Neuer Hoffnungsträger für Nieren-Transplantationen: Normotherme Maschinenperfusion (NMP)
Eine aktuelle Studie beleuchtet die Möglichkeiten und Herausforderungen der Normothermen Maschinenperfusion (NMP) in der Nieren-Transplantation. Diese innovative Technologie könnte dazu beitragen, das Leben vieler PatientInnen mit Nierenversagen im Endstadium (End-Stage Kidney Disease, ESRD) zu verbessern. Bei der Weiterentwicklung sind Stefan Schneeberger und sein Team von der Medizin Uni Innsbruck und dem organLife Labor federführend beteiligt.
Die Normotherme Maschinenperfusion ist ein Paradigmenwechsel in der Organkonservierung und bei Leber- und Herztransplantationen bereits gut etabliert. Bei der Methode wird ein Organ außerhalb des Körpers an ein Gerät angeschlossen, um die Zirkulation und den Zellstoffwechsel bei Körpertemperatur wiederherzustellen. Das ermöglicht Konservierungszeiten von mehreren Tagen sowie die detaillierte Untersuchung der Organe. Bisher kann diese innovative Technik allerdings nicht bei Nieren eingesetzt werden, dabei steigt weltweit die Inzidenz von chronischen Nierenerkrankungen (CKD). Bald wird die Erkrankung zu den häufigsten fünf Todesursachen weltweit zählen. Weltweit sind schätzungsweise 9,5 Prozent der Bevölkerung von CKD betroffen. Allein in den USA leiden etwa 35,5 Millionen Menschen an CKD, und fast 808.000 leben mit ESRD. Trotz des enormen Bedarfs und einer durchschnittlichen Wartezeit von drei bis fünf Jahren für eine Nierentransplantation gehen jedes Jahr Tausende von Organen verloren. Allein im Jahr 2023 wurden in den USA über 18.500 entnommene Organe nicht transplantiert, mehr als die Hälfte davon waren Nieren. Der Anteil verworfener Organe stieg von 13,8 Prozent im Jahr 2012 auf 19,4 Prozent im Jahr 2023. Gründe für das Verwerfen sind oft Bedenken hinsichtlich der Organqualität, lange Zeiten, in denen das Organ nicht ausreichend durchblutet ist (Ischämiezeiten) und eine unzureichende Fähigkeit, die Organqualität präzise zu beurteilen.
Stefan Schneeberger ©MUI/F.Lechner
„Durch die Weiterentwicklung der Maschinenperfusion für die Niere ist hier eine Besserung in Aussicht“, erklärt Stefan Schneeberger, Direktor der Univ.-Klinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie. Auf Einladung des Journals Nature Communications hat der Tiroler ein internationales ExpertInnenteam zusammengestellt, um eine gemeinsame Perspektive zu erarbeiten. Ziel des kürzlich veröffentlichten Artikels ist es, die Herausforderungen in der Umsetzung und Anwendung der Nieren Normotherme Maschienperfusion (NMP) zu definieren und die Lösungen dafür darzustellen.
Nieren sind Herausforderung für die Maschinenperfusion
„Die Prognose bei chronischem Nierenversagen ist trotz Dialyse so schlecht wie bei vielen Krebserkrankungen. Neben der reduzierten Lebenserwartung ist auch die Lebensqualität der Betroffenen stark beeinträchtigt“, erklärt Schneeberger. „Deshalb soll jetzt das, was für die Leber schon gelungen ist, auch bei Nieren angewendet werden. Es klingt ja ganz einfach, diese Methode auf Nieren zu übertragen, aber die Annahme trügt. Die NMP der Niere folgt anderen Gesetzen und beinhaltet andere Herausforderungen als die NMP der Leber. Überhaupt hat die NMP bei jedem Organ eigene Herausforderungen und Gesetze. Besonders schwierig gestaltet sich das bei der Niere, vermutlich auch, weil das Organ sehr viele Aufgaben im Abgleich mit anderen Körperfunktionen erfüllt. In ‚Isolation‘ genommen, kann das Organ seine regulatorische Funktion nicht wahrnehmen und ist schwieriger im Gleichgewicht zu halten.“
Fokus liegt auf weiterer Forschung und klinischen Studien
Die ExpertInnen betonen in ihrem Beitrag, dass der Fokus nun auf der Entwicklung und Erprobung von NMP-Geräten und Protokollen liegt, die eine verlängerte Nierenkonservierung in klinischen Studien ermöglichen. Die Zukunft wird auch die Entwicklung von Biologika und Biomarkern umfassen, die eine präzise Beurteilung der Organqualität und eine Vorhersage des Transplantationsergebnisses ermöglichen.
Insgesamt hat die Normotherme Maschinenperfusion aber das Potenzial, die Praxis der Nierentransplantation grundlegend zu verändern, indem sie die Verfügbarkeit von Organen erhöht, die Transplantationsergebnisse verbessert und neue therapeutische Wege eröffnet. Während der Weg zur vollständigen klinischen Implementierung noch Herausforderungen birgt, ist die Vision einer Zukunft, in der mehr PatientInnen die lebensrettende Möglichkeit einer Nierentransplantation erhalten, greifbar. „Wir haben die Hoffnung, dass der Durchbruch schon bald möglich wird, “ sagt Schneeberger. Grund für diese positive Perspektive sind auch die entscheidenden wissenschaftlichen Fortschritte in den vergangenen Jahren. Mit zahlreichen Studien und Publikationen hat hierzu auch das Innsbrucker Team vom organLife Labor der Univ.-Klinik für Visceral- Transplantation und Thoraxchirurgie entscheidend beigetragen.
Paper: Rabelink, T.J., Hosgood, S., Minor, T. et al. Opportunities and challenges with the implementation of normothermic machine perfusion in kidney transplantation. Nat Commun 16, 6883 (2025).
https://doi.org/10.1038/s41467-025-60410-3
(11.08.2025, Text: Red/B. Hoffmann-Ammann, Foto: Schneeberger F. Lechner, Maschinenperfusion T. Hautz)
Weitere Informationen:
Tiroler Experte sieht Nierenkonservierungszulassung in fünf Jahren
Univ.-Klinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie
Organ Life Labor