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Plasmapherese: Eine vielversprechende Zusatztherapie bei Sepsis

Etwa 20 % der PatientInnen auf einer Intensivstation leiden an einer lebensbedrohlichen Sepsis oder gar an einem septischen Schock: Ihr Körper reagiert derart auf eine Infektion, dass es zu Kreislaufversagen und zum Tod kommen kann. Eine Studie mit Beteiligung der Internistischen Intensivmedizin in Innsbruck zeigt einen vielversprechenden Behandlungsansatz und einen Zusammenhang mit zwei Gerinnungsfaktoren im Blut: Die Plasmapherese könnte die Überlebensrate bei septischem Schock verbessern.

Zwei Gerinnungsfaktoren im Blut von Sepsis-PatientInnen sind erhöht: Tissue Factor (TF), ein starker Aktivator für die Blutgerinnung, und sein Gegenspieler Tissue Factor Pathway Inhibitor (TFPI). Die Beeinflussung dieser Faktoren ist einer der Effekte eines neuen Behandlungsansatzes bei septischem Schock, der an der Med Uni Innsbruck mituntersucht wurde. Bei einer Sepsis kommt es zu einer lebensbedrohlichen Reaktion des Körpers auf eine schwere Infektion, die Organe funktionieren nicht mehr richtig. In ihrer schwersten Ausprägung, dem septischen Schock, kommt es zu Kreislaufversagen, was mit Sterblichkeitsraten von über 50 Prozent verbunden ist.  

Auch auf der internistischen Intensivstation in Innsbruck gehört die Sepsis zu den häufigen Krankheitsbildern, rund 20 Prozent der PatientInnen leiden darunter, berichtet Michael Joannidis, Leiter der Gemeinsamen Einrichtung für Internistische Intensiv- und Notfallmedizin an der Univ.-Klinik für Innere Medizin I (Direktor: Herbert Tilg). Gemeinsam mit dem Innsbrucker Intensivmediziner Georg Lehner und WissenschafterInnen aus Deutschland und der Schweiz war Joannidis an einer Studie über eine Zusatztherapie bei septischem Schock beteiligt, die auch auf die Blutgerinnung zielt. „Man glaubt nämlich, dass einer der wesentlichen krankmachenden Faktoren bei einer Sepsis ist, dass es zu Blutgerinnseln in den kleinsten Gefäßen kommt“, erklärt Joannidis den Hintergrund.

Michael Joannidis und Georg Lehner

Michael Joannidis (l.) und Georg Lehner (r., beide Univ.-Klinik für Innere Medizin 1) haben gemeinsam mit WissenschafterInnen aus Deutschland und der Schweiz die Zusatztherapie Plasmapherese erforscht

Lehner erläutert den Grundgedanken des neuen Therapieansatzes: „Unverhältnismäßig erhöhte Gerinnungsfaktoren wie TF und TFPI werden durch Plasmapherese aus dem Blut der erkrankten PatientInnen entfernt und durch das Plasma von gesunden SpenderInnen ersetzt.“ Die Studie, die bei Critical Care erschienen ist, weist erstmals deutliche Effekte dieser Plasmapherese auf die spezifischen Gerinnungsfaktoren TF und TFPI nach. Die ProbandInnen – allesamt von einem septischen Schock betroffen – hatten im Vergleich zu PatientInnen, die nur die Standardtherapie erhielten, eine deutlich verbesserte Gewebeversorgung mit Sauerstoff, ihr Kreislauf stabilisierte sich schneller.

Sepsis: Häufig und gefährlich

Blutvergiftung wird die Sepsis umgangssprachlich oft fälschlicherweise genannt – doch es handelt sich dabei um eine fehlregulierte, lebensbedrohliche Reaktion des Körpers auf eine schwere Infektion, etwa durch eine Lungen-, Nierenbecken- oder Hautentzündung oder nach einer Operation im Bauchraum. Sie führt zu multipler Organdysfunktion, in ihrer schwersten Ausprägung, dem septischen Schock, kommt es zusätzlich zu einem Kreislaufversagen – rund die Hälfte der davon betroffenen PatientInnen verstirbt. Laut Hochrechnungen erkranken in Österreich jährlich 28.000 Personen an einer Sepsis, 6.700 sterben daran.

Eine Sepsis ist aufgrund der unspezifischen Symptome nicht leicht zu erkennen: Schneller Atem, niedriger oder instabiler Blutdruck und Bewusstseinsveränderungen sind Alarmzeichen – beim Auftreten solcher Anzeichen muss ärztlich abgeklärt werden, ob eine Sepsis vorliegt – Klarheit bringen Laboruntersuchungen.  

 

Alte Idee – neue Umsetzung

Bisherige Therapieansätze bei Sepsis zielen auf die Immunantwort des Körpers. „Es gab allerdings schon vor etwa 20 Jahren die Idee, die Gerinnung zu behandeln“, berichtet Joannidis. So schien es zunächst vielversprechend, den Tissue Factor gezielt mit einem künstlich hergestellten Inhibitor zu beeinflussen, doch weitergehende Studien zeigten, dass sich die Überlebensrate der Patientinnen und Patienten dadurch nicht verbesserte. „Der breitere Ansatz, der zahlreiche Gerinnungsfaktoren beeinflusst, u.a. TF und TFPI, könnte jetzt der Schlüssel für eine vielversprechende Behandlung sein – wir hatten aus Vorstudien schon Hinweise darauf und die aktuelle Studie hat das bestätigt,“ berichtet Studienerstautor Lehner von der Arbeitsgruppe Internistische Intensivmedizin in Innsbruck (Leiter: Michael Joannidis).

„Unsere Annahme ist, dass durch die Plasmapherese das Gerinnungssystem der behandelten PatientInnen wieder ins Gleichgewicht kommt. Das muss jetzt weiter erforscht werden“, erklärt Joannidis. Die Plasmapherese ist dabei als Zusatztherapie zur bisherigen Standardtherapie im septischen Schock – Antibiotikagabe, Kreislaufstabilisierung und Vorbeugung bzw. Behandlung von Organschäden – in der Akutphase zur Stabilisierung vorgesehen.

Höchste Wirkung bei höchsten Ausgangswerten – Folgestudie gestartet

Die Sepsis-Studie zeigt außerdem, dass PatientInnen mit den höchsten Ausgangswerten von TF und TFPI am stärksten hinsichtlich der Verbesserung des Kreislaufes von einer Plasmapherese profitieren. „Derzeit läuft eine große klinische Plasmapheresestudie in Deutschland, Österreich und der Schweiz an, um festzustellen, ob und für welche PatientInnen dieses Verfahren tatsächlich zu einer höheren Überlebenswahrscheinlichkeit führt. Da suchen wir nach einem Biomarker, der Hinweise liefert, für welche PatientInnengruppe diese Therapie erfolgversprechend ist“, erklärt Michael Joannidis. Zur Vorhersage der Wirkung wird unter anderem die Laktatkonzentration als zentraler Parameter für den Verlauf der Sepsis verwendet – schon in der aktuellen Studie zeigte sich: Durch die Zusatztherapie mit Plasmapherese sank der Laktatwert, für die StudienautorInnen ein weiteres positives Ergebnis und ein Indikator für das Ansprechen der Therapie. Als Zusatztherapie könnte dieses neue Verfahren die Überlebensrate von PatientInnen im septischen Schock also bald verbessern – eine Hoffnung für die vielen und schwerkranken Betroffenen.

(Innsbruck, 8.1.2024, Text: P. Volgger, Foto: MUI/D. Bullock)

Links:
Effect of therapeutic plasma exchange on tissue factor and tissue factor pathway inhibitor in septic shock
https://doi.org/10.1186/s13054-024-05142-4

Associations of tissue factor and tissue factor pathway inhibitor with organ dysfunctions in septic shock
https://doi.org/10.1038/s41598-024-65262-3

 

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