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Hoch hinaus auch als Professorin

Nach oben wird die Luft immer dünner. Was anderen Angst macht, weckt den Forschergeist von Katharina Hüfner. Als neuberufene Professorin für Sportpsychiatrie interessiert sie sich vor allem für die Auswirkungen von Alpinsport auf die psychische Gesundheit. In einem aktuellen Projekt befasst sich die Medizinerin, Wissenschafterin und Bergsportlerin mit den psychischen Folgen von Hypoxie.

„Meine Arbeit passt zu mir und ich bin genau da, wo ich hinpasse. Alles hat sich so perfekt gefügt“, sagt Katharina Hüfner. Wäre alles nach dem ursprünglichen Plan gelaufen, dann hätte sie wohl als Neurologin Karriere gemacht. „Ich arbeitete in München, hatte dort eine super Stelle an der Universitätsklinik, machte Forschung mit MRT-Bildgebung und Laborexperimenten. Die Neurowissenschaften haben mich sofort begeistert, es ist ein Gebiet, wo es noch viel zu erforschen gibt“, erzählt die Medizinerin, die in München und Freiburg studierte und ihre erste Facharztausbildung in Neurologie absolvierte. Während der Facharztausbildung kam sie für das Gegenfach Psychiatrie 2010 zum ersten Mal nach Innsbruck. 2013 entschied sie sich, zu bleiben. „Ich habe schon an vielen Orten gelebt und gearbeitet, z.B. in Grönland am WHO Health Center, in Australien, England, der Schweiz oder in San Diego und New York, jetzt in Innsbruck fühle ich mich angekommen.“ An der Medizinischen Universität Innsbruck konnte sie ihre Leidenschaft, das Bergsteigen und Skibergsteigen, optimal mit ihrem Beruf verbinden. Ihre Vorgesetzten an der Univ.-Klinik für Psychiatrie I Hartmann Hinterhuber, Wolfgang Fleischhacker und die jetzige Direktorin der Universitätsklinik für Psychiatrie II Barbara Sperner-Unterweger ließen ihr bei der Wahl ihres Forschungsgebiets viel Freiraum, was sich ausgezahlt hat: Jetzt, zehn Jahre später, hat Rektor Fleischhacker Katharina Hüfner zur Professorin für Sportpsychiatrie berufen.

Eines kam zum anderen. „Ich war eingeladen, in einem Lehrbuch für Alpin- und Höhenmedizin ein Kapitel über neurologische Notfälle am Berg zu schreiben. Dabei ist mir aufgefallen, dass es keinen Abschnitt zu psychiatrischen Notfällen gibt. Ich habe die Herausgeber gefragt, ob ich auch darüber schreiben darf. Mit solchen kleinen Schritten und auch vielen glücklichen Zufällen hat alles angefangen“, erzählt sie. Für sie war es naheliegend, dass der Sauerstoffmangel in großen Höhen (hypobare Hypoxie) nicht nur neurologische, sondern auch psychiatrische Veränderungen hervorrufen kann. „Das Gehirn ist ein stark von der Versorgung mit Sauerstoff abhängiges Organ. Sehr lange hat man sich in der Alpin- und Höhenmedizin auf die rein körperlichen Aspekte konzentriert.“ Dahinter steckt wohl die Annahme, dass psychisch kranke Menschen ohnehin nicht in die Berge gehen würden, wie Hüfner sagt. Ein Fehlschluss. „Wir haben gesehen, dass es viele Menschen mit psychischen Erkrankungen gibt, die Bergsteigen, auch in großen Höhen. Durch das Zusammenbringen von alpiner Notfall- und Höhenmedizin mit psychiatrischen Fragestellungen haben wir echte Pionierarbeit geleistet.“

„Wir“, das sind bei Hüfners Projekten immer viele: Die Psychosomatik, das Fachgebiet in dem ihre Professur angesiedelt ist, befasst sich mit dem Zusammenspiel von Psyche und Körper, die Teams sind interdisziplinär aufgestellt – sei es in der Kooperation mit KollegInnen am Campus, mit den SportwissenschafterInnen der Universität Innsbruck, den AlpinmedizinerInnen an der EURAC Research in Bozen, oder in Zusammenarbeit mit dem Kuratorium für alpine Sicherheit und dem Österreichischen Alpenverein. Bei der Österreichischen Gesellschaft für Sportpsychiatrie und Sportpsychotherapie fungiert sie als Ansprechpartnerin für Tirol und ist seit kurzem auch als Expertin für Sportpsychiatrie im Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin. Sie plant, sich verstärkt auch mit der psychischen Gesundheit von LeistungssportlerInnen auseinanderzusetzen. Hüfner gefällt der kommunikative Austausch. „Ich lerne viele Leute aus unterschiedlichen Bereichen kennen und wir lernen voneinander.“

Das Besondere am alpin- und höhenmedizinischen Schwerpunkt der aktuellen Professur für Sportpsychiatrie im Unterschied zur Sportpsychiatrie im Allgemeinen sieht sie im Naturaspekt des Bergsteigens, der sich einerseits positiv auf die psychische Gesundheit auswirkt, andererseits aufgrund vieler Unwägbarkeiten am Berg aber auch Stress bedeutet. „Die Natur im alpinen Lebensraum birgt auch Gefahren und erfordert oft schnelle Entscheidungen“, erklärt Hüfner, deren Projekte regelmäßig auf sehr viel Interesse stoßen - medial, in der bergsportaffinen Bevölkerung der Region und auch unter den Studierenden. Die Sportpsychiatrie ist in der Pflichtlehre an der Medizinischen Universität Innsbruck verankert. „Es freut mich, wenn ich den Studierenden und jungen Ärztinnen und Ärzten meine Begeisterung für das Gebiet mitgeben kann und wenn sie sich für eine Diplomarbeit, wissenschaftliche Laufbahn oder Facharztausbildung mit Bezug zur Sportpsychiatrie entscheiden. Viele halten auch danach noch Kontakt“, sagt Hüfner.

Gerade hat sie mit den SportwissenschafterInnen der Uni Innsbruck ein Projekt gestartet, bei dem Menschen mit Angst- oder depressiver Symptomatik einer Hypoxie, vergleichbar mit einer Höhe von rund 3.800 Metern, ausgesetzt werden. „Wir wollen schauen, ob sich die Symptome der TeilnehmerInnen verändern, es könnte sein das Hypoxie diese verbessert oder aber, dass z.B. die Angst verstärkt wird. Daraus können wir Rückschlüsse für die Beratung der Betroffenen ziehen, bisher gibt es nämlich hier keinerlei evidenzbasierte Empfehlungen“, erklärt die neuberufene Professorin. Das passt wiederum zu ihrem Ziel, mit der Forschung den PatientInnen so unmittelbar wie möglich helfen zu können. „Ich wünsche mir, dass es uns gelingt, die gesundheitsförderlichen Aspekte von Alpinsport noch besser nachzuweisen und diese auch direkt in die klinische Behandlung zu integrieren. Alpinsport ist eine Therapie die Spaß macht, und sie ist kostengünstig, in Tirol leicht zugänglich und sehr nebenwirkungsarm. Das ist doch eigentlich ideal.“

(27. Juni 2023, Text: T. Mair, Foto: MUI/D. Bullock)

Forschungsarbeiten (Auswahl):
Hüfner K, Caramazza F, Pircher Nöckler ER, Stawinoga AE, Fusar-Poli P, Bhandari SS, Basnyat B, a Brodmann Maeder M, Strapazzon G, Tomazin I, Zafren K, Brugger H, Sperner-Unterweger B. Association of Pre-existing Mental Health Conditions with Acute Mountain Sickness at Everest Base Camp. 2022 High Alt Med Biol. 2022 Dec;23(4):338-344. doi: 10.1089/ham.2022.0014. Epub 2022 Sep 7. PMID: 36070557. https://www.liebertpub.com/doi/10.1089/ham.2022.0014

Habelt L, Kemmler G, Defrancesco M, Spanier B, Henningsen P, Halle M, Sperner-Unterweger B, Hüfner K. Why do we climb mountains? An exploration of features of behavioural addiction in mountaineering and the association with stress-related psychiatric disorders. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci. 2022 Aug 18. doi: 10.1007/s00406-022-01476-8. Epub ahead of print. PMID: 35980451. https://link.springer.com/article/10.1007/s00406-022-01476-8

Hüfner K, Brugger H, Kuster E, Dünsser F, Stawinoga AE, Turner R, Tomazin I, Sperner-Unterweger B. Isolated psychosis during exposure to very high and extreme altitude - characterisation of a new medical entity. Psychol Med. 2018 Aug;48(11):1872-1879. doi: 10.1017/S0033291717003397. Epub 2017 Dec 5. PMID: 29202898; PMCID: PMC6088769. https://www.cambridge.org/core/journals/psychological-medicine/article/isolated-psychosis-during-exposure-to-very-high-and-extreme-altitude-characterisation-of-a-new-medical-entity/C2BCDEDCB0C6415B16531008857D730C   

Hüfner K, Ower C, Kemmler G, Vill T, Martini C, Schmitt A, Sperner- Unterweger B. Viewing an alpine environment positively affects emotional analytics in patients with somatoform, depressive and anxiety disorders as well as in healthy controls. BMC Psychiatry. 2020 Jul 23;20(1):385. doi: 10.1186/s12888-020-02787-7. PMID: 32703170; PMCID: PMC7376733. https://bmcpsychiatry.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12888-020-02787-7

Weitere Links:
https://psychosomatik.tirol-kliniken.at/page.cfm?vpath=index

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