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Zwischen Piste und Hörsaal: Parasportler und Medizinstudent Christoph Glötzner

Vormittags Training, nachmittags Lehrveranstaltungen, abends für Prüfungen lernen: Medizinstudent Christoph Glötzner bräuchte für seinen Tag manchmal mehr als 24 Stunden. Der 20-Jährige studiert Humanmedizin an der Med Uni Innsbruck und ist gleichzeitig Spitzensportler, als Mitglied des Deutschen Para-Skiteams Alpin. Bei einem Unfall hat er ein Bein verloren – ein ebenfalls oberschenkelamputierter Mediziner in der Reha hat ihn zum Behinderten-Skisport gebracht und ihn inspiriert Arzt zu werden.

Innsbruck als Studienort findet Christoph Glötzner „einfach top“: Hier hat der Para-Skifahrer beste Trainingsbedingungen und kann gleichzeitig an der Med Uni studieren - auch wenn die Kombination von Spitzensport und Medizinstudium viel Disziplin erfordert. „Es gibt immer mal wieder Phasen, die sehr anstrengend sind“, schildert der 20-Jährige seinen Alltag. „Vor kurzem hatte ich eine ganze Woche Praktikum, dann am Freitag noch eine Neuro-Prüfung. Direkt danach ging‘s zum Training auf den Pitztaler Gletscher bis Sonntag. Am Montag Vormittag musste ich ein Referat in Physiologie halten – da waren die Nächte natürlich etwas kürzer.“

BU: Glötzner auf der Skipiste bei einem Slalomrennen

Glötzner ist Teil des Deutschen Paraski-Teams Alpin und fährt in der Klasse „Herren stehend“

Doch im Normalfall kann der Student aus Neumarkt im nordöstlichen Bayern sein Medizinstudium gut mit dem Profisport vereinen: Am Vormittag steht entweder Training auf der Piste oder in der Halle auf dem Stundenplan, am Nachmittag absolviert er zum Beispiel Praktika. An den Wochenenden stehen Trainings und Rennen auf dem Programm. Im Oktober beginnt für Glötzner so nicht nur die Wintersaison, sondern auch das Wintersemester an der Uni – beides war schon seit vielen Jahren sein Wunsch.  

Arzt und Paralympics-Sportler als Vorbild

Bei einem Unfall mit einem Rasenmähtraktor hat Glötzner ein Bein verloren, er war gerade drei Jahre alt. „In der Reha gab es einen coolen Arzt, der selbst oberschenkelamputiert war. Er hat mir versichert, dass ich trotz der Behinderung alles wieder machen werde, auch Skifahren“, erzählt Christoph Glötzner. „Er hat mich dann auf die Skipiste mitgenommen und ich habe wieder Skifahren gelernt – mit einem Bein. Das war ein großer Hoffnungsfunke für meine Eltern und mich: Wenn ich das Skifahren schaffe, dann ist der Rest auch kein Problem.“ Durch das Beispiel dieses Mediziners hat Glötzner auch den Entschluss gefasst, Medizin zu studieren. „Genau wegen diesem Arzt will auch ich Arzt werden, er war ein riesiges Vorbild für mich!“

Glötzner als Kleinkind mit Monoski

Nicht lange nach seinem Unfall war Christoph Glötzner wieder beim Skifahren – ein Arzt in der Reha war sein Vorbild

Sportlich studieren

2023 hat Glötzner sein Studium an der Med Uni begonnen, gleichzeitig ist er Teil der Deutschen Nationalmannschaft im Para-Skiteam Alpin, er fährt vor allem Slalom und Riesentorlauf. Als Spitzensportler fühlt er sich von der Universität gut unterstützt: „Ich kann die Praktikumsgruppen frei wählen und auch beim Sezierkurs war ich immer im Spätkurs, da kommt mir die Uni sehr entgegen.“ Die ersten beiden Semester hat er in Regelstudienzeit absolviert, es war ihm wichtig, gut ins Studium hineinzufinden.

Deshalb hat Glötzner im letzten Jahr sein Trainingspensum reduziert. Trotzdem war der vergangene Winter mit zwei Stockerlplätzen im Para-Skiweltcup seine bisher beste Saison. Der Student führt das auch darauf zurück, dass sich bei ihm eben nicht alles um den Sport dreht: „Wenn man auf einem zehntägigen Ski-Lehrgang ist, dann denkt man immer nur ans Skifahren. Ich habe gemerkt, wenn ich erst später nachgereist bin, war ich manchmal frischer und gelassener.“ Sein erstes Weltcup-Podest feierte er in Japan – zum Glück stand das Rennen genau in den Semesterferien auf dem Programm.

Umgekehrt helfen dem 20-Jährigen im Studium seine Erfahrungen als Profisportler: „Ich bin an den Stress in Rennsituationen gewöhnt, deshalb bin ich vor Prüfungen nicht besonders nervös“, erzählt Glötzner. Schon auf den Medizin-Aufnahmetest hat er sich akribisch vorbereitet und wie bei der Rennvorbereitung alle Details – vom frühen Aufstehen bis zur Mittagspause ohne Smartphone – wochenlang simuliert. Auch über sein wachsendes Wissen über physische Vorgänge beim Sport ist er begeistert: „Wir haben im Studium kürzlich etwas über Muskelbelastung gelernt, über Laktat und Puffersysteme, es war interessant, in der Theorie zu lernen, was ich als Sportler spüre.“

Christoph Glötzner mit Ski in der Uni

Zeitgleich Spitzensportler und Medizinstudent: „Ich muss einfach sehr diszipliniert sein, aber das lehrt mich der Sport schon lange“, sagt Glötzner

Ziele als Mediziner und im Sport

Im Medizinstudium bemerkt Glötzner seine Behinderung kaum. „Beim Sezierkurs mussten wir jedoch viel stehen. Da hatte ich manchmal Rückenschmerzen, aber ich konnte mich zwischendurch immer wieder setzen“, erinnert er sich. „Ich kann auch keine längeren Strecken gehen, aber wenn ich Famulaturen und Praktika geschickt plane, lässt sich das gut vermeiden.“ Ob er – was er derzeit spannend finden würde – Chirurg werden kann, ist für ihn noch nicht abschätzbar: „Ich muss erst sehen, ob für mich das lange Stehen und das Arbeiten in verschiedenen Winkeln am OP-Tisch möglich ist.“

Doch mit dieser Ungewissheit geht Glötzner sehr unaufgeregt um: „Ich bin gespannt, was da noch auf mich zukommt und inwiefern das auch meine Fachrichtung beeinflusst. Und im dritten Semester weiß ich auch noch viel zu wenig über die einzelnen Fachrichtungen und lass mir noch alles offen.“ Konkret wird er bei seinen sportlichen Zielen: Der große Traum ist eine Goldmedaille bei den Paralympics 2026 in Cortina, heuer peilt er seinen ersten Weltcupsieg an. Der  Saisonstart verlief für Christoph Glötzner in diesem Jahr schon einmal optimal, mit zwei Siegen bei FIS-Slalom-Rennen. Und auch Rennen in Tirol stehen im Dezember auf seinem Programm, in Steinach am Brenner – nicht weit entfernt von seinem neuen Lebensmittelpunkt Innsbruck.

(Innsbruck, 11.12.2024, Text: P. Volgger, Fotos und Video: MUI/D. Bullock, privat)

 

 

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