search_icon 

close_icon

search_icon  

search_icon  

naz.jpg

Viel Arbeit mit Studium und Job

Naz Sadiqi wollte unbedingt Medizin studieren, auch wenn sie wusste, dass es finanziell nicht einfach werden würde. Um sich das Studium zu finanzieren, arbeitete die 26-Jährige neben der Uni bis zu 20 Stunden pro Woche. Außerdem war die Studentin, die als Kind mit der Familie aus Afghanistan flüchtete, im Sozialreferat der ÖH Medizin tätig. Das Studium absolviert sie in Regelstudienzeit, vor kurzem hat sie ihr Klinisch-praktisches Jahr begonnen.

Für ihren Traum, Ärztin zu werden, arbeitete Naz Gul Sadiqi hart – und das nicht nur an der Med Uni Innsbruck, sondern auch als Angestellte im Handel. Denn die Medizinstudentin, die vor kurzem das Klinisch-praktische Jahr begonnen hat, muss schon im Studium ihr eigenes Geld verdienen. Als Neunjährige war Naz Sadiqi mit ihrer Familie aus Afghanistan geflüchtet, danach wuchs sie in Wien auf. Eine Lehrerin bestärkte sie in dem Wunsch, Ärztin zu werden. „Auch meine Familie hat es gleich begrüßt, dass ich Ärztin werden will“, erzählt sie.

Der Start ins Studium war allerdings alles andere als einfach: „Zweimal habe ich den Aufnahmetest nicht geschafft. Doch ich habe nicht aufgegeben und zur Überbrückung Biologie studiert. Ich war sehr erleichtert, als es beim dritten Antritt beim MedAT in Innsbruck geklappt hat!“ In die Freude mischten sich aber schnell neue Sorgen: „Ich bin mit meinem Freund von Wien nach Innsbruck gezogen und musste feststellen, dass es sehr schwierig war, eine halbwegs bezahlbare Wohnung zu finden.“ Und dass sie finanziell auf eigenen Beinen stehen muss, das war der Studentin von Anfang an bewusst. Sie sieht die Tatsache, dass sie abgesehen von der staatlichen Unterstützung eigenständig klarkommen muss, aber auch positiv: „Ich fühle mich als Vorbild für meine jüngeren Geschwister, gerade für meine Schwester, die in Wien Medizin studiert, deshalb wollte ich immer selbständig sein.“

Schwierige Vereinbarkeit von Studium und Job 

So hat Naz Sadiqi schon zu Beginn ihres Studiums nebenbei geringfügig gearbeitet, einfach weil sich das Leben sonst nicht ausgegangen wäre. „Es war schon eine Belastung. Ich habe anfangs alle Vorlesungen besucht, ich wollte so viel wie irgendwie möglich über das Studium und das ganze Gesundheitssystem lernen. Noch dazu ist ja Deutsch nicht meine Muttersprache.“ Dass zu Studienbeginn wegen der Corona-Pandemie viele Lehrveranstaltungen online abgehalten wurden, habe ihr damals bei der Vereinbarkeit von Studium und Job sehr geholfen. Generell seien aufgezeichnete Vorlesungen und Online-Angebote eine Erleichterung für berufstätige Studierende.

Alternativtext

BU: Die Studentin hat zwischendurch auch im Sozialreferat der ÖH Medizin Innsbruck gearbeitet

Mittlerweile spricht sie ausgezeichnet Deutsch und sie fand auch einen Arbeitsplatz im Handel, der ihr viel Flexibilität ermöglichte. „Es braucht verständnisvolle Vorgesetzte. Meine Chefin ermöglichte es mir immer wieder zwischen geringfügiger Anstellung und Teilzeit zu wechseln. Wenn ich also mehr Lehrveranstaltungen hatte, konnte ich die Stunden reduzieren, manche Monate habe ich dagegen 20 Stunden pro Woche gearbeitet, weil es sich mit dem Studium gut vereinbaren ließ.“ Vor allem an den Samstagen hat die Medizinstudentin regelmäßig gearbeitet.

Wenn sie für Prüfungen Zeit zum Lernen brauchte, nahm sie sich eine Auszeit vom Job, nur um danach gleich wieder eine neue Stelle zu suchen. „Dadurch, dass ich gearbeitet habe, kann ich gut mit Stress umgehen, und ich habe gelernt, durchzuhalten. Egal was ist, meine Devise ist: Durchatmen, darüber schlafen und weitermachen. Ich habe auch nie überlegt, das Studium hinzuschmeißen, sondern immer eine Lösung gefunden.“ 

Referentin im Sozialreferat der ÖH 

Mehrere Semester lang hatte Naz Sadiqi eigentlich sogar zwei Jobs nebenbei: „Ich habe selbst anfangs beim Sozialreferat der ÖH Medizin Innsbruck Unterstützung gesucht, und später wurde ich gefragt, ob ich die Stelle als Referentin übernehmen möchte“, erinnert sie sich. „Ich weiß ja selbst, wie es ist, wenn man Unterstützung braucht. Mit dieser Arbeit konnte ich anderen Studierenden weiterhelfen, das hat mir gefallen.“ So werden über das Referat etwa Projekte wie „Ohne Moos nix los“ organisiert, das Studierende beim Kauf von Lebensmitteln oder Öffi-Tickets unterstützt. Über ihre Arbeit bei der ÖH weiß sie, dass nicht wenige Studierende in Innsbruck finanziell schwer über die Runden kommen. „Die Höhe der Studienbeihilfe finde ich wirklich okay. Hier in Innsbruck sind einfach die sehr hohen Mieten ein Problem“, ist sie überzeugt. Die Stelle als Referentin hat sie mit Ende des Sommersemesters abgegeben. Nachdem die letzten Prüfungen im Medizinstudium geschafft waren, hat sie im Sommer Naz Sadiqi das Klinisch-praktische Jahr (KPJ) begonnen – unter anderem in Linz, wo sie schon eine bezahlbare Wohnung gefunden hat.

Rückblickend meint die Medizinstudentin: „Die ersten beiden Jahre waren schwierig. Ich hatte keine Freizeit, ich war entweder in der Uni, beim Lernen oder bei der Arbeit. Inzwischen kann ich auch auf Reisen gehen und ich bin zufrieden mit meinem Leben. Aber wenn ich mir etwas wünschen dürfte, wäre das ein höheres KPJ-Gehalt. Denn wenn man wirklich von dem Einkommen leben muss, ist es schwierig. Man arbeitet ja quasi Vollzeit.“

Später möchte sie Fachärztin für Gynäkologie oder Dermatologie werden, in Österreich oder vielleicht in den USA. „Früher hatte ich diesen Traum als Ärztin nach Afghanistan zurückzukehren. In der derzeitigen Lage kann ich mir das nicht vorstellen. Aber vielleicht ändert sich ja die politische Situation in Afghanistan.“ Wo auch immer sie als Medizinerin arbeiten wird, sie will es mit vollem Einsatz machen – ganz so, wie sie es im Studium macht.

(09.10.2024, Text: P. Volgger, Fotos: privat)

 

 

Aktuell