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Digitale Herausforderungen willkommen

Sebastian Schönherr entwickelt am Institut für Genetische Epidemiologie Anwendungen, die es MedizinerInnen ermöglichen große Mengen medizinischer Daten zu analysieren und zu interpretieren. Als Informatiker betreibt er aber auch selbst medizinische Forschung. Im Oktober hat ihn Rektor Wolfgang Fleischhacker nun zum Professor für Digital and Computational Genomics berufen.

Sebastian Schönherr hat fünf Geschwister. Wie schon seine Eltern sind sie alle in Gesundheitsberufen tätig. Nur er hat sich für das Informatikstudium an der Universität Innsbruck entschieden. „Mathematik hat mich immer fasziniert“, sagt der gebürtige Zammer. Medizinische Forschung betreibt er dennoch, wenn auch aus einer anderen Perspektive: Sebastian Schönherr forscht, damit sich MedizinerInnen auf die Medizin konzentrieren können.

Am Institut für Genetische Epidemiologie (Direktor: Florian Kronenberg) ist es seine Aufgabe, die Aufbereitung enorm großer Datensätze mit Millionen von Datenpunkten so komfortabel und effizient wie möglich zu gestalten. „Die Entwicklung von neuen Methoden und Bereitstellung von Services ist ein Baustein, um in Zukunft personalisierte Medizin zu ermöglichen. Es geht auch darum, Analysen schneller und in immer höherer Qualität durchführen zu können“, erklärt Schönherr. Regelmäßig stellt er sich, meist gemeinsam mit seinem Kollegen Lukas Forer, so genannten „Computational Challenges“, rechenintensiven Herausforderungen in der biomedizinischen Forschung. Mit Erfolg. Im Oktober 2023 berief ihn Wolfgang Fleischhacker, der Rektor der Medizinischen Universität Innsbruck, zum Professor für Digital and Computational Genomics.

Schönherr kam bereits 2008 als Masterstudent ans Institut von Florian Kronenberg. Danach absolvierte er das Doktoratsstudium am Institut für Informatik der LFU wieder in Kooperation mit der Genetischen Epidemiologie der Med Uni. Es war die aufregende Zeit, in der Next Generation Sequencing aufkam. Damit sind plötzlich aber auch riesige Datenmengen entstanden, die es zu analysieren und interpretieren gilt. „Florian Kronenberg hat früh erkannt, dass dafür Informatiker gebraucht werden“, sagt Schönherr. Nicht jeder hätte damals diesen Weitblick gehabt und so mancher die Informatik als „reine Anwendung“ belächelt, erinnert er sich. Das ist Vergangenheit. Dazu hat Schönherr, der seit 2014 fest am Institut angestellt ist, beigetragen.

„Zusammen mit Lukas Forer und der University of Michigan haben wir die Genotyp Imputation revolutioniert. Inzwischen verwendet jeder weltweit diesen Service“, erzählt er stolz. Gestartet wurde das Projekt, bei dem es darum geht, DNA-Chips mit lückenhaften Gensequenzen mit den Daten von vorhandenen kompletten Sequenzen automatisiert zu vervollständigen, im Jahr 2015. Das Fachjournal Nature Genetics publizierte die Arbeit damals. Seit 2016 steht der Service zur Verfügung. „Die University of Michigan hat den Algorithmus zur Durchführung der Imputation entwickelt. Wir wiederum hatten Erfahrung darin, den Service so aufzusetzen, damit er vielen Menschen bereitgestellt werden kann. Inzwischen wurde er bereits von 10.000 Usern verwendet, die mehr als 106 Millionen Genome imputiert haben“, schildert Schönherr. Die Herstellung von DNA-Chips sei noch immer um das Zehnfache günstiger, als die Gensequenzierung und die Imputation zeichne sich durch eine sehr hohe Genauigkeit aus. Damit ist das Projekt aber noch nicht zu Ende: „Wir sind aktiv daran, den Service methodisch zu erweitern, zu parallelisieren und zu warten.“

Das „Wir“ betont Schönherr besonders oft und gern. Schon während seines Studiums, das er zum Teil in Kopenhagen absolvierte, hatte er Spaß am gemeinsamen Arbeiten. „Es war extrem interaktiv und ein sehr soziales Studium. Für komplexe Aufgaben braucht man die Gruppe“, sagt er. Am Institut wird Wert auf Interdisziplinarität gelegt. „Man sitzt nicht allein im Zimmer. Das macht den Erfolg der Genetischen Epidemiologie aus.“ Im März bekommt Schönherrs Team Zuwachs. Mit der neuen Post-Doc-Mitarbeiterin möchte er in einer Forschungsarbeit das große Wissen am Institut über die Lp(a)-Strukturen auf andere medizinisch relevante komplexe Genregionen übertragen und anwendbar machen. Zudem wird er zusammen mit ihr künftig auch im Bereich der mtDNA weiterforschen und verbesserte Methoden zur Analyse von mitochondrialer DNA entwickeln, die dann z.B. die Bestimmung von genetischen Krankheitsursachen erleichtern.

Ein großes Anliegen ist es ihm auch, die high computing performance am Campus voranzubringen und fest zu verankern, um auf personalisierte Medizin vorbereitet zu sein. „Egal, ob es Imputation ist oder Plattformen, wie Askimed, die wir zur Datenerfassung bei klinischen Studien entwickelt haben. Wichtig ist, dass wir Kapazitäten haben um dann viele Dinge schnell und parallel ermöglichen zu können.“ Dazu gehört natürlich auch das entsprechende Know-how, das Schönherr in der Lehre an die nächste Generation der ForscherInnen und MedizinerInnen weitergibt. „Die Verankerung der Genomik im Gesundheitswesen liegt mir sehr am Herzen. Als ich damals im PhD-Studienplan begonnen habe zu unterrichten, war ich noch ein Exot. Mittlerweile bin ich gemeinsam mit Stefan Coassin in der Lehre der Humanmedizin im 3. Semester mit dem Fach ,Next Generation Sequencing und Informatik‘ vertreten. Wir versuchen, möglichst früh Interesse zu wecken und Awareness in Richtung personalisierte Medizin zu schaffen.“ Für die Studierenden der Molekularen Medizin sei es spannend, die Schnittmengen zwischen Informatik und Biologie zu erfassen.

Bei so viel Computerarbeit darf in der Freizeit der sportliche Ausgleich für Sebastian Schönherr nicht zu kurz kommen. Dabei halten ihn neben dem Fußball vor allem seine zwei kleinen Kinder in Bewegung: Die Familie hat für den gebürtigen Zammer, der inzwischen in Imst lebt, Priorität.

(Innsbruck, 1. Dezember 2023, Text: T. Mair, Foto: MUI/C. Simon)

Weitere Projekte mit Sebastian Schönherr:
Forschungsbereich Computational Genomics am Institut für Genetische Epidemiologie 

Basis für weltweit größte Sequenzierstudie kommt aus Innsbruck (Tageszeitung „Der Standard“, 6.4.2021)

Neue Werkzeuge aus Innsbruck für die Analyse mitochondrialer Genome 

Askimed 

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