Mit Nanopartikeln ins Innenohr
Der Schall wird beim Menschen über den äußeren Gehörgang und das Mittelohr auf die flüssigkeitsgefüllte Gehörschnecke (Cochlea) übertragen, dort von Haarsinneszellen wahrgenommen und von Nervenzellen an das Zentralnervensystem weitergeleitet. Schäden am Innenohr sind derzeit nur sehr beschränkt therapierbar, weshalb die EU nun ein Forschungsprojekt zum Einsatz von Nanopartikeln für den Transport von Wirkstoffen in das schwer zugängliche Organ finanziert.
In der Europäischen Union leben rund 44 Millionen Menschen, deren Alltag durch Hörschäden beeinträchtigt ist. Über 33.000 Europäerinnen und Europäer sind völlig taub. Die volkswirtschaftlichen Folgekosten sollen sich auf über 220 Milliarden Euro belaufen. Nun wollen Wissenschaftler in einem von der EU finanzierten, internationalen Projekt versuchen, Nanopartikel zu entwickeln, die Medikamente in das Innenohr transportieren und dort gezielt freigeben. Damit würde eines der größten Therapiehindernisse überwunden, so Prof. Anneliese Schrott-Fischer von der Innsbrucker HNO-Klinik, denn das Innenohr ist ein in sich geschlossenes und äußerst schwer zugängliches Organ. Mit akademischen und industriellen Partner aus 11 europäischen Ländern wollen die Forscher Verfahren entwickeln, mit denen Medikamente oder therapeutische DNA in Nanopartikeln verpackt und gezielt an oder in bestimmte Zellen gebracht werden sollen, ohne dabei das umgebende Gewebe stark zu beeinflussen. Verwendet werden dafür Nanopartikel der dritten Generation, die in der Lage sind verschiedene Moleküle aufzunehmen und deren Oberflächen mit bestimmten Rezeptoren beschichtet werden können. Mit diesen Rezeptoren docken die Partikel nur an ganz bestimmten Zellen an und liefern dort den Wirkstoff ab. Darüber hinaus müssen die Partikel so konstruiert werden, dass die Abbauprodukte keine toxischen Folgewirkungen zeigen.
Untersuchung von Verteilung und Wirkung
In Innsbruck wird ein Team um Prof. Anneliese Schrott-Fischer, Dr. Rudolf Glückert und Mario Bitsche vom Forschungslabor für Innenohrbiologie der HNO-Klinik an dem Projekt mitarbeiten. Zwei weitere Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter werden durch dieses Projekt geschaffen. In Zellkulturexperimenten wollen die Wissenschaftler untersuchen, wie sich die Nanopartikel im Innenohr verteilen und welche Wirkung sie dabei erzielen. Dies wird zunächst an Explantkulturen analysiert, in einem späteren Stadium werden ähnliche Untersuchungen auch am menschlichen Innenohr vorgenommen. Als industrieller Partner ist das Tiroler Unternehmen MED-EL an dem Projekt beteiligt. Mit diesem hatte die Klinik schon im 5. Rahmenprogramm im Projekt BIOEAR zusammengearbeitet, wobei es dort darum ging mit Nervenwachstumsfaktoren das Überleben von Nervenzellen an den von MED-EL produzierten Cochlea-Implantaten günstig zu beeinflussen. Das Gesamtvolumen des neuen Projekts Nanoear wurde auf 12,7 Millionen Euro veranschlagt, das endgültige Budget muss noch mit der EU verhandelt werden. Koordiniert wird dieses EU-Projekt von der Universität Tampere in Finnland.