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Weltfrühchentag: Mit Anlauf ins Leben

Zu klein für den großen Start? Ursula Kiechl-Kohlendorfer beschäftigt sich täglich mit dieser Frage. Die Direktorin der Universitätsklinik für Pädiatrie II erklärt anlässlich des Weltfrühchentags (17. November), welche Fortschritte dafür sorgen, dass frühgeborene Kinder immer bessere Chancen haben.

Frühzeitige Wehen, ein Blasensprung – und das Baby ist da. Mit einer Frühgeburt rechnet niemand, die Eltern haben oft keine Zeit, sich darauf vorzubereiten, wie Ursula Kiechl-Kohlendorfer, die Direktorin der Univ.-Klinik für Pädiatrie II an der Medizinischen Universität Innsbruck betont. Umso wichtiger ist es, dass die Familien (kurz) vor, während und nach der Geburt gut umsorgt und aufgeklärt werden. Jedes 14. Kind in Österreich ist ein Frühstarter. Pro Jahr kommen in Tirol 70 bis 80 sehr kleine Babys (vor 32 Schwangerschaftswochen) auf die Welt. Dazu brauche es ein eingespieltes Team von Neonatolog:innen, Pfleger:innen und Geburtshelfer:innen. Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit ist laut der Klinikdirektorin essenziell, um ein optimales Outcome für die Frühgeborenen zu erreichen. Die Zahlen geben ihr Recht: Im internationalen Vergleich des Vermont-Oxford-Networks steigt die Innsbrucker Neonatologie sehr gut aus. Die Sterblichkeit der sehr kleinen Frühgeborenen lag im Jahr 2024 bei sechs Prozent (int. Durchschnitt: 14 Prozent). 76 Prozent dieser Kinder haben die Geburt und die Tage danach ohne frühe Komplikationen überstanden.

Dementsprechend viele Forschungsprojekte setzen am Anfang des Lebens an, bei der Erstversorgung: Diese ist noch weniger invasiv geworden. Bei der Gabe des Surfactant – das ist eine eiweißhaltige Substanz, die für die Lungenentwicklung notwendig ist und frühgeborenen Babys häufig fehlt – wurde eine neue atemunterstützende Methode mit Verabreichung direkt in die Luftröhre etabliert. Und dank eines neuen Geräts mit dem passenden Namen Concord, können die kleinen Schnellstarter:innen während der Erstversorgung noch ein paar Minuten an der Nabelschnur bleiben. „Erst wenn sich der Kreislauf stabilisiert hat, die Lungen belüftet sind und die Sauerstoffsättigung über 85 Prozent ist, wird die Nabelschnur durchtrennt. Das hat auch den Vorteil, dass man den Eltern das Kind schon während der Erstversorgung zeigen kann“, sagt Kiechl-Kohlendorfer.

Obwohl Neonatologie auf der Klinik draufsteht, hört die Fürsorge nach der Geburt noch lange nicht auf. Die Eltern können direkt in der Klinik einziehen und rund um die Uhr zu ihrem Kind. Sie bleiben bis das Baby eine Reife von etwa 36 Wochen erreicht hat. „Wenn es ein extremes Frühchen ist, das mit 23 SSW auf die Welt kommt, bleibt die Familie über mehrere Monate bei uns. Aus Erfahrung kann ich sagen: Wenn es zwei Kilo wiegt, an Gewicht zunimmt und keine Atempausen mehr hat, darf es nachhause. Die Familien fühlen sich in der Regel gut vorbereitet. Wir möchten den Übergang aber noch weiter verbessern, z.B. mithilfe von elektronischen Medien“, sagt die Expertin. Die Klinik verfügt über die Intensivstation mit 12 Betten, eine Intermediate Care Station mit sechs Betten und 15 Betten in der Nachsorgestation. Die Betreuung der sehr kleinen Frühgeborenen (<32 SSW) reicht von der Erstversorgung bis zum Schuleintritt. „Das ist wichtig für die Kinder, für die Familien und wir möchten natürlich auch wissen, wie es den Kindern geht.“ An der Neonatologie laufen aktuell Forschungsprojekte, die sich auf die Suche von Biomarkern konzentrieren, um eine Aussage über die Langzeitentwicklung der ehemaligen Frühgeborenen treffen zu können – etwa, was die Gehirnentwicklung, die Entwicklung der Lungen und des Herz-Kreislauf-Systems betrifft.

Mehr über den aktuellen Stand der Frühchen-Forschung berichtete Ursula Kiechl-Kohlendorfer am 12. November in ihrem Vortrag "Zu klein für den großen Start?" im Rahmen der Reihe Wissen|schaf(f)t Gesundheit. Hier können Sie die Aufzeichnung des Streams kostenlos nachhören: wissenschafftgesundheit.at

(Innsbruck, 17. November 2025,  Text: T. Mair, Foto: D. Bullck
Dieser Bericht ist zuerst am 6. November 2025 in der Tiroler Tageszeitung erschienen: https://www.i-med.ac.at/pr/medien/meduni-in-der-tt.html)

Links:
Vortragsreihe "Wissen|schaf(f)t Gesundheit" der Medizinischen Universität Innsbruck
Veranstaltungen an der Medizinischen Universität Innsbruck
Univ.-Klinik für Pädiatrie II (Neonatologie)

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