So „ticken“ Spenderlebern während der Maschinenperfusion
Was spielt sich in einer Spenderleber ab, während sie bis zu 24 Stunden vor Transplantation außerhalb des Körpers an einer Maschine perfundiert wird? Welche Aussagen über die Organqualität lassen die molekularen Vorgänge zu? Kann man daraus Prognosen für die Organfunktion und das Outcome nach Lebertransplantation ableiten? Diesen Fragen gingen Theresa Hautz und ihr Team von organLifeTM gemeinsam mit Hubert Hackl vom Institut für Bioinformatik an der Medizinischen Universität Innsbruck nach.
Aufbauend auf einem Leberimmunzellatlas auf Einzelzellebene (single-cell sequencing), welcher vom Studienteam vor kurzem in der Fachzeitschrift Nature communications veröffentlicht wurde, konnten die ForscherInnen um Theresa Hautz (Leiterin des Forschungslabors organLifeTM der Univ.-Klinik für Viszeral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie) und Hubert Hackl (Institut für Bioinformatik) mittels Next Generation Sequencing molekulare Mechanismen während der Leberperfusion entschlüsseln sowie eine Reihe möglicher Biomarker identifizieren. Die bemerkenswerte Studie, in der auch erstmals die zeitliche Dynamik der Vorgänge betrachtet wurde, ist unlängst im hochangesehenen Fachjournal eBioMedicine (Lancet-Gruppe) veröffentlicht worden. Die Bedeutsamkeit der Arbeit wurde in der Fachpublikation außerdem in einem zusätzlichen Kommentar hervorgestrichen.
BU: v.l. Hubert Hackl, Theresa Hautz und Stefan Schneeberger neben einer Perfusionsmaschine in einem Labor von OrganLifeTM
Dem Team ist es anhand umfassender Sequenzierungsdaten und bioinformatischer Analysemethoden gelungen, eine aus sieben Genen bestehende Signatur zu identifizieren, die jeweils mit der Organqualität von transplantierten und nicht-transplantierten Spenderlebern korrespondiert. „Diese Signatur Gene hat einen sehr hohen prädiktiven Wert. Wir haben gesehen, dass sich das molekulare Muster von Lebern, die transplantiert wurden von jenen, die aufgrund eingeschränkter Funktion oder Vorschädigung nicht transplantabel waren, schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Perfusion, nämlich sechs Stunden, unterscheidet“, berichtet Hautz.
In weiterer Folge sei es aber wünschenswert und hilfreich, einen Biomarker zu haben, der schnell und einfach zu detektieren sei. „Am besten gemessen im Perfusat, denn eine Biopsieentnahme stellt immer ein potentielles Risiko für das Organ während der Maschinenperfusion dar“, so Hautz weiter. Ein Gen-Kandidat tat sich dabei besonders hervor: „Eines dieser sieben Gene ist aufgefallen, weil es in nicht-transplantierten Lebern am stärksten reguliert war und einen Biomarker produziert, den man im Perfusat messen kann. CD274 codiert für das Protein PD-L1 (programmed cell-death ligand-1, Anm.), welches an der Modulation der Immunantwort beteiligt und im Serum von PatientInnen mit Tumoren, chronischen Entzündungen und Infektionen erhöht ist. So könnte eine routinemäßige Messung von PD-L1 im Perfusat zukünftig hinweisend auf die Organqualität sein“, ist Hautz überzeugt.
„Wichtig ist auch dass wir gesehen haben, welche molekularen Mechanismen generell während der normothermen Maschinenperfusion bis zu 24 Stunden Perfusionszeit in den Lebern induziert werden. Da haben wir viel Inflammation, Zellstress und Zellregulation in Kombination mit einem verminderten Stoffwechsel. Aber es werden auch regenerative und regulatorische Mechanismen angeschoben, insbesondere mit längerer Perfusionszeit, was sehr erfreulich ist“, sagt die Forscherin. Denn das Wissen um diese Prozesse helfe dabei, die Perfusion für die einzelnen Organe zu optimieren.
Zuletzt konnte in der Studie auch gezeigt werden, dass die Regulation gewisser Markergene mit der frühen Organfunktion nach Lebertransplantation korreliert. Beispielsweise könne ein Anstieg der Expression von LEAP-2 nach sechs Stunden Perfusion hinweisend auf eine Early Allograft Dysfunction, also eine eingeschränkte Leberfunktion, sein. Somit können die Daten Hautz zufolge auch helfen, das Outcome nach Lebertransplantation vorherzusagen
Für die Sequenzierung an der Next Generation Sequencing Core Facility der Medizinischen Universität Innsbruck wurden Leberbiopsien aus der von Stefan Schneeberger geleiteten klinischen NMP-Studie (Normothermic machine perfusion-Study, Anm.) herangezogen. Die Kohorte, die aus den Jahren 2019 bis 2020 stammt, umfasst 45 Lebern, von denen letztlich 30 Organe transplantiert werden konnten.
Kurz zusammengefasst konnte das Team in einem vollständig an der Medizinischen Universität Innsbruck durchgeführten Projekt wichtige Erkenntnisse erzielen, die von der Identifikation von Biomarken bis zur Erfüllung der langfristigen Vision, geschädigte Organe regenerieren und heilen zu können, einen maßgeblichen Fortschritt bedeuten.
(Innsbruck, am 14. Oktober 2024, Text: T. Mair, Fotos: AdobeStock; MUI/D. Bullock)
Forschungsarbeit:
Hautz, Th, Hackl H, Gottschling H, Gronauer R, Hofmann J, Salcher St. et al. Transcriptomic signatures during normothermic liver machine perfusion correspond with graft quality and predict the early graft function eBioMedicine, Volume 108, 105330 https://www.thelancet.com/journals/ebiom/article/PIIS2352-3964(24)00366-9/fulltext
Kommentar:
Advanced viability assessment in machine perfusion: what lies ahead?
https://www.thelancet.com/journals/ebiom/article/PIIS2352-3964(24)00387-6/fulltext
Weiterführende Links:
organLifeTM
Next Generation Sequencing Core Facility
Theresa Hautz über “Wissen leben”: Ein Statement von Theresa Hautz lesen Sie auf der Website zum 20. Jubiläum der Medizinischen Universität Innsbruck
Univ.-Klinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie
Institut für Bioinformatik