich Völkl in diesem Semester Anamnesegespräche trainierten, dann saßen sie dabei manchmal einfach ihrem Handy oder Laptop gegenüber – beziehungsweise einem „Patienten“ in Form eines KI-basierten Audio-Chatbots. „Das funktionierte teilweise erstaunlich gut“, resümieren die Studenten der Humanmedizin im 4. Semester. Sie haben im Rahmen des Lehrprojekts „KI-basiertes Kommunikationstraining“ an einem Wahlfach teilgenommen (Lehrprojektleitung: Alexandra Huber und Stefan Höfer). „Ich konnte immer wieder dieselbe Gesprächseröffnung durchspielen, andere Formulierungen wählen und sie so lange verfeinern, bis ich zufrieden war. Das fand ich extrem gut und hilfreich“, erzählt Hofbauer, und Völkl ergänzt: „Mit Schauspielpatienten oder -patientinnen ist es noch mal ein sehr viel echteres Setting und eine viel sinnvollere Übung für den tatsächlichen Kontext als mit einem Chatbot, aber da gibt es keine Wiederholungen: Man kann es eben nur dieses eine Mal bei ÄGF machen.“

Ben Hofbauer tippt auf sein Smartphone, das vor ihm am Schreibtisch liegt.

Ben Hofbauer nutzte das Angebot, mit Künstlicher Intelligenz die Kommunikation mit PatientInnen zu üben.

Den Chatbot haben die Studierenden auch außerhalb des Wahlfachs zeit- und ortsunabhängig verwendet – dank schriftlicher Version auch im Zug. Der Chatbot stand stets geduldig Rede und Antwort – wobei die Limitationen für die Studenten deutlich waren: „Der Avatar meldet sich bei einer kurzen Pause gleich mit ‘Hallo, hallo, ich bin hier, wie geht’s jetzt weiter? ‘, während wir aus dem Unterricht wissen, dass Pausen wichtig sind und wir den PatientInnen Raum geben sollen“, gibt Hofbauer ein Beispiel für ein Übungsartefakt. „Eingehen auf Körpersprache, Emotionen und Gesichtsausdrücke, einfach zwischenmenschliche Interaktion, das ist mit dem Bot noch nicht möglich“, fasst sein Studienkollege zusammen.

KI als Ergänzung, nicht Ersatz – Simulationspersonen sind zentral

Das ärztliche Gespräch ist die am häufigsten angewandte medizinische Intervention – dementsprechend wird der Übung von ärztlicher Gesprächsführung (ÄGF) im Studium viel Wert beigemessen. An der Med Uni Innsbruck trainieren Studierende ihre kommunikativen Kompetenzen in vielen Lehrveranstaltungen implizit und explizit. Im Fach ÄGF üben sie unter anderem durch Rollenspiele, Übungen mit Simulationspersonen und schließlich in Gesprächen mit PatientInnen.

Alexandra Huber hofft, dass ein KI-Kommunikationstraining in Zukunft als reguläres Lehrangebot für Studierende zur Verfügung stehen wird.

Alexandra Huber vom Department für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Medizinische Psychologie (Univ.-Klinik für Psychiatrie II, Direktorin: Katharina Hüfner) ist eine der Lehrenden im Fach ÄGF und weiß, dass viele Studierende vor allem das Übungsangebot mit Simulationspersonen sehr schätzen. „Allerdings ist dieses auf die Praktika begrenzt. Auch bei Rollenspielen können manche Studierende das Angebot – sei es aus Schüchternheit, sei es durch Gruppendynamik – nicht optimal nützen,“ so Hubers Erfahrung. Deshalb entstand die Idee, die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz für das Training von Kommunikationstechniken zu testen – für den Anfang bot sich dazu das relativ klar strukturierte Anamnesegespräch an. Im Rahmen des Lehrprojekts bzw. des dazugehörigen Wahlfachs probierten und evaluierten acht Studierende des 3. und 4. Semesters einen Audio-Chatbot, der im Grazer Forschungszentrum Know Center Research GmbH als Anwendung für ChatGPT programmiert wurde. „Das Feedback von den Studierenden und Lehrenden war für uns wichtig, um den Bot weiter an die tatsächlichen Bedürfnisse und Gegebenheiten anzupassen“, erklärt Elja Dentler vom Know Center.

Elija Dentler vom Grazer Forschungszentrum Know Center Research schätzte das Feedback, das er von Studierenden und Lehrenden zum in Graz entwickelten KI-basierten Audio-Chatbots erhielt.

„Es geht um ein zusätzliches Sprechtraining, damit Studierende im geschützten Rahmen, im eigenen Tempo üben können“, erklärt Projektleiterin Huber, die hofft, dass ein KI-Training in Zukunft als reguläres Lehrangebot zur Verfügung stehen wird. „Man hat in der Praxis oft nicht 15 Minuten Zeit für ein Anamnesegespräch, aber sollten es dann nur drei Minuten sein, kann man dank Übung bessere Ergebnisse erzielen“, so Huber. Gleichzeitig betont sie: „Der KI-basierte Avatar soll die Einheiten mit Simulationspersonen und PatientInnen keinesfalls ersetzen, das Training mit Simulationspersonen ist nach wie vor der Goldstandard. Ein Gefühl für das Gegenüber zu bekommen, das kann man mit KI nicht lernen.“

Ethische Aspekte: Wo liegen die Chancen, wo die Grenzen?

So haben es auch die Studenten Hofbauer und Völkl erlebt: „Mit dieser Vorbereitung kann man sich bei echten Gesprächen mehr auf das Inhaltliche und Emotionale konzentrieren“, zeigt sich Völkl überzeugt. ÄGF-Modulkoordinator Stefan Höfer unterstreicht ebenso: „Technik per se ist weder gut noch schlecht. Wenn die Technik es ermöglicht, menschlichere Medizin zu machen, ist das gut. Wenn die Technik aber den Menschen ersetzt, müssen alle Alarmglocken schrillen.“

„Man muss das Reden genauso üben wie das Reanimieren“, sagt Barbara Friesenecker, Fachärztin für Anästhesie und Medizinethikerin, die das Lehrprojekt ebenfalls begleitet und sich sicher ist: „Genauso wie das SIMBaby eine Situation realistisch genug darstellt, dass Studierende vom Training damit profitieren, kann man Künstliche Intelligenz verwenden, um Studierende Gespräche üben zu lassen“. Sie ist außerdem davon überzeugt, dass sich die KI rasch dahingehend weiterentwickeln wird, dass entsprechende Tools auch in schwierigen Gesprächen wie End-of-life-Situationen oder für die postpromotionelle Ausbildung verwendet werden können.

Friedrich Völkl und Ben Hofbauer sitzen am Laptop, Völkl schaut belustigt, Hofbauer skeptisch in den Bildschirm.

Friedrich Völkl (l.) und Ben Hofbauer haben Vor- und Nachteile des Kommunikationstrainings mit KI erlebt.

„Die Technik entwickelt sich rasant weiter, das merkt man innerhalb eines Semesters! Da könnten sehr schnell noch viel realistischere Avatare entstehen“, sind auch die beiden Studenten Friedrich Völkl und Ben Hofbauer vom Potential für die Lehre überzeugt. Und doch ist sich Völkl sicher: „Die Technik kann die Emotionen, die Körpersprache und einfach das ganze Menschliche nicht ersetzen – und das möchte ich auch nicht erleben.“

(02.07.2025, Text und Bilder: MUI/P. Volgger)

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